Zeitschrift EE

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2003-04: Nachhaltige Gebäude im Nichtwohnungsbau

Nachhaltige Gebäudekonzepte

Die konsequente Entwicklung von Niedrigenergie- und Passivhausstandards im Wohnbau machte es möglich, dass mittlerweile auch zahlreiche Büro- und Verwaltungsbauten mit geringstem Wärmebedarf errichtet wurden.

Das Christophorus - Haus

Von Christian Fink, Ernst Blümel und Thomas Mach*

Im Vergleich zu Wohngebäuden benötigen Büro- und Verwaltungsgebäude bei meist geringerem Wärmebedarf, durch die Anforderungen an Beleuchtung, EDV und Klimatisierung wesentlich mehr elektrische Energie. Somit müssen in Büro- und Verwaltungsgebäuden andere Ansätze zur Reduktion des Primärenergiebedarfs und zur Schaffung von behaglichen Raumbedingungen verfolgt werden. Sämtliche Maßnahmen müssen nicht nur für den Winterfall, sondern auch für den Sommerfall betrachtet werden.

Anforderungen des Bauherrn

Das in Stadl Paura (OÖ) errichtete Christophorus Haus beherbergt mit der MIVA (Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft) und dem Beschaffungsbetrieb der MIVA (BBM) zwei eigenständige Betriebe. Die österreichische MIVA ist ein Hilfswerk der katholischen Kirche mit dem Ziel, Fahrzeuge aller Art für den Einsatz in Mission und Entwicklungshilfe zu finanzieren. Der BBM sorgt für die kostengünstige Beschaffung und Verteilung der Produkte. Im Rahmen dieser Arbeiten beschäftigte sich der BBM auch mit dem Thema der ökologisch verträglichen Energie- und Wasserversorgung in Entwicklungsländern.
Die somit gegebene Identifikation mit der Thematik war schlussendlich auch ausschlaggebend, dass das neue Verwaltungsgebäude nach innovativen und ökologischen Aspekten errichtet wird. Motiviert durch das sehr früh involvierte Planungsteam entschied sich die Geschäftsführung zum Bau eines multifunktionalen Gebäudes mit Büro-, Logistik- Geschäfts- und Veranstaltungsräumlichkeiten in Passivhausbauweise. Die Zielvorgaben für das Planungsteam wurden wie folgt festgelegt:

  • Multifunktionale Nutzung (Büro, Veranstaltungen, Mini-Shop, Schauräume, Lager- und Logistikzentrale)
  • Holzkonstruktion
  • Heizwärmebedarf < 15 kWh/m²a
  • Drucktestluftwechsel < n50 0,6 h-1
  • Energiekennwert Primärenergie < 80 kWh/m²a (inkl. Strombedarf der Haustechnik)
  • Keine Kompressionskältemaschine für Kühlzwecke bei gleichzeitig maximalen Raumtemperaturen von 26°C
  • Deckung des verbleibenden Energiebedarfes mit möglichst erneuerbaren Energieträgern
  • Höchste Behaglichkeit für MitarbeiterInnen bei geringsten Betriebskosten
  • Zertifizierung des Gebäudes als "qualitätsgeprüftes Passivhaus" durch das Passivhaus-Institut in Darmstadt

Diese ambitionierten Vorgaben stellten für das gesamte Planungsteam eine große Herausforderung dar, konnten aber im Zuge eines integralen Planungsprozesses erreicht werden.

Integrale Gebäudeplanung

Die integrale Gebäudeplanung vereint alle Aspekte zur Schaffung höchster Behaglichkeit und höchster ökologischer Vertretbarkeit bei gleichzeitig definierten ökonomischen Rahmenbedingungen. Aus energetischer Sicht wird in integralen Planungsprozessen die Wechselwirkung zwischen dem Gebäude, dem Nutzer und der Bereitstellung behaglicher Arbeitsbedingungen (Temperatur, Luft, Licht, Arbeitsbehelfe, etc.) behandelt und optimiert.
Die Erfahrung zeigte bei derart innovativen Bauprojekten die Notwendigkeit eines übergeordneten "Energieverantwortlichen" deutlich auf. Dieser behandelt nicht nur, wie in konventionellen Planungsprozessen üblich, die Haustechnik, sondern besitzt den Überblick über alle energierelevanten Bereiche und ist das Bindeglied zwischen den Einzelgruppen (Bauherr, Architekt, Haustechnikplaner, Elektroplaner, Statiker, Bauphysiker, Bauleitung, etc.)

