Zeitschrift EE

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2004-01: Wasserstoff und Brennstoffzellen

Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen

Die Vision der Wasserstoffinfrastruktur in Titelbild zeigt, wie schon in naher Zukunft die Energieversorgung bestimmter Bereiche in einer Großstadt aussehen können.

Elektrolysewasserstoff aus regenerativen Energiequellen

Von Christian Machens*

In der rechten oberen Bildecke ist die Gewinnung von Strom aus regenerativen Energien dargestellt. Der Strom wird über die existierenden Leitungen in die Stadt geführt und in dezentral installierten Elektrolyseuren bedarfsgerecht in Wasserstoff umgewandelt. Anwendungen können sowohl private HomeFueler® sein, die über Nacht das private Auto mit Wasserstoff aus billigem Nachtstrom betanken, als auch öffentliche Tankstellen und Netzausfallüberbrückungssysteme, die ihren Wasserstoffvorrat einer am Haus befindlichen Wasserstofftankstelle für die Betankung von Lieferfahrzeugen zur Verfügung stellen können.
Diese Vision ist gar nicht so weit von der Realität entfernt, da alle Komponenten dafür bereits existieren. Natürlich ist es heutzutage in den meisten Fällen noch nicht mit den herkömmlichen Dieselsystemen und öffentlichen Tankstellen konkurrenzfähig, jedoch vor dem Hintergrund der ständig steigenden Benzinpreise und der zunehmenden Abhängigkeit von Ölimporten aus dem außereuropäischen Ausland wird sich das schon innerhalb der nächsten zehn Jahre ändern.

Erzeugung von Wasserstoff

Nun stellt sich die Frage, aus welchen Energiequellen und mittels welcher Technologien der Wasserstoff hergestellt werden kann oder soll, denn Wasserstoff ist nur Energieträger und kommt in der Natur nicht als große Blase im Boden vor. Es muss verstanden werden, dass die Zeit der "billigen" Energie zu Ende ist und künftige Energieträger zunehmend technikabhängig sind. Auch wenn argumentiert wird, dass das Erdöl ja noch 20 oder 30 Jahre reichen wird, eines ist gewiss: Der letzte Tropfen Öl wird sicherlich nicht in einem Auto verfahren. Eine Vielzahl anderer Industriezweige wie z. B. die Pharma- oder Kunststoffindustrie sind dringend auf den Rohstoff angewiesen. Anlehnend an Untersuchungen der Ludwig-Bölkow Systemtechnik (LBST) wurde das Fördermaximum für die allermeisten Ölfelder bereits im Jahre 2000 überschritten. Nun bleibt abzuwarten, wann der Preis für Benzin oder Diesel so hoch sein wird, dass Wasserstoff gleich "teuer" ist wie die heutzutage so vertrauten Kohlenwasserstoffe.

Regenerative Energiequellen

Der kürzlich vorgestellte Report der "High-Level Group" der EU stellt die Erzeugung von Wasserstoff aus regenerativen Quellen an erste Stelle, da nur so zusätzliche CO2 Emissionen und andere Treibhausgase vermieden werden können. Einen Elektrolyseur mit Wind- und Wasserkraft zu betreiben macht Sinn, wenn der Strom aus den regenerativen Energiequellen auf Grund einer instabilen Netzsituation nicht direkt ins Netz eingespeist werden kann oder ohnehin kein Strom, sondern Wasserstoff benötigt wird, wie z. B. als Treibstoff für eine Bus- oder Bootsflotte.
Heutzutage kommt der weitaus größte Anteil des auf dem freien Markt verfügbaren Wasserstoffes (merchant hydrogen) aus der Dampfreformierung von Erdgas. Es fällt auf, dass die Dampfreformierung von Erdgas im Gegensatz zur Elektrolyse eine Vielzahl von unbequemen Eigenschaften aufweist, wie z. B. hohe Investitionskosten für kleine, dezentrale Anlagen, eine schlechte Regelbarkeit und eine große Baugröße.

Elektrolyse

Da Erdgas Kohlenstoff enthält, der bei der Dampfreformierung zwangsläufig als CO2 anfällt, ist gerade vor dem Hintergrund des CO2-Zertifikatehandels erwähnenswert, dass mittels Elektrolyse aus regenerativen Stromquellen erzeugter Wasserstoff zu einer Kosteneinsparung führen kann. Die Menge an CO2, die seitens der Erdgasreformierung erzeugt wird, beträgt etwa 400 g CO2/kWh, das ist sogar mehr als das entsprechende Benzinäquivalent mit 300 g CO2/kWh. Für Wasserstoff aus Wasserkraft, Wind oder gar PV bewegt sich je nach Studie dieser Wert lediglich zwischen 0 und 40 g CO2/kWh. Die ersten Geschäfte mit CO2-Zertifikaten sind für 12,50 €/t CO2 bereits getätigt worden. Somit ergeben sich für eine kleine Steamreforminganlage mit 1.000 Nm3/h ein CO2 Ausstoß pro Jahr von rund 10.000 t CO2, was mit zusätzlichen Betriebskosten von ca. 130.000 €/a zu Buche schlagen würde. Um die Wasserstofferzeugung aus Erdgas heute auch als Zukunftsoption weiterhin zu propagieren, werden Anstrengungen unternommen, das bei der Reformierung anfallende CO2 abzuscheiden (capturing) und in der Erde "endzulagern" (sequestration). Die Kosten alleine für die Sequestrierung von CO2 sind heute noch nicht abschließend bekannt, sie bewegen sich jedoch um 50 €/t CO2, es müssten also ca. 500.000 €/a zu den Betriebskosten eines Erdgasreformers hinzuaddiert werden, wobei der technologische Schritt der Abscheidung des CO2 noch nicht berücksichtigt ist und auch die gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung, welche sich aus dem Umgang mit gigantischen Mengen CO2 ergeben, noch nicht abschließend betrachtet sind.
Nun stellt sich natürlich die Frage, ob die zukünftigen CO2-Zertifikate für Erdgasreformer voll angesetzt werden, oder ob diese "klassische" Technologie noch ein paar Jahre mit Ausnahmegenehmigungen und Sonderregelungen von den zusätzlichen Kosten verschont bleibt. Der steigende Gaspreis wird jedenfalls zu einer Kostenzunahme führen.

