Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

2004-01: Erneuerbare Energien in Österreich

Thema

Die Biogasproduktion ist in der Natur nichts Neues. Biogas wird täglich in enormen Mengen freigesetzt. Zum Beispiel werden in den Reisfeldern pro Jahr etwa 280 Mio. Tonnen Biogas erzeugt, und genau soviel produzieren weltweit die Wiederkäuer. Aus Misthaufen, offenen Güllegruben und Mülldeponien entweichen rund 100 Mio. Tonnen Biogas pro Jahr. Grund genug, wo immer es möglich ist, Biogas kontrolliert zu produzieren und als wertvollen erneuerbaren Energieträger einzusetzen.

Biogas für Österreich

Von Walter Graf*

Zur Zeit sind in Österreich rund 120 Biogasanlagen in Betrieb, die circa 40 Millionen Kilowattstunden elektrischen Strom und etwa 50 Millionen Kilowattstunden Wärme pro Jahr erzeugen. Biogasfachleute schätzen, dass österreichweit rund 6.000 Biogasanlagen im landwirtschaftlichen Bereich wirtschaftlich zu betreiben wären.
Durch die dezentrale Produktion und Einspeisung des elektrischen Stromes sind die Leitungsverluste sehr gering, die Versorgungssicherheit durch die vielen kleinen Einspeiser aber außerordentlich hoch.

Biogastechnik

Realistisch betrachtet, verdanken wir in Österreich den fortgeschrittenen Stand der Biogastechnik dem Engagement der Betreiber von Biogasanlagen. Heute werden Biogasanlagen in jeder Größe und für jeden Zweck von Firmen (meist schlüsselfertig) geplant und gebaut. In Österreich haben sich drei Biogasanlagentypen durchgesetzt: das Speicherdurchflusssystem mit Nachgärbehälter, die Stahltankanlage (Rohrfermenter) und das Zweikammersystem.
Das Speicherdurchflusssystem mit Nachgärbehälter ist in der Praxis sehr beliebt, weil Kosten und Bauaufwand leicht kalkulierbar und nachvollziehbar sind. Fermenter und Nachgärbehälter bilden eine Einheit und können als geschlossenes System bezeichnet werden.
Die Stahltankanlage ist wahrscheinlich die einfachste Lösung. Der liegende Stahlbehälter kann gebraucht sein oder wird speziell angefertigt und fasst zwischen 50 und 150 Kubikmeter. Die Anlage kann gut isoliert durchaus im Freien stehen, eleganter ist natürlich eine Umhausung (siehe Abbildung 1). Das Substrat wird kontinuierlich zu- und abgeführt. Wichtig ist bei der Stahltankanlage das entsprechend große nachgeschaltete gasdichte Güllelager.

Abbildung 1: Der liegende Stahlbehälter (Rohrfermenter) fasst zwischen 50 und 150 Kubikmeter

Das Zweikammersystem arbeitet ohne mechanisches Rührwerk. Der Gärbehälter ist in getrennte Funktionsräume unterteilt. Die tieferliegende Hauptgärkammer ist mit dem darüberliegenden Nachgärraum durch kommunizierende Schächte verbunden.

