Zeitschrift EE

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2001-03: Solare Nahwärme

Systeme mit Langzeitspeicher

Im Rahmen des Pilotprogramms "Solarunterstützte Nahwärmeversorgung mit Langzeit-Wärmespeicher Neckarsulm/Amorbach II" wurde zum ersten Mal ein Langzeit-Wärmespeicher gebaut, bei dem das Erdreich direkt als Speichermedium verwendet wird. Die Ein- und Ausleitung der Wärme erfolgt über senkrechte Erdsonden.

Erdsonden-Wärmespeicher in Neckarsulm

Von Siegbert Effenberger und Boris Mahler*

Das Gesamtprojekt wird durch verschiedene Förderstellen mitfinanziert. Im Rahmen des EU-Projektes Large-Scale Solar Heating Systems werden große Teile der Kollektorflächen der zweiten Ausbaustufe gefördert. Das Anlagenkonzept ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Anlagenschema des solarunterstützen Nahwärmenetzes mit Lanzeit-Wärmespeicher in Neckarsulm Amorbach II

Im Rahmen des Projektes soll der Nachweis geführt werden, dass Erdsonden-Wärmespeicher für die Langzeit-Wärmespeicherung von Sonnenenergie geeignet sind. Dazu wurde der Speicher vom Pilotausbau mit 5.000 m&sup3 in der ersten Ausbaustufe auf 20.000 m³ erweitert. Derzeit erfolgt der zweite Ausbau auf 65.000 m&sup3.
Neben dem Speicher wurden fortgeschrittene Kollektorkonzepte, s.g. Kollektordächer, eingesetzt, die als Fertigdachelemente geliefert werden und eine Kostenreduktion von 20 bis 30% gegenüber der Standardtechnologie erlauben.
Die Entwicklung, Erprobung und Realisierung einer dezentralen Einbindung der Kollektorfelder in das Nahwärmenetz stellen ebenfalls eine Neuerung dar. Bei dieser Einbindung wird die solare Nahwärme über die Hausübergabestation eingekoppelt. Hierbei wird der Rücklauf des Nahwärmenetzes durch das Kollektorfeld erwärmt und in einem dritten Leiter als Solarvorlauf der Heizzentrale zugeführt.

Geplanter Ausbau Pilotspeicher 1. Ausbau 2. Ausbau 3. Ausbau Endausbau
Realisierung 1997 1998/99 2000/01    
Kollektoranlage:          
Absorberfläche in m² 2.600 2.600 6.500 8.000 15.000
Solarer Deckungsanteil 50 % 50 % 50 % 50 % 50 %
Erdsondenspeicher:          
Speichervolumen in m³ 4.320 20.160 65.000 77.460 138.240
Anzahl der sonden 36 168 432 648 1.152
Wärmeerzeugung:          
Niedertemperaturkessel 1.750 kW 1.750 kW 1.750 kW 1.750 kW 3 x 1.750 kW

Tabelle 1: Der Ausbau der Solaranlagen und des Speichers erfolgt in mehrerern Stufen, entsprechend des Baufortschrittes des Wohngebietes

Langzeitwärmespeicher

Mit einer großen Solaranlage und einem Langzeit-Wärmespeicher soll die Hälfte des Brennstoffbedarfes der Siedlung durch Sonnenenergie ersetzt werden.
Die Solarkollektoren sind auf den Dächern der Schule, der Sporthalle, des Ladenzentrums, der Mehrfamilienhäuser und einiger Reihenhäuser installiert. Zusätzliche Flächen wurden auf einer Überdachung der Autoabstellplätze (siehe Titelbild des Artikels) und in den das Gebiet abgrenzenden Lärmschutzwall (siehe Abbildung 2) integriert. Die Wärmespeicherung erfolgt direkt im Erdreich. Die Wärme wird über in senkrechten Bohrungen eingebauten Rohren zugeführt und entnommen.

Abbildung 2: 1000m² Kollektorfläche sind auf dem Lärmschutzwall installiert, der nach Süden ausgerichtet ist und das Wohngebiet zur Landstraße hin abgrenzt