Eine grobe Kostenbetrachtung kann heutzutage folgendermaßen aussehen:
Kosten für Wasserstoff aus Wasserkraft: ca. 6,5 €ct/kWh
Kosten für Wasserstoff aus Biomasse: ca. 10 €ct/kWh
Kosten für Wasserstoff aus Windenergie: ca. 15 €ct/kWh
Kosten für Benzin (mit Steuern): ca. 12,5 €ct/kWh

Die Unstetigkeit und Unbeeinflussbarkeit im Angebot der regenerativen Stromquellen sind ein wichtiger Grund, Wasserstoff als Energieträger verstärkt zu nutzen. Zwar ist die Herstellung und Rückverstromung verlustbehaftet, jedoch spielt dies an vielen Standorten nur eine Nebenrolle. Als hauptsächliches Interesse wird die "Verfügbarmachung" von elektrischem Strom gesehen.
Mit der Elektrolyse steht eine ausgereifte, emissionsfreie Technologie zur Verfügung, die schon seit vielen Jahrzehnten in der Industrie Anwendung findet und verlässlich funktioniert. Die technologischen Fortschritte sind vor allem im Bereich der Systemintegration und der Wirkungsgrade gemacht worden.
Wind-Wasserstoffsysteme werden zuerst in abgelegenen, netzfernen Regionen, die sehr spezielle Schwierigkeiten bei der Energieversorgung haben, zuerst eingesetzt werden. Vor dem Hintergrund der Einführung von Wasserstoff als Energieträger für stationäre und mobile Anwendungen muss auch die Frage der Abhängigkeit von Gas- und Ölimporten stärker diskutiert werden, dann eines dürfte klar sein: Billiger wird Öl und Gas langfristig nicht.

  Elektrolyse Reformer
Betriebsstoffe Elektrischer Strom, Wasser Erdgas (20 bar), Kesselspeisewasser,
Kühlwasser, el. Strom, Instrumentenluft,
Stickstoff
Stellfläche ca. 60 m² ca. 120 m²

Wasserstoffqualität
(Verschmutzungen)

Sehr rein bis höchstrein
3.0 - 6.0 (O2)
Rein bis sehr rein
(CO2 / CO / NOx)
Versorgungssicherheit >99% (laut Kunden) > 99% (laut Hersteller)
Wartungskosten
< 0,7% der Investkosten
< 3% der Investkosten
Druck (bar) 25 (o. Kompressor) 15 (o. Kompressor)
Wasserbedarf (l/Nm³) 1 (kalt) 1,6 (105 °C)
Startzeit bis 100% (kalt) Ca. 15 Min. Mehrere Stunden
Prozesstemperatur 65 °C Ca. 800 °C
Flexibilität Sehr hoch (Sekunden) Ungeeignet
Lieferzeit 6 Monate 12 Monate
Preis Ca. 1,5 M€ Ca. 1,8 M€

Tabelle 1: Vergleich wichtiger Parameter bei Elektrolyse und Dampfreformer

Die Übersicht des CO2-Äquivalents und der Wasserstoffkosten in Abbildung 1 veranschaulicht, dass es schon heute möglich ist, aus Windenergie Wasserstoff zu erzeugen, der mit den Kosten von Benzin absolut vergleichbar ist.

Abbildung 1: Kosten und CO2-Emissionen von Wasserstoff aus Erdgas (NG) und regenerativen Energien

Reduktion der Emissionen

Durch Mischen von "grünem" mit "schwarzem" Wasserstoff können die Emissionen auf die Hälfte reduziert und Kosten unter denen von versteuertem Benzin (heute) erreicht werden. Dies ist für eine Übergangszeit sicherlich akzeptabel, der Anteil an regenerativen Energien im Wasserstoffmix sollte jedoch ständig gesteigert werden.

Die technischen Parameter industrieller Elektrolyseure decken eine große Bandbreite an Anwendungen ab, die sich unter anderem in den Bereichen Kraftwerkstechnik (Generatorenkühlung), Lebensmittelproduktion (Fetthärtung), Metallurgie (Schutzatmosphäre/Legierungen), Glasproduktion (H2-O2 Brennerflammen) wiederfinden. Die Anwendungen, die Wasserstoff als Energieträger in stationären und mobilen Anwendungen nutzen, befinden sich in Entwicklung. So werden noch dieses Jahr (2004) Busse mit Verbrennungsmotor Ihren Betrieb aufnehmen und für Preise um 450.000 € verfügbar sein, was etwa mit den heutigen Dieselantrieben vergleichbar ist. Die Flottenbetankung wird per Elektrolyse geschehen und somit einen wirklichen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten.

Abbildung 2: Industrieller Elektrolyseur (15 Nm³/h bei 25 bar) von Vandenborre Hydrogen Systems N.V.

 

*) Dipl.-Ing. (FH) Christian Machens ist EU-Programmmanager bei Vandenborre Hydrogen Systems N. V., Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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