Energetischer Optimierungsprozess

Die "Energieverantwortung" in diesem Planungsprozess wurde der AEE/intec (in Kooperation mit dem IWT der TU Graz) übertragen. Vom Energie-Planungsteam wurde als Werkzeug zur Optimierung des Gebäudeverhaltens bei klimatischen Spitzenbelastungen die dynamische Simulationsumgebung TRNSYS gewählt. Zur verbesserten Übersicht und Analyse des thermischen Verhaltens wurde das im Entwurfsstadium befindliche Gebäude in 20 thermische Zonen geteilt und in dieser Form in der dynamischen Simulationsumgebung, unter Berücksichtigung von Geometrien und thermischen Stoffdaten, modelliert.
Um die Belastbarkeit der Ergebnisse der dynamischen Gebäudesimulation zu verbessern, wurde jede einzelne Variation (Wandaufbauten, Speichermassen, Luftwechsel, externe Lasten, interne Lasten, etc.) für zwei unterschiedliche Klimate durchgeführt. Einmal für das Extrem "Heizen" (1996 war für den Standort das kühlste Jahr der letzten Dekade) und einmal für das Extrem "Kühlen" (1994 war für den Standort das heißeste Jahr der letzten Dekade).
Die erste vollständige Simulation des Christophorus Hauses (Berechnungsvariante E, siehe Abbildung 1) zeigte eine hohe Überhitzungssensibilität des Gebäudes mit Spitzentemperaturen über 50°C in exponierten Zonen des Gebäudes (Gallerie 2. OG, Besprechungsräume im 1. und 2. OG, etc.) bei gleichzeitig relativ geringem spezifischen Heizwärmebedarf (ca. 30 kWh/m²a). Zugrundegelegt wurden dieser Berechnung der Klimadatensatz 1994 (Kühlextrem) sowie die definierten Maxima der internen und externen Lasten.
In der Folge war es die Aufgabe des Energie-Planungsteams in Kooperation mit den anderen beteiligten Fachplanern durch gezielte Einflussnahme auf Architektur, Bauphysik, Speichermassen und Ausstattung, die geforderte Behaglichkeit sowohl im Winter als auch im Sommer bei geringstem Energieverbrauch sicherzustellen.
Innerhalb von mehr als 20 Variationsrechnungen wurde das Gebäude hinsichtlich Behaglichkeit und Energiebedarf mittels dynamischer Gebäudesimulation optimiert. Der gesamte Optimierungsprozess bzw. die Auswirkungen einzelner Veränderungen sind in Abbildung 2 dargestellt. Dabei wurden zahlreiche Maßnahmen in den Variationsrechnungen berücksichtigt (z. B. Gezielte U-Wert-Verbesserungen an opaken Bauteilen, Optimierung von U- und g-Werten transparenter Bauteile, Einbringung von Speichermassen, Reduktion des Glasflächenanteils, optimierte Beleuchtungs- und Beschattungsstrategien, Integration einer hochwertigen Wärmerückgewinnung in der mechanischen Lüftungsanlage, Berücksichtigung eines freien Nachtlüftungskonzeptes, gesamtheitliche Regelungsstrategien, etc.).
Wie in Abbildung 2 dargestellt, konnte durch die Variationsrechnungen eine stetige Reduktion des Heiz- und Kühlenergiebedarfes erreicht werden.
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Abbildung 1: Ausgangssituation: Zonentemperaturen im Christophorus Haus zu Beginn des integralen Planungsprozesses

Theoretischer Heiz- und Kühlenergiebedarf

Die Varianten "Y" (Sommerextrem - Klimadatensatz 1994) und "Z" (Winterextrem - Klimadatensatz 1996) stellen das Endergebnis des Optimierungsprozesses für das Christophorus-Haus dar. Der Lastenverlauf für Heizung und Kühlung für diese beiden Klimaextreme der letzten zehn Jahre ist in Abbildung 3 dargestellt.
Die Nettogeschossflächen betragen für den Bürotrakt etwa 1.215 m² (Raumtemperatur: 20°C), für den Lagerbereich etwa 255 m² (Raumtemperatur: 10°C), für die Fahrzeug-waschbox etwa 70 m² (Raumtemperatur: 5°C) und für den unbeheizten Keller etwa 550 m². Die Kühlgrenztemperatur wurde entsprechend der Vorgaben des Auftraggebers mit 26°C definiert. Für die zwei unterschiedlichen Klimate liegt der spezifische Heizenergiebedarf zwischen 8 und 19 kWh/m²a und der Kühlenergiebedarf zwischen 4,5 und 10 kWh/m²a (Tabelle 1).