Biogasverwertung

Zur Verwertung von Biogas stehen prinzipiell zwei Möglichkeiten zur Verfügung: einerseits die kombinierte Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), andererseits die reine Wärmegewinnung.
Im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) kann zur Zeit die größte Effizienz bei der Energieumwandlung von Biogas erzielt werden. Der Gesamtwirkungsgrad (*ges) liegt bei circa 85-90% der eingesetzten Energie. Im Regelfall werden für die Energieumwandlung Verbrennungskraftmaschinen mit angeflanschten Generatoren verwendet.
Für die KWK-Anlagen, die mit solchen Verbrennungskraftmaschinen arbeiten, bürgerte sich der Begriff Blockheizkraftwerke (BHKW) ein, da hier anders als bei den klassischen Heizkraftwerken die gesamte Anlage in einem Block zusammengebaut ist. Kosten und Platzbedarf können dadurch wesentlich gesenkt werden. Die Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass, je höher die Biogasproduktion einer Biogasanlage, desto wichtiger die richtige Wahl des Verfahrens zur Verwertung des produzierten Biogases, weil der ökonomische Erfolg oder Misserfolg einer Anlage wesentlich davon abhängt.
Einige Rechenbeispiele zeigen die großen Unterschiede der erzielbaren Strommengen sehr gut auf. Es werden bei dieser Rechnung 600.000 m³ Biogas/Jahr (entspricht z. Z. einer mittelgroßen Biogasanlage) mit 65% Methan angenommen. Daraus kann man mit einem BHKW mit einem relativ geringen elektrischen Wirkungsgrad von 28% eine Strommenge von * 1,092.000 kWh im Jahr erzeugen. Mit einem BHKW mit einem optimalen und technisch machbaren elektrischen Wirkungsgrad von 34% kann jedoch schon eine Strommenge von * 1,326.000 kWh im Jahr erzeugt werden. Dies ergibt eine Differenz von * 230.000 kWh im Jahr. Das bedeutet nicht nur eine bessere Wertschöpfung, sondern auch für die Umwelt eine CO2 - Einsparung von knapp 60 Tonnen pro Jahr.
Jahrzehntelang war die Wärmegewinnung aus Biogas nahezu der einzig technisch machbare Weg der Biogasverwertung. In letzter Zeit wurde diese Möglichkeit der Biogasverwertung sukzessiv durch die KWK-Technik verdrängt. Seit jedoch immer mehr Haushalte im ländlichen Raum ihren Wärme- und Heißwasserbedarf aus Biomasse-Fernheizwerken beziehen, ist es für den Biogasanlagenbetreiber wieder interessant geworden, das Biogas über Rohrleitungen direkt an ein Biomasse-Fernheizwerk zu liefern.

Biogasgewinnung aus Gras und Energiepflanzen

Biogasgewinnung aus Gras und Energiepflanzen ist eine Weiterentwicklung der Anaerobgärung. Als Energiepflanzen werden jene Pflanzen bezeichnet, die nicht für die Nahrungsmittelproduktion bereitgestellt werden, sondern für die Energiegewinnung. Im Mittelpunkt stehen zur Zeit Luzerne, Ackerbohne, Mais, Sonnenblume, Futterrübe und diverse Hirsearten. Das Spektrum der verwertbaren Energiepflanzen erlaubt eine optimale Fruchtfolge.

Abbildung 2: Ernte der Energiepflanzen, das sind jene Pflanzen, die nicht für die Nahrungsmittelproduktion bereitgestellt werden

Das A und O des neu entwickelten Verfahrens liegt darin, dass ausschließlich Silage - ohne Mist und Gülle - aus Gras oder Energiepflanzen verwertet wird. Bis vor kurzem galt dies im großen Maßstab als nicht machbar. Durch den Einsatz von Silage kann jedoch das ganze Jahr gleichmäßig Biogas erzeugt werden. Pro Hektar Hauptfrucht kann man mit circa 10.000 m³ Biogas und pro Hektar Nachfrucht (nach Getreide) noch mit etwa 5.000 m³ Biogas rechnen.
Die Energieproduktion wird somit genau kalkulierbar. Praktiker erzielen bis zu 20.000 kWh elektrischen Strom pro Hektar und Jahr Energiepflanzen. Das entspricht einer Dauerleistung von 2,3 kWel pro Hektar.