Die Beladung des Erdsonden-Wärmespeichers erfolgt über einen Pufferspeicher, in dem die Solarwärme zwischengespeichert wird. Beim Entladen des Erdspeichers wird die Wärme direkt in den Rücklauf des Nahwärmenetzes eingespeist. Eine Rücklaufbeimischung begrenzt die Vorlauftemperatur für das Verteilernetz auf den benötigten Wert. Wird die Vorlauftemperatur nicht erreicht, erfolgt die Zusatzheizung mittels Spitzenkessel.
Verglichen mit einem Solarsystem mit einem Wasserspeicher als Langzeit-Wärmespeicher ist das nötige Speichervolumen bei einem Erdsonden-Wärmespeicher etwa um den Faktor 5 größer. Weiters ist die Temperaturspreizung im Speicher während des saisonalen Speicherzyklus im Erdsonden-Wärmespeicher deutlich niedriger. Gründe hierfür sind zum einem die stetigen Wärmeverluste an das umgebende Erdreich und zum anderen das deutlich trägere Betriebsverhalten eines Erdsonden-Wärmespeichers aufgrund des begrenzten Wärmeübertragungsvermögens der Erdsonden und des Wärmetransportes durch die Wärmeleitung im Speicher.
Im Gegensatz zu einem Wasserspeicher (bei dem nur eine vertikale Temperaturschichtung vorliegt) stellt sich bei einem Erdsonden-Wärmespeicher ein dreidimensionales Temperaturfeld ein. Insbesondere bildet sich in der Speicherebene ein Temperaturfeld aus, das sowohl vom gesamten Ladezustand des Speichers abhängt, als auch um die Erdsonden deutlich von den momentan herrschenden Be- bzw. Entladevorgängen geprägt ist.
Die Kollektorfelder - 3 Systeme im Vergleich
Im ersten Bauabschnitt wurden rund 2.100 m² Flachkollektoren auf Stahlrohrgerüste "aufgeständert" montiert. Das Dach der neuen Sporthalle ist mit 1.252 m² Flachkollektoren belegt, weitere 444 m² sind auf dem Dach des Ladenzentrums untergebracht.
Bei der Sporthalle ist es durch den Aufbau auf die außenliegende Tragkonstruktion hervorragend gelungen, die Kollektormodule zu einem harmonischen Element für die Gesamtarchitektur werden zu lassen, ohne weitere Mehrkosten für die STADTWERKE NECKARSULM zu produzieren. Als Pendant zur Anlage auf der Turnhalle wurde auf dem Parkplatz gegenüber eine solarthermische Gemeinschaftsanlage mit einer Fläche von weiteren 440 m² erstellt.
Ein neuer Weg, große Kollektorfelder kostengünstig zu verlegen, wurde mit der "Wallanlage" gefunden. Hier wird der nach Süden geneigte Lärmschutzwall, der das Wohngebiet zur Landesstraße hin abgrenzt, als Unterkonstruktion verwendet (siehe Abbildung 2).
Auch bei den "dachintegrierten" Anlagen wurden die bisherigen Erkenntnisse umgesetzt. Während bei den ersten Anlagen die Detailpunkte bei den Blechverwahrungen und den Ortgangblechen an der Baustelle zu klären waren, konnte bei den folgenden Anlagen bereits auf kostengünstige und einfache Lösungen zurückgegriffen werden. Die Folgeanlagen der Dächer zweier Wohnbaugesellschaften in der Eugen-Bolz-Straße haben eine Dachflächennutzung, die trotz des Einsatzes von seriellen Großkollektoren einem Solar-Roof nicht nachsteht.
Innerhalb eines Zeitraumes von acht Jahren sind deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Verbindungs- und Abdeckelemente beim Großkollektorbau erkennbar. Durch ozon-, temperatur- und UV-beständige EPDM Gummidichtungen werden Abdichtungsprobleme weiter reduziert und homogene Dachflächen geschaffen.
Ebenso wie bei allen anderen Kollektoranlagen, wurden auch für das "Solar-Roof" weitere Einsatzmöglichkeiten gefunden. Der Grundschule folgten große Solar-Roof-Felder auf drei Reihenhausgruppen (750 m²) im nordwestlichen Bereich der Nahwärmeinsel Grenchenstrasse. Zum ersten Mal wurde auf Reihenhäuser über Eigentumsgrenzen hinweg ein Solar-Roof errichtet und in Kooperation mit dem Zimmermann komplette Elemente aus Sparren und Kollektoren aufgelegt. Zusammen mit der Anlage auf der Schule haben die Solar-Roof-Elemente insgesamt eine Fläche von ca. 1.350 m² und geben damit einen umfassenden Erfahrungswert für den weiteren Ausbaubereich (siehe Abbildung 3). Die Gesamtfläche aller Kollektoren im Neubaugebiet Amorbach II beträgt derzeit etwa 5.000 m².

Abbildung 3: Im Vordergrund sidn Kollektordachelemente auf der Schule, in der Bildmitte die auf der Sprothalle aufgeständerten Kollektoren, und im Hintergrund die Solar-Roof Kollektoren auf den Reihenhäusern zu erkennen