Energie- und Frischluftversorgung

Die schrittweise Reduktion des Energiebedarfes für Heizen und Kühlen war die Voraussetzung für die Definition eines nachhaltigen und gleichzeitig kostengünstigen Systems zur Energieversorgung. Aufgrund des erheblichen Kühlenergiebedarfes spielte hier vor allem die Kälteversorgung eine entscheidende Rolle. Neben den Vorgaben einer Energieversorgung aus erneuerbaren Energieträgern bzw. Umweltenergien, galt es auch den betriebswirtschaftlichen Vorgaben zu entsprechen. Um diese Vorgaben zu erfüllen, wurde vom Energie-Planungsteam ein monovalentes System ausgearbeitet, das sowohl Wärme- als auch Kälteversorgung in einem ermöglicht. Das Blockschaltbild hierzu ist in Abbildung 4 dargestellt.

  Klimadatensatz 1996
(Heizextrem)
Klimadatensatz 1994
(Kühlextrem)
Heizenergiebedarf 23.640 kWh/a 9.740 kWh/a
Spezifischer
Heizenergiebedarf
19 kWh/m²NGFa
8 kWh/m²NGFa
Kühlenergiebedarf 5.140 kWh/a 12.150 kWh/a
Spezifischer
Kühlenergiebedarf
4,5 kWh/m²NGFa
10 kWh/m²NGFa

Tabelle1: Theoretischer Heiz- und Kühlenergiebedarf für die gewählten Klimaextreme der Jahre 1994 und 1996
(NGF: Nettogeschossfläche)

Heizen und Kühlen

Als Wärmequelle (Heizbetrieb) und als Wärmesenke (Kühlbetrieb) dient das Erdreich, das über acht 100 m lange Duplex-Erdsonden (Doppel-U-Rohre, DN 32) aktiviert wird. Im Heizbetrieb dienen die Tiefensonden als Wärmequelle für eine Wärmepumpe (Produkt IDM, Nennleistung 43 kW bei einem COP von 4,03). Dabei wird dem Erdreich Wärme entzogen und somit ein günstiges Temperaturprofil im Erdreich für den sommerlichen Kühlfall hergestellt.

Abbildung 2: Jährliche Heiz- und Kühlenergieverbräuche - Darstellung des Optimierungsprozesses

Abbildung 3: Überblick über den Jahresverlauf der Heiz- bzw. Kühllasten der Ausführungsvariante bei den extremen Klimadatensätzen (Y-Extrem "Kühlen" und Z-Extrem "Heizen"

Im Sommer wird dann zu Kühlzwecken das Erdreich über das selbe System als Wärmesenke genutzt. Dabei wurden die Tiefensonden so dimensioniert, dass die Austrittstemperaturen aus dem Erdreich im Kühlfall ein sogenanntes "direct cooling" ermöglichen und somit ein passives Kühlsystem ohne Einsatz von Energie zum Betrieb des Kompressors erreicht wird. Falls nötig, könnte die Wärmepumpe aber auch reversibel betrieben werden.
Unterstützt wird das auf der Nutzung von Erdkälte basierende Kühlsystem durch eine natürliche Massenentwärmung des Atriums während der Nachtstunden. Diese Massenentwärmung wird durch eine freie Luftströmung, die durch Dichteunterschiede zwischen warmer und kalter Luft hervorgerufen wird, sowie durch geöffnete Strömungsquerschnitte ausgelöst.

Brauchwasser

Der Brauchwasseranteil ist in Büro- und Verwaltungsgebäuden grundsätzlich gering. Im Christophorus-Haus wurde zur Deckung des Brauchwasserbedarfes eine 6 m² große thermische Solaranlage mit einem solaren Deckungsanteil von über 70% installiert. Die Nachheizung an sonnenarmen Tagen erfolgt mittels elektrischem Strom.