Synergieeffekte bei der Gras- und Energiepflanzennutzung

Beim Verfahren der "Grünen Bioraffinerie" werden Gras oder andere Energiepflanzen zuerst zur Erzeugung von Chemierohstoffen genutzt und anschließend zur Energiegewinnung herangezogen. Dieser Synergieeffekt - Chemierohstofferzeugung mit nachgeschalteter Energiegewinnung - verbessert den Deckungsbeitrag. Die "Grüne Bioraffinerie" ist im Labormaßstab bereits realisiert. Der Schwerpunkt liegt zur Zeit bei der Proteinherstellung aus Gras oder anderen Energiepflanzen. Mit diesem Verfahren wird es möglich, hochwertiges Protein - biologisch und gentechnikfrei - für die Tierfutterproduktion herzustellen. Auf teure Sojabohnenimporte kann man daher in Zukunft verzichten, da genügend hochwertiges Eiweiß auf unseren Äckern produziert werden kann.
Bis vor kurzem galt der Einsatz von Biogas als Treibstoff für Fahrzeuge als nicht ökonomisch. Die Möglichkeit, große Mengen Biogas aus Energiepflanzen kostengünstig zu gewinnen, unterstützt von steuerlichen Anreizprogrammen, könnte die Treibstoffgewinnung aus Biogas jedoch schon bald lukrativ machen. Versuche in der Schweiz haben nun ergeben, dass Biogas als Treibstoff gegenüber dieselbetriebenen Fahrzeugen eine um 96% geringere Ozonbelastung verursacht. Der erneuerbare Energieträger Biogas ist außerdem CO2 -neutral.
Um den Anforderungen als Treibstoff gerecht zu werden, muss das Biogas jedoch eine definierbare Reinheitsstufe erreichen. Kritische Stoffe wie zum Beispiel H2S, H2O und CO2 müssen entfernt werden. Dies ist mit der derzeit verfügbaren Technik bereits möglich.

Ökonomischer Nutzen

Aus der Sicht der Wertschöpfung spricht natürlich auch vieles für die Energie vom Bauern. Das erwirtschaftete Geld bleibt in der Region und stärkt dadurch das ansässige Gewerbe. Beim Bau einer Biogasanlage werden im Regelfall bis zu 70% der Investitionssumme an regionale Gewerbebetriebe vergeben. Die Praxis hat gezeigt, dass große Anlagen im Vergleich zu kleinen viel kostengünstiger gebaut und betrieben werden können. Gemeinschaftsanlagen könnten in Österreichs kleinräumiger Agrarstruktur die Lösung sein.

Ökologischer Nutzen

Biogas ist eine saubere Energie, die erneuerbar ist und nahezu überall produziert werden kann. Der Ausstoß an gefährlichen Treibhausgasen wird signifikant verringert. Mit der Möglichkeit, Biogas aus Energiepflanzen zu gewinnen und daraus Strom und Wärme zu erzeugen, erhöht sich natürlich auch das Reduktionspotenzial des gefährlichen Treibhausgases CO2 erheblich.
Unter der Annahme, dass auf den derzeit ca. 600.000 Hektar Getreide, die in Österreich angebaut werden, Nachfrucht für die Biogasgewinnung bereitgestellt werden kann, ergibt sich eine jährliche CO2 - Reduktion von * 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr. Als Synergieeffekt ist großflächiger Boden- und Gewässerschutz durch die naturnahe Bewirtschaftung möglich, da auf Mineraldünger vollkommen und auf Pestizide nahezu verzichtet werden kann.

Resümee

Aus Biogas kann saubere Energie (Strom und Wärme) gewonnen werden. Der Ausstoß von gefährlichen Treibhausgase wird verringert. Die Bauern können durch die Produktion dieser erneuerbaren Energie eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen. Das Know-how für diese Technik und ihre Akzeptanz in der Praxis sind vorhanden, was noch fehlt, sind langfristige kalkulierbare ökonomische Rahmenbedingungen.

Literatur
/1/ Walter Graf,Kraftwerk Wiese Strom und Wärme aus Gras 2. erweiterte Auflage , ISBN: 3-89811-193-8 Bezugsquelle: Buchhandel - Libri Bestellnummer 9858741
/2/ Walter Graf, Biogas für Österreich 3. Auflage, Herrausgeber BM f. Landwirtschaft
/3/ Dr. K. Mairitsch u. W. Graf, "Energy from Grass", Study, TU Vienna University of Technology, August 2000
/4/ A. Wellinger, Biogashandbuch , Wirz Verlag (Schweiz)

*) Walter Graf ist Umweltjournalist und seit 1991 Vorsitzender der ARGE Biogas [^]

Top of page