Dezentrale Einbindung der Kollektorfelder in das Nahwärmenetz

Bisher wurde bei großen Solaranlagen in Verbindung mit einer Nahwärmeversorgung immer ein eigenes Rohrleitungsnetz für die Einsammlung der Kollektorwärme verwendet und die Wärme über dieses Netz bis in die Heizzentrale und weiter zum Langzeit-Wärmespeicher transportiert. Dieses System ist hydraulisch und regelungstechnisch einfach, erfordert jedoch die Investition für ein eigenes erdverlegtes Rohrnetz und eine erhebliche Menge an Frostschutzmittel.
Möglich ist dagegen die Einbindung, wie beim Wärmenetz der Nahwärmeinsel Grenchenstrasse, mit einer dritten Leitung, welche die Solarwärme zur Heizzentrale transportiert. Der Rücklauf für Solaranlage und Wärmeverteilung ist derselbe. Dieses System hat mehrer Vorteile: bei großen Kollektorfeldern ergibt sich eine Kostenreduktion durch die Einsparung einer Leitung und das System lässt sich leichter erweitern. Die Vorleistungen sind geringer (nur eine Rohrleitung) und die dezentralen Pumpen können dem tatsächlichen Ausbau des Systems besser angepasst werden. Für die Unterstationen in den einzelnen Gebäuden können standardisierte Einheiten verwendet werden, die durch eine Typenprüfung den Genehmigungsaufwand reduzieren. Diese modulare Bauweise erlaubt auch eine kostengünstigere Serienproduktion der Unterstationen, ähnlich wie bei Hausübergabestationen von Nah- und Fernwärmenetzen.
Diese modulare Bauweise großer Kollektorfelder ermöglicht auch völlig neue Organisationsstrukturen für solarunterstütze Nahwärmeversorgungen. So lässt sich z.B. die Schnittstelle zwischen Betreiber und Haus in die Unterstation legen, die Kollektoranlage ist ähnlich wie die Heizungsanlage Bestandteil des Hauses. So wie das Haus von der Wärmeübergabestation seine Wärme bezieht, liefert es über seine Solarstation Wärme an das Netz, die dann je nach Angebot und Abgabe in der Heizzentrale an den Wärmespeicher abgegeben wird.

Planung und Ablauf des Vorhabens

Die Planung des Gesamtprojektes erfolgte durch das Steinbeis-Transferzentrum Energie-, Gebäude- und Solartechnik in Stuttgart unter wissenschaftlicher Begleitung des Instituts für Thermodynamik und Wärmetechnik an der Universität Stuttgart. Die Messdaten des Wärmekreislaufes und der Messsonden im Erdreich des Pilotprojektes und der ersten Ausbaustufe wurden online über Modem direkt nach Stuttgart übertragen und mit den Daten der Simulationsrechnung verglichen.
Mit der Ausführung des ersten Bauabschnitts wurde im vierten Quartal 1996 begonnen, in dem die Ausführungsplanungen und die Leistungsverzeichnisse für die Heizzentrale, die Wärmeleitungen, den Langzeitwärmespeicher, die Kollektorfelder und die Solarübergabestationen erstellt wurden. Nach Ausschreibung erfolgte die Vergabe für die einzelnen Teilgewerke durch den Gemeinderat im Februar bzw. März 1997.
Im ersten Halbjahr 1997 erfolgte die Einrichtung der Heizzentrale, die Verlegung der Wärmeleitungen sowie die Installation der Kollektorfelder und der Solarübergabestationen. In der zweiten Hälfte des Jahres 1997 wurde der Pilotlangzeitwärmespeicher mit 36 Erdsonden fertiggestellt und in Betrieb genommen. Um frühzeitig Ergebnisse aus dem Betrieb des Speichers zu erhalten, wurden ab dem 16.12.1997 in der Heizzentrale erzeugte Wärmemengen eingespeichert und messtechnisch ausgewertet.
Aufgrund der positiven Ergebnisse des Pilotspeichers wurde im zweiten Halbjahr 1998 die erste Ausbaustufe des Langzeit-Wärmespeichers realisiert. Wichtige wärmetechnische Verbesserungen bezüglich Wärmespeicherkapazität und Wärmeleitfähigkeit wurden in die erste Ausbaustufe aufgenommen. Insbesondere wurden die Bohrlöcher auf die Dimension DN 150 erweitert, um durch einen größeren Abstand zwischen den auf- und absteigenden Leitungen die Kurzschlussreaktionen reduzieren zu können. Die erste Ausbaustufe wurde planmäßig bis zum 31.12.1999 abgeschlossen und konnte in Betrieb genommen werden.

Aktueller Stand

Zur Zeit (Stand 8/2001) findet der zweite Ausbau des Erdsondenspeichers auf ein Volumen von 65.000 m&sup3 statt. Die Inbetriebnahme ist für den Herbst 2001 vorgesehen. Gleichzeitig erfolgt die Erweiterung des Nahwärmegebietes im südlichen Bereich durch Bebauung vorwiegend mit Reihen- und Einzelhäusern. Innerhalb dieses Bereiches wird die Kollektorfläche um weitere ca. 2000 m² erhöht, wobei angestrebt wird, kostengünstige Solar-Roof- bzw. Großkollektorfelder einzusetzen.

*) Dipl.-Ing. Siegbert Effenberger, Stadtwerke Neckarsulm, Deutschland
Dipl.-Ing. Boris Mahler ist Abteilungsleiter im Steinbeis-Transferzentrum Energie-, Gebäude- und Soalrtechnik und Koordinator des EU-Thermie Projektes "Large Scale Solar Heating Systems for Housing Developments", http://www.stz-egs.de, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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