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2001-03: Solare Nahwärme

Systeme mit Kurzzeitspeicher

Nach dem Zusammenbruch des Solarmarktes in Italien in den achtziger Jahren scheint sich die Situation nun wieder zu bessern. Es können sogar massive Expansionen erwartet werden. Dies wird durch das wieder erwachte Interesse der Endverbraucher ermöglicht und durch die starken Wachstumsraten belegt, die der Markt in den letzten Jahren aufweist. Noch aber liegt Italien mit einer jährlich installierten Kollektorfläche von ca. 50.000 m² hinter Deutschland und Österreich zurück, wo jährlich mehrere hunderttausend Quadratmeter Kollektorfläche installiert werden.

Impuls für solarthermische Anlagen Italien

Von Aristotelis Aidonis*

Die italienische Regierung hat auf Basis der Ziele des EU-Weißbuchs [1] erklärt, bis zum Jahr 2001 eine gesamte installierte Kollektorfläche von 3.000.000 m² in Italien zu erreichen. Sogar mit einer sehr positiven Marktentwicklung scheint es schwer zu sein, dieses Ziel zu erreichen.
Große Solaranlagen spielen zwar am gesamteuropäischen Markt eine eher untergeordnete Rolle, könnten aber in der Entwicklung des italienischen Marktes größere Bedeutung haben:
In Italien gibt es viele Anwendungsmöglichkeiten für große Solaranlagen im Bereich der großen Hotels und des Sommertourismus im Allgemeinen. Durch Abschließen eines Garantievertrages für die Erträge der Solaranlage hat der Betreiber eine gewisse Absicherung. Bei der Größe dieser Solaranlagen sind die Kosten für die Datenerfassung und Verbreitung der Ergebnisse in der Öffentlichkeit verhältnismäßig gering. Dies ist für die Meinungsbildung besonders wichtig, da in Italien ein relativ geringes Vertrauen zu Solaranlagen besteht. Schließlich sind große Solaranlagen zur Raumheizung sehr gut geeignet, um die wirtschaftlichen Vorteile von solarthermischen Anlagen zu zeigen. Im Vergleich mit kleinen Solaranlagen betragen die Preise, bezogen auf einen Quadratmeter Kollektorfläche, etwa die Hälfte bis zu einem Drittel.

Abbildung 1: Die Luftaufnahme des Schwimmbades in Melegnano zeigt die 200 m² große Kollektorfläche auf dem Dach. Die Anlage ging im März 2000 in Betrieb

Beschreibung der Anlage

Melegnano ist ein kleiner Ort südlich von Mailand. Die Stadtgemeinde steht Umweltthemen sehr offen gegenüber. Für die Errichtung einer großen Solaranlage wurde das öffentliche Schwimmbad, das ein Hallenbad und ein Freibad hat, ausgewählt. Es erschien für diesen Zweck am geeignetsten. In Tabelle 1 sind die Projektpartner und beteiligten Unternehmen angeführt, die bei der Umsetzung des Projektes eine Hauptrolle spielten.

Errichter Gemeinde Melegano
Projektkoordinatoren Ambiente Italia S.r.l, Mailand, Italien
Planung Sergio Colombo & C., Mailand, Italien
Bauaufsicht und
Überwachung der Anlage
Technische Universität Mailand, Abteilung für Energie
Kollektorlieferant SOLID GmbH, Österreich

Tabelle 1: Projektpartner und beteiligte Unternehmen

Das Schwimmbad ist das ganze Jahr über geöffnet. Das Hallenbad hat ein Volumen von 310 m³. Das Freibad hat nur im Sommer geöffnet und hat ein Volumen von 1.700 m³. Etwa 90.000 Besucher kommen jedes Jahr in das Bad. Die Solaranlage mit 200 m² Flachkollektoren dient in erster Linie der Bereitung von Warmwasser für den Sanitärbereich. Überschüssige Energie wird zur Heizung des Schwimmbadwassers genützt.
Tabelle 2 gibt die wichtigsten technischen Daten der Anlage wieder. Bei der Brauchwasserbereitung wird ein solarer Deckungsgrad von 72% erreicht. In Summe erzielen die Kollektoren einen jährlichen Ertrag von 615 kWh/m². Abbildung 2 zeigt die vom Kollektor gelieferte Energie, den Warmwasserbedarf und die sich daraus ergebende Energie, die zum Heizen des Schwimmbeckens genutzt werden kann, über ein Jahr.

Bruttokollektorfläche 200 m²
Speichervolumen 10 m³
Warmwasserbedarf für sