Zeitschrift EE

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2002-04: Ökostrom

Biogas

Wie können Stromkonsumenten motiviert werden, für Ökostrom mehr zu bezahlen, wenn sie dadurch keinen unmittelbaren Nutzen haben? Ist die Vermarktung von Ökostrom überhaupt sinnvoll, wo doch der Gesetzgeber nun "kostendeckende Einspeistarife" geschaffen hat? Kann es überhaupt einen freien Markt für Ökostrom geben?

Ökostrombörse in Vorarlberg

Von Johann Punzenberger*

Für alle Stromkonsumenten, die ein wirksames Zeichen für Ökostrom setzen wollen, steht in Vorarlberg die Ökostrombörse zur Verfügung. Seit Tschernobyl und dem Erkennen der Klimaerwärmung aufgrund des ungehemmten Verbrauches von Erdöl/Erdgas sind wir alle gefordert, einen aktiven Einfluss auf die Stromproduktion zu nehmen. Mit der Liberalisierung des Strommarktes sind nun speziell die Stromkonsumenten in der Lage, einen Beitrag für Ökostrom in Abhängigkeit ihres Verbrauches zu leisten. Da Ökostrom aber von Atomstrom physikalisch nicht zu trennen ist, hat die Arbeitsgemeinschaft ERNEUERBARE ENERGIE Vorarlberg (AEEV) das Fördermodell der "Ökostrombörse" entwickelt. Dabei wird durch eine Aufzahlung von 1 Cent pro verbrauchter kWh die Wertschätzung für Ökostrom dokumentiert. Die Ökostrombörse garantiert, dass der finanzielle Beitrag Ökostromproduzenten nach persönlicher Wahl des Förderers zugeteilt wird.
Die Einhebung der Mehrzahlung erfolgt mit der laufenden Stromrechnung der vorarlberger Elektrizitätsunternehmen. Diese überweisen die Fördergelder direkt an die Ökostrombörse. Die Zuteilung der finanziellen Unterstützung an Ökostromproduzenten hingegen nimmt die AEEV vor, wobei kleine Neuanlagen besonders unterstützt werden. Mit diesem Modell soll die notwendige Bewusstseinsarbeit für den forcierten Ausbau von Ökostromanlagen erleichtert und die Bevölkerung zum Handeln motiviert werden.

Ökostrom als Wert

Ökostrom ist ein Wert, da er als Produkt nicht greifbar ist. Werte können nicht gekauft, sondern nur gefördert werden. Bei einer Unterstützung von Ökostrom durch den Konsumenten in Abhängigkeit seines Stromverbrauches geht es um den Ausdruck einer Werthaltung, die durch eine freiwillige Mehrzahlung realisiert wird. Der notwendige Bezug zum Verbrauch als Motivation für eine effiziente Energienutzung ist durch die Koppelung des Förderbeitrages an den Stromverbrauch gegeben. Der Konsument hat hier Anrecht auf ehrliche Information. Erfolgt diese nicht, ist keine Grundlage für eine dauerhafte Kundenbindung gegeben.

Kooperation statt Konkurrenz

Mit Ausnahme der Wasserkraft steht der Wirtschaftszweig der Ökostrom-Produktion noch in der Aufbauphase. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Nachfrage seitens der Konsumenten nach Ökostrom äußerst gering ist. Ein Konkurrenzkampf unter Photovoltaik- gegen Biogas-Produzenten, Kleinwasserkraft- gegen Windstrom-Produzenten um die wenigen Stromkunden, die für eine Mehrzahlung bereit sind, muss daher tunlichst vermieden werden. Lachender Dritter über den unnötigen Kräfteverschleiß der "Szene" wäre die Atomlobby bzw. die Erdölindustrie.
Um den Marktdurchbruch der erneuerbaren Energien zu erreichen, ist ein gemeinsamer Marktauftritt aller erneuerbaren Energieträger erforderlich. Daher wird für die Abwicklung der Ökostrombörse auch die Zusammenarbeit mit den vorarlberger Elektrizitätsunternehmen realisiert, welche nur Ökostromanlagen besitzen. So können wesentliche Synergieeffekte z. B. bei der Einhebung der Förderbeträge erzielt werden, da keine neuen Abrechnungssysteme aufgebaut werden müssen. Weiters ermöglicht das Kundennetz der vorarlberger Strompartner die Verbreitung der erforderlichen Informationen in praktisch jeden vorarlberger Haushalt. Ebenso stehen die Daten über die Produktionsmengen der Ökostromproduzenten zur Verfügung, die Grundlage für die Aufteilung der Fördermittel sind.

Lenkungsmöglichkeit der Förderer

Der verantwortungsbewusste Ökostromförderer will mitbestimmen, was mit seinen Geldern passiert. Durch die verschiedenen Wahlmöglichkeit zwischen Direktförderung einer bestimmten Anlage oder der Impulsförderung von kleinen Neuanlagen kann er aktiv mitgestalten und eine Identifikation mit "seiner Ökostromanlage" aufbauen.

Zuteilung der Fördergelder

Freie Ökostromhändler bieten für Ökostromproduzenten eine unzureichende Investitionssicherheit. Bei der Ökostrombörse kann hingegen neben einer Investitionssicherheit aufgrund des öffentlichen Fördersystems (ELWOG) in begrenztem Umfang noch ein zusätzlicher Ertrag erzielt werden. Alle Produzenten, welche an der Ökostrombörse teilnehmen und die Qualitätskriterien erfüllen, bekommen in den ersten drei Jahren einen verlorenen Investitionszuschuss. Darüber hinaus können sie durch das Einwerben von Direkt-Förderverträgen speziell für ihre Anlage den Ertrag auch über die ersten Jahre hinaus erhöhen.
Fördergelder werden nur für die tatsächlich eingespeiste Strommenge je nach vorhandenen Mitteln ausbezahlt. Dabei werden in einem Stufenmodell alle Energieträger gleich behandelt. Aufnahmekriterien für Produzenten sind die offizielle Anerkennung als Ökostrom-Anlage des Landes sowie die Einhaltung der Qualitätskriterien des Österreichischen Umweltzeichens für Grünen Strom.

Ausblick

Mit August 2002 haben in Vorarlberg ca. 130 Personen den Fördervertrag für Ökostrom unterfertigt, darunter auch LH Sausgruber, einige Bürgermeister und Bankdirektoren als Privatpersonen. Auch in vier Gemeinden wurde bereits einstimmig beschlossen, für den Stromverbrauch im eigenen Wirkungsbereich den Aufpreis von 1 Cent/kWh zu bezahlen, weitere Gemeinden befinden sich in der Entscheidungsphase. Ein nächster Schwerpunkt liegt nun in der Gewinnung der Ökostromproduzenten sowie der Anlagenhändler als zukünftige Vertriebspartner.
In Vorarlberg ist somit neben dem gemeinsamen Ziel des rascheren Ausbaus von Ökostromanlagen auch eine Basis vorhanden, die Ökostromförderern und Ökostromproduzenten einen Nutzen bringt. Nähere Infos unter www.oekostromboerse.at

 

*) Dipl.-Ing. Betr. oec. Johann Punzenberger ist Geschäftsführer der AEE Vorarlberg; Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein![^]

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