Zeitschrift EE

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2003-01: Solare Architektur

Photovoltaik

Hagemann - Abb3a Effektiver Klimaschutz ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit. Die schrittweise Umsetzung dieses Ziels erfordert tiefgreifende Veränderungen im Bausektor. Neben verschiedenen Maßnahmen zur Energieeinsparung kommt der Energiegewinnung aus regenerativen Energiequellen in der Nutzungsphase eines Gebäudes eine zentrale Bedeutung zu.

Gebäudeintegrierte Photovoltaik

Von Ingo B. Hagemann*

Die photovoltaische Stromerzeugung am Gebäude kann hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten. Sie ist heute eine der interessantesten und vielversprechendsten Möglichkeiten einer aktiven Sonnenenergienutzung am Gebäude. Sie ermöglicht auf elegante und vielfältige Weise die direkte, emissionsfreie, dezentrale und verbrauchernahe Umwandlung von Sonnenlicht in Strom. Zusammen mit einer weiteren Reduktion der Transmissionswärmeverluste kann sich durch die Photovoltaik (PV) die Möglichkeit ergeben, die Gebäudehülle von einer Energieverlustquelle in einen Energieproduzenten zu verwandeln.

Eine architektonisch erfolgreiche Integration der PV am Gebäude zeichnet sich dadurch aus, dass sowohl bautechnische, energietechnische als auch gestalterische Belange gleichwertig und gleichrangig in Entwurf und Ausführung berücksichtigt und zu einem harmonischen Ganzen zusammen geführt werden.

Entwicklung der gebäudeintegrierten Photovoltaik

Erste Versuche Anfang der 90ziger Jahre in Europa die PV-Technik in die Architektur einzufügen, erwiesen sich als teilweise schwierig, ästhetisch unbefriedigend und technisch unausgereift. Folge waren bei vielen Beteiligten am Bau Skepsis oder Ablehnung. Seitdem haben sich die Bedingungen jedoch grundlegend gewandelt. Der Markt für gebäudeintegrierte PV (GIPV) hat sich zunehmend ausgeweitet und neue technische Produkte wurden entwickelt. Konfliktpotenziale und Chancen der Integration der PV-Technologie in die Gebäudehülle wurden offen gelegt und eine Wissens- und Informationsbasis geschaffen. Diese ermöglicht es, eine zeitgemäße Architektur mit integrierter PV zu entwickeln, die traditionelle und baugeschichtlich überlieferte Formen nicht nur ergänzt, sondern die Grundlage dafür bildet, die PV zusammen mit neuen technischen Errungenschaften zu eigenständigen und zukunftsfähigen Lösungen weiterzuentwickeln.

Fortschrittliche Montagetechniken und Bauprodukte mit integrierter PV erlauben es heute, auf unterschiedliche Weise technisch zuverlässige, baukonstruktiv sinnvolle und gestalterisch interessante Lösungen für die GIPV zu bauen (siehe Abbildung 1). Die PV offeriert Architekten und Designern ein gestalterisch noch unverbrauchtes Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten, dem Baugewerbe bietet sie ein vielfältiges Entwicklungspotenzial für Bauprodukte mit integrierter PV, das noch nicht ausgeschöpft ist.

Gebäudehülle und PV

Ausgangspunkt planerischer Überlegungen einer Entwicklung und Nutzung der GIPV ist die Gebäudehülle, die sich durch eine wachsende Vielfalt von Anforderungen mehr und mehr in ein komplexes, multifunktionales Bauteil wandelt. Ihre Entwicklung erfordert zunehmend eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Bauen.

Die Einbindung und Nutzung der PV in diese Struktur konkurriert immer auch mit anderen Anforderungen, die an die Gebäudehülle gestellt werden. Daher ist es vorteilhaft, wenn die PV nicht nur der Stromerzeugung dient, sondern gleichzeitig auch andere Funktionen aus dem Anforderungskatalog der Gebäudehülle übernehmen kann.

PV-Module und Bauteile mit PV können heute auf vielfältige Weise Funktionen in der Gebäudehülle übernehmen. Ein Einsatz als Dachdeckung, Fassadenelement, Wandverkleidung, Brüstungselement, Verglasung oder Ausfachungselement einer Glasfassade oder als Sonnenschutz ist möglich. Sie eignen sich auch, um Wärmeschutz-, Schallschutz- oder Einbruchschutzanforderungen zu erfüllen.

Am Markt werden sich auf Dauer allein die Produkte mit PV durchsetzen, die eine Mehrfachnutzung zulassen und nicht ausschließlich der solaren Stromerzeugung dienen. Entsprechende PV-Komponenten sind vielseitiger einsetzbar und tragen gleichzeitig dazu bei, die anrechenbaren Kosten eines GIPV-Systems zu senken.

Planerische Aspekte

Eine zukunftsweisende Architektur, die eine sinnvolle Integration der PV und anderer neuer Solartechniken zulässt, erfordert ganzheitliche Planungs- und Architekturansätze. Diese müssen es ermöglichen, die notwendigen energietechnischen und ökologischen Veränderungen mit den zahlreichen bereits bestehenden und stetig wachsenden Anforderungen an die Gebäudehülle sowie an die Architektur- und Stadtplanung zu verknüpfen. Hierfür sind Veränderungen der bestehenden Planungs- und Entwurfsprozesse ebenso notwendig, sowie eine optimale Aufklärung und interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen allen an der Planung und Ausführung eines Bauprojektes Beteiligten.

Die Bauindustrie und Baupraxis ist noch zu wenig auf diese neuen Anforderungen eingestellt. Ungeachtet der heutigen technischen und gestalterischen Möglichkeiten einer Integration der PV am Gebäude treten nämlich immer wieder gravierende Mängel bei der Planung von GIPV-Systemen auf, die dazu führen, dass eine mögliche Solarstromproduktion stark einschränkt ist oder andere Funktionen des Gebäudes behindert werden.

Die Ursachenforschung führt zu einer Reihe nicht-technischer Hindernisse, die einer erfolgreichen Nutzung der gebäudeintegrierten PV heute noch im Wege stehen. So wird deutlich, dass prinzipiell vorhandenes Forschungswissen und technisches Know-how über die PV zwar notwendige, aber nicht alleinige Bedingung für eine erfolgreiche Anwendung der PV am Bau sind. Gegenwärtig tut sich noch eine große Lücke auf zwischen dem auf der Forschungsebene vorhandenen und dem in der Praxis tatsächlich abrufbaren und angewandten Wissen. Unsicherheit bereitet auch die zunehmende fachliche Spezialisierung und Verwissenschaftlichung des Planungs- und Bauwesens, die durch den Einsatz der PV und anderer Solartechniken weiter forciert wird. Bauschaffende stehen vor anderen als bisher üblichen Anforderungen. Die Folge sind Abstimmungsprobleme zwischen den verschiedenen am Planungs- und Bauprozess beteiligten Fachdisziplinen. Planungs- und koordinationstechnische Konflikte sowie Ausführungsfehler bleiben nicht aus.

Ein geeigneter Wissenstransfer in Form von Information bzw. Aus- und Weiterbildung ist hier dringend gefordert. Wünschenswert wäre es, dass eine Förderung der GIPV sich verstärkt auch der Beseitigung dieser nicht technischen Barrieren widmen könnte.

Umweltverträglichkeit

Die PV ist zweifelsfrei eine überaus umweltfreundliche Energiequelle. Während ihres Betriebs entstehen weder Schadstoffe noch Lärm. Auch bei einem Störfall ist keine Gefahr für Mensch und Umwelt zu erwarten. Sie liefert während ihrer Lebenszeit ein Vielfaches der Energie zurück, die ursprünglich zu ihrer Herstellung verwendet wurde. Die Nutzung der GIPV kommt ohne einen zusätzlichen Landverbrauch aus, da bei ihrem Einsatz an Gebäuden nur eine Sekundärnutzung bereits anderweitig genutzter Flächen erfolgt. Die PV-Module selbst sind ein dauerhaftes Produkt, auf das Modulhersteller bereits heute Garantiezeiten von bis zu 26 Jahren geben. Kaum einem anderen Konsumprodukt werden ähnlich lange Garantiezeiten gewährt. Die eingesetzten Materialien lassen sich am Ende ihrer Verwendungszeit umweltverträglich recyclen.

Abbildung 1
Verschattungssystem mit PV (EMV, Eschweiler)

Entwicklungsperspektiven

Im Gegensatz zu anderen Solartechnologien ist die PV im Begriff, ein positiv besetztes Symbol einer zukunfts- und umweltorientierten Haltung von Einzelpersonen und Unternehmen zu sein - ein Trend, der als entscheidender Motor für die bisherige und die weitere Entwicklung und Anwendung der GIPV von großer Bedeutung ist. Hinzu kommt ein zunehmendes Interesse der Großkonzerne an der PV, so dass sich die Weiterentwicklung und der intensive Auf- und Ausbau des Marktes von GIPV-Systemen der letzten Jahre fortsetzen kann.

