Zeitschrift EE

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2004-01: Erneuerbare Energien in Österreich

Thema

Erneuerbare Energieträger (EET) haben in der internationalen Diskussion um die zukünftige Sicherung der Energieversorgung in den letzten Jahren beträchtlich an Stellenwert gewonnen. Auf EU-Ebene zeigt sich dies beispielsweise durch folgende Aktivitäten: Im Jahr 1997 wurde das Weißbuch der Europäischen Union zu "Energie für die Zukunft: Erneuerbare Energieträger" veröffentlicht. Darin wird gefordert, bis zum Jahr 2010 den Anteil EET von damals durchschnittlich 6% auf 12% zu erhöhen.

Forcierung erneuerbarer Energieträger in Österreich

Von Reinhard Haas, Martin Berger und Lukas Kranzl*

Die "Campaign for Take-off" (Teil des Weißbuchs) stellt ein wichtiges Maßnahmenbündel dar, das den Aktionsplan für erneuerbare Energieträger in Gang bringen soll. Die "Richtlinie zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen" hat das Ziel, den Anteil von Strom aus EET von 14% im Jahr 1997 auf 22,1% im Jahr 2010 zu erhöhen. In diesem Beitrag werden die wichtigsten Ergebnisse eines Forschungsprojekts im Auftrag von BMWA und BMLFUW dargestellt, dessen zentrale Fragestellung lautet: Wie und "In welchem Ausmaß kann bis zum Jahr 2010 eine ambitionierte Markteinführung neuer erneuerbarer Energieträger (NEET) in Österreich realisiert werden?"
Nicht berücksichtigt werden in diesem Projekt die Effizienzsteigerungen bei der Bereitstellung von Energiedienstleistungen (z.B. Wärmedämmung), (neue) Speichermedien (z.B. Wasserstoff) und Speichersysteme. Weiters finden neue und zukünftig mögliche Umwandlungstechnologien (z.B. Brennstoffzellen) sowie Energieeinsparungen durch solar-passive Bauweise keine Berücksichtigung.
Potenziale und Kosten

Um ein ambitioniertes Szenario erstellen zu können, sind natürlich zuerst die vorhandenen Potenziale der einzelnen Technologien zu analysieren, und die entsprechenden Kosten zu ermitteln. Von verschiedenen in der Literatur definierten Potenzialbegriffen ist für diese Studie vor allem das technische Potenzial von Interesse. Dieses ist für einige Technologien sinnvoller weise als Primärenergiepotenzial (z.B. Biogas, feste und flüssige Biomasse, …) zu ermitteln, für andere Technologien, z.B. Wind, Photovoltaik (PV), oder Solarthermie, als Endenergiepotenzial. Des weiteren ist, speziell bei dezentral eingesetzten Technologien (z.B. Biomasse, solar-thermische Kollektoren zur Raumheizung oder dezentrale PV-Anlagen) neben dem Angebotspotenzial auch das nachfrageseitig unterzubringende Potenzial abzuschätzen. Die derzeit genutzten Mengen sowie die maximalen technischen Potenziale der einzelnen Technologien sind in den Abbildungen 1 und 2 zusammengefasst.

Abbildung 1: Maximale technische Primärenergie-Potenziale von neuen erneuerbaren Energieträgern (NEET) in Österreich. Der Pfeil deutet an, wo eine Erhöhung des Potenzials möglich ist.

Abbildung 2: Maximale technische Endenergie-Potenziale von NEET in Österreich. Die Pfeile deuten an, wo eine Erhöhung des Potenzials möglich ist.

Den größten Anteil an nutzbarer Primärenergie (PE), hat mit Abstand die "Feste Biomasse" (ca. 200 PJ/a nutzbares technisches PE-Potenzial) (siehe Abbildung 1 ). Bei logistisch optimaler Nutzung dieses Energieträgers ist auch eine weitere Erhöhung des Potenzials vorstellbar. Diese kann neben der Nutzung in Nahwärmenetzen und Kraft-Wärme-Kopplungen auch durch Verbrennung in Einzelheizungen realisiert werden. Das technische Endenergie-(EE)-Potenzial von Wärmepumpen und Wind basiert auf existierenden Studien und kann prinzipiell ebenfalls über den angegebenen Maximalwert hinausgehen. Die entsprechenden Kosten der Erzeugung aus NEET im Vergleich zur Produktion aus fossilen Brennstoffen zeigen die Abbildungen 3 und 4.

Abbildung 3: Stromgestehungskosten (inkl. MwSt) von Technologien zur Nutzung NEET im Vergleich.