Elektrischer Strom

Um den Strombedarf für die Wärmepumpe bzw. für die Antriebsenergie von Pumpen und Ventilatoren im Jahresschnitt größtenteils CO2-neutral bereitzustellen, wurde eine netzgekoppelte Photovoltaikanlage mit einer Spitzenleistung von 9,8 kWpeak installiert. Dabei wurden etwa 3,6 kWpeak in der Fassade (Abbildung 5) und etwa 6,2 kWpeak um 40° geneigt am Dach der Lagerhalle angebracht.

Abbildung 4: Blockschaltbild zur Wärme-, Kälte- und Frischluftversorgung des Christophorus-Hauses

Abbildung 5: Ein Teil des Strombedarfs wird durch Photovoltaik gedeckt (3,6 kWpeak in der Fassade, 6,2 kWpeak am Dach der Lagerhalle)

Frischluftversorgung

Die Frischluftversorgung der Büro- und Verwaltungsräumlichkeiten des Christophorus-Hauses erfolgt mit zwei getrennten, kontrollierten Be- und Entlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung über Rotationswärmetauscher. Dabei ist eine Lüftungszentrale für die Büroräumlichkeiten (Nennvolumenstrom von 2.800 m³/h, Wärmerückgewinnungsgrad 78%) und eine Lüftungszentrale für die Seminar- und Veranstaltungsräumlichkeiten (1.000 m³/h, Wärmerückgewinnungsgrad 86%) konzipiert.

Heiz- und Kühlflächen

Aufgrund des erreichten Passivhausstandards (spezifische Heizleistungen im Bereich von 10 W/m²) wäre für die Wärmeversorgung eine ausreichende und behagliche Beheizung des Gebäudes über die Lüftungsanlage möglich gewesen. Da für den Kühlfall einerseits aus Behaglichkeitsgründen die Absenkung der Zulufttemperaturen begrenzt ist und andererseits das "direct-cooling" auch bei Sondenvorlauftemperaturen knapp unter den maximalen Raumtemperaturen (26°C) möglich ist, wurden als Wärmesenke des Raums wasserdurchströmte Kühlflächen vorgesehen. Diese sind je nach Zonenbelastung und konstruktiven Rahmenbedingungen als Deckenpaneele (siehe Abbildung 6) bzw. als Fußbodenelemente (Aktivierung der Estrichmassen) ausgeführt. Die durchschnittliche erzielbare Kühlleistung liegt beim "direct-cooling" in Kombination mit Kühldecken etwa bei 25 W/m².

Ausblick

Das Christophorus-Haus wurde im Oktober 2003 von den rund 40 Mitarbeitern der MIVA und dem BBM bezogen. Die Gesamtkosten für das Gebäude beliefen sich auf rund 2,4 Millionen Euro, die haustechnischen Anlagen auf etwa 0,31 Millionen Euro. Bezogen auf eine Nutzfläche von etwa 1.550 m² (ohne Kellergeschoss) ergeben sich spezifische Gesamtbaukosten von rund 1.548 E/m²NGF.
Anhand eines umfangreichen Monitoringkonzeptes, das vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie finanziert wird und voraussichtlich bereits im Jänner 2004 startet, soll einerseits das Zusammenspiel aller wesentlichen haustechnischen und nutzerspezifischen Parametern gezeigt sowie anderseits eine Validierung des gesamten Energiekonzeptes durchgeführt werden.
Einen Erfolg konnte das Planungsteam des Christophorus-Hauses mittlerweile bereits verbuchen: Das Christophorus-Haus wurde mit einem durchschnittlichen Heizwärmebedarf von 14 kWh/m² a, einem gesamten Primärenergiebedarf von 49kWh/m²NGF (alle Ergebnisse aus PHPP) und einer Luftwechselzahl n50 von 0,4 h-1 (50 Pascal Druckdifferenz, bezogen auf das Gebäudeluftvolumen) vom Passivhausinstitut in Darmstadt als "qualitätsgeprüftes Passivhaus" zertifiziert.
Fehler! Unbekanntes Schalterargument.

Abbildung 6: Heiz- und Kühldecken (Produkt "RCS") im Christophorus Haus

*) Ing. Christian Fink (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) und
Dipl.-Ing. Ernst Blümel sind Mitarbeiter der AEE INTEC (www.aee.at),
Dipl.-Ing. Thomas Mach ist Mitarbeiter des Instituts für Wärmetechnik an der TU Graz [^]

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