Weiterentwicklungen von GIPV-Systemen sollten konsequent darauf abzielen, dass mehr als bisher PV und Bauelement zu einer gestalterischen und konstruktiven Einheit verschmelzen. Die Entwicklung solcher zukunftsweisenden Bauprodukte mit PV setzt schon bei der Festlegung von Forschungszielen für die Konstruktion neuer Solarzellen ein. Eigenschaften, die für eine Solarzelle als Teil eines integrierten Bauprodukts wünschenswert sind, müssen festgelegt und konsequent entwickelt werden. Die Entwicklung solcher Bauprojekte mit PV erfordert eine anwendungsorientierte Forschung, bei der die verschiedenen Entwicklungsphasen eng ineinander greifen und frühzeitig auf die praktischen Anforderungen am Gebäude ausgerichtet werden (siehe Abbildung 2).

Ein Beispiel: Schon die Auswahl des Trägermaterials legt Eigenschaften einer Dünnschichtzelle, z. B. Schlagfestigkeit und Flexibilität, fest, die vorteilhaft oder nachteilig für eine anschließende Einbindung in ein Bauprodukt sind. Die Entwicklung solcher Bauprojekte mit PV erfordert eine anwendungsorientierte Forschung, bei der die einzelnen Entwicklungsphasen eng ineinander greifen und frühzeitig auf die praktischen Anforderungen am Gebäude ausrichtet sind.

Hierfür ist es auch notwendig, verstärkt Bauindustrie und Architekten in die Entwicklung entsprechender Bauprodukte mit PV einzubeziehen, um den hier vorhandenen Sachverstand einfließen zu lassen und nutzen zu können.

Voraussetzungen dieser Art bieten dann gute Bedingungen, um z. B. durch die Weiterentwicklung der PV-Dünnschichttechnologie vielleicht einmal Bauprodukte und Bauteile herstellen zu können, bei denen die PV, einer Lackschicht vergleichbar, integriert wurde. Noch fehlen Absatzmärkte, die ein solches Zusammenwachsen von PV-Technologie und Bauprodukt forcieren könnten. Die Erschießung neuer Absatzwege, z. B. über das zumeist flächendeckende Händlernetz der Baukonzerne, könnte hierzu beitragen.

Resümee

Im Mittelpunkt eines zukunftsorientierten Bauens steht das Ziel der Nachhaltigkeit. Die PV kann entscheidend dazu beitragen, ein Gebäude von einem Energieverbraucher in einen Energieproduzenten zu verwandeln. Das vorhandene technische Know-how ist bereits heute ausreichend, um architektonisch gelungene PV-Gebäudeintegrationen zu bauen. Dies belegen auch einige wenige herausragende Beispiele. Neuentwicklungen der PV ermöglichen in naher Zukunft noch ganz andere Einsatzmöglichkeiten am Bau.

Die GIPV ist einsatzbereit und wird auf Dauer unverzichtbar sein. Wenn in der Vergangenheit in einer vielfach emotional geführten Debatte das kurzfristige Potenzial der PV häufig überschätzt wurde, so muss man für die Gegenwart feststellen, dass das in ihr enthaltene langfristige Nutzungspotenzial noch immer unterschätzt wird. Die Gebäudehülle als Stromlieferant und damit die Vision einer Stadt, deren Strombedarf emissionsfrei und verbrauchernah durch zahlreiche Fassaden und Dächer mit integrierter PV gedeckt wird, rückt damit in greifbare Nähe.

Einen tieferen Einblick in die gestalterischen, baukonstruktiven und technischen Nutzungsmöglichkeiten und Perspektiven der "Gebäudeintegrierten Photovoltaik", sowie zahlreiche Projektbeispiele und Bildtafeln für die Planungspraxis bietet die Neuerscheinung:

Hagemann, Ingo B. 2002. Gebäudeintegrierte PV. Architektonische Integration der Photovoltaik in die Gebäudehülle. (Köln: Rudolf Müller Verlag. ISBN 3-481-01776-6, 433 Seiten, Farbedruck, Preis: € 78,-).

Abbildung 1
Optimierter Entwicklungsprozess eines PV-Bauproduktes

 

*) Dr.-Ing. Ingo B. Hagemannist freier Architekt in Aachen, www.GIPV.de, www.Architekturbuero-Hagemann.de [^]

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