Abbildung 4: Wärmegestehungskosten (inkl. MwSt) von Technologien zur Nutzung NEET im Vergleich

Hemmnisse

Derzeit existieren zahlreiche Barrieren, die eine stärkere Verbreitung NEET "bremsen". Um die möglichen Hemmnisse der Verbreitung systematisch zu erfassen, werden zunächst die Aktionsfelder ermittelt. Aufbauend auf die identifizierten Hemmnisse können Maßnahmen abgeleitet werden. Als wesentlichstes Aktionsfeld kann die mangelnde Kommunikation zwischen dem Markt bzw. der Forschung und der Gesellschaft bzw. den Nutzern der jeweiligen Technologien genannt werden.
Demnach besteht bei dem Nutzer ein Informationsmangel und dadurch eine Unsicherheit über die technische Ausgereiftheit der Technologien. Hohe Investitionskosten und eine schlechte Wirtschaftlichkeit sind die größten Hemmnisse für Betreiber, sich erneuerbarer Energieträger zu bedienen. Insgesamt ist die Akzeptanz von erneuerbaren Energieträgern in der Gesellschaft eher gering. Die mangelnde Akzeptanz wird durch hohe Transaktionskosten durch langwierige Genehmigungsverfahren und durch komplexe undurchsichtige Förderstrukturen bewirkt.
Die Verbreitung der neuen Technologien leidet auch darunter, dass die Systeme noch nicht ausreichend optimiert wurden und in den meisten Fällen keine standardisierten Kompaktsysteme erhältlich sind. Innerhalb des Marktes bestehen Kommunikationsprobleme, die zu einer geringen Transparenz des Marktes und zu Marketingproblemen führen. Auch sind die Preise oft nicht wettbewerbsfähig mit alten Technologien.
Ambitioniertes Szenario bis 2010
Für die Anwendungen Heizen und Warmwasser, stromspezifische Anwendungen und Mobilität wird nun ein ambitioniertes Szenario erstellt. Dieses Szenario geht davon aus, dass zusätzlich zu nicht monetären Maßnahmen die volle Wettbewerbsfähigkeit der NEET durch entsprechende finanzielle Fördermechanismen erreicht wird.
Ausgehend von ca. 126 PJ, die derzeit (jeweils letzte verfügbare Zahlen, je nach Technologie unterschiedlich 1998, 1999 oder 2000) aus NEET insgesamt aufgebracht werden, kann dieser Wert in einem ambitionierten Ausbauszenario auf ca. 222 PJ gesteigert werden. Nach Anwendungen aufgeschlüsselt zeigen sicher allerdings deutliche Unterschiede. So kann im Bereich der Raumwärme und Warmwasserbereitung die Energieaufbringung aus NEET von derzeit ca. 108 PJ im ambitionierten Szenario auf 177 PJ gesteigert werden (siehe Abbildung 5).
Im Bereich der Stromerzeugung kann der derzeitige Wert von 4,5 TWh (~16 PJ) aus NEET (Summe aus Kleinwasserkraft und Ökostrom) in einem ambitionierten Szenario auf 11,3 TWh (~40 PJ) Stromerzeugung aus NEET mehr als verdoppelt werden (siehe Abbildung 6). Anzumerken ist, dass in bezug auf den Ausbau der Kleinwasserkraft ein Beibehalten der Quote von 8% in Zusammenhang mit dem Zertifikatshandel ein Hindernis für die Realisierung von mehr als 8% darstellt. Am ungünstigsten sind die Perspektiven für NEET im Bereich Mobilität: Der derzeitige inländische Verbrauch von ca. 0,5 PJ (österreichische Produktion beträgt ca. 1 PJ) kann ambitioniert auf ca. 3,5 PJ erhöht werden.

Abbildung 5: Ambitioniertes Szenario Wärme aus Erneuerbaren Energien bis 2010

Abbildung 6: Ambitioniertes Szenario von Ökostrom und Kleinwasserkraft bis 2010

Maßnahmenpakete zur Umsetzung

Um das ambitionierte Forcierungsszenario bis 2010 zu realisieren, sind die im folgenden beschriebenen Maßnahmenpakete umzusetzen. Prinzipiell ist dabei zwischen Maßnahmen für Technologien zur Produktion von Strom bzw. Wärme und Technologien für Mobilität zu unterscheiden. Die beschriebenen Maßnahmen sind wiederum nach den definierten Aktionsfeldern geordnet.
Für den Betreiber, Investor oder Nutzer sind finanzielle Anreize zu setzen, die im ambitionierten Szenario zur vollen Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Technologien führen /1/. Im Bereich der Anwendung "Wärme" ist dies primär über Investitionszuschüsse zu realisieren. Das relative Preisgefüge kann natürlich auch durch die Einführung einer Steuer auf fossile Brennstoffe zugunsten der NEET verändert werden. Bei Technologien zur Stromerzeugung ist zu unterscheiden, ob der erzeugte Strom zu 100% in das Netz eingespeist wird oder ob es - wie bei Photovoltaikanlagen - wünschenswert ist, dass der Strom gleich direkt dezentral genutzt wird. Während bei reiner Einspeisung ausschließlich über einen Einspeisetarif zu fördern ist, ist bei Eigenverbrauch eine zusätzliche Investitionsförderung zielführend.
In bezug auf Einspeisetarife und Investitionszuschüsse sei weiters angemerkt, dass diese im konkreten Einzelfall vom Niveau der aktuellen Marktpreise und einer möglichen höheren Besteuerung für Strom und fossile Energieträger abhängen. Von prinzipieller Bedeutung bei Einspeisetarifen ist, dass diese je nach örtlichen Randbedingungen in gestufter Form zu implementieren sind.
Zur Überwindung von soft barriers, wie mangelnde Information, professionelle Ausbildung oder mangelndes Monitoring der Förderstrategien, und zwecks Unterstützung der Projektbetreiber bei administrativen Angelegenheiten sind zeitlich limitiert Kompetenzzentren zur gezielten Förderung spezifischer Technologien einzurichten.
Technisch und emissionsmäßig optimierte Systeme sollten speziell auch für Niedrigenergiehäuser, die eine geringe Heizlast gewährleisten, entwickelt werden. Sie sollten als Standardprodukte am Markt verfügbar sein. Auch optimierte Kompaktsysteme zur dezentralen Stromerzeugung sind zu entwickeln. Die Tätigkeiten im Bereich Forschung und Entwicklung für kombinierte Heizsysteme sollte verstärkt werden. Qualitäts- und Standardkriterien für Brennstoffe sind festzusetzen.
Am Markt wäre eine Erhöhung der Transparenz in bezug auf Kostenstrukturen und Effizienz der einzelnen Technologien begrüßenswert. Dies ist z.B. durch die Einrichtung von Homepages mit Benchmarks zu erreichen. Eine detaillierte Marktanalyse des Sektors Gewerbe und Industrie in bezug auf den möglichen Einsatz erneuerbarer Energieträger ist durchzuführen. Forcierte Informations- und Bewusstseinsarbeit könnte zur Steigerung der Akzeptanz von Technologien beitragen. In bezug auf die Erzeugung von Ökostrom sind der Netzzugang und die Einspeisebedingungen wesentlich zu vereinfachen und vor allem von Zusatzkosten zu befreien. Ein rigoroses Unbundling ist dafür eine zentrale Voraussetzung. Für potentielle Ökostromkonsumenten sind alle möglichen Hindernisse seitens des Verteilnetzbetreibers (z.B. Wechselgebühren, Lastgangmessungen bei Haushaltskunden) durch die Regulierungsbehörde rigoros zu unterbinden
Um eine Änderung im Bewusstsein der Gesellschaft im bezug auf erneuerbare Energien zu bewirken, muss die öffentliche Hand zwecks verstärkter Nutzung von Erneuerbaren in öffentlichen Gebäuden sensibilisiert werden. Dies könnte z.B. durch Berücksichtigung von externen Kosten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgen. Weiters sind Vereinfachung und Vereinheitlichung der Förderungsabwicklung nötig.

Schlussfolgerungen

Eine ambitionierte Steigerung des Beitrags NEET zur Energieversorgung Österreichs ist möglich. Entsprechend den durchgeführten Analysen lassen sich im Bereich der Stromerzeugung bis 2010 ca. 7 TWhel (=ca. 24 PJ) zusätzlich zur derzeitigen Produktion aus NEET produzieren, im Bereich der Wärmeversorgung ca. 72 PJ und im Bereich der Treibstoffe ca. 3 PJ. Entsprechende Strategien zur Realisierung der ambitionierten Potenziale sind vorhanden, die konkreten erforderlichen Maßnahmen wurden in diesem Forschungsprojekt erarbeitet. Die Realisierung dieser Potenziale ist allerdings mit großen Anstrengungen verbunden und wird mit grundsätzlichen Änderungen (z.B. verstärkte dezentrale Umwandlung) im gesamten Energiesystem einher gehen müssen. Die Steigerung der Effizienz bei der Bereitstellung von Energiedienstleistungen ist eine zentrale Voraussetzung, um den prozentuellen Anteil NEET substanziell zu erhöhen.
Zu den notwendigen finanziellen Förderungen um das ambitionierte Szenario zu realisieren ist festzustellen: Kostenwahrheit bzw. Einbeziehung externer (volkswirtschaftlich und umweltrelevanter) Kosten kann zu einem generell höheren Energiepreisniveau und damit zu geringeren erforderlichen finanziellen Zuschüssen für neue erneuerbare Energieträger führen. Die letztendlich entscheidende Randbedingung für eine erfolgreiche Verbreitung neuer erneuerbarer Energieträger ist jedoch, dass die Bevölkerung frühzeitig in Projekte eingebunden wird und etwa auch eine finanzielle Beteiligung an dezentralen Anlagen ermöglicht wird.

Literatur
/1/ Haas Reinhard, Berger Martin,. Kranzl Lukas: Strategien zur weiteren Forcierung erneuerbarer Energieträger in Österreich unter besonderer Berücksichtigung des EU-Weißbuchs für erneuerbare Energieträger und der CTO" im Auftrag von BMWA und BMLFUW, Schriftenreihe des BMLFUW, Wien 2001
/2/ Kratena K., Schleicher St. : Energieprognose und -szenarien Österreich bis 2020. WIFO, Wien 2001

*) Ao. Prof. Dr. Reinhard Haas ist Vizevorstand, Dipl.-Ing. Martin Berger und Dipl.-Ing. Lukas Kranzl sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft, Arbeitsgruppe Energiewirtschaft, der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, TU Wien. www.tuwien.ac.at/iew [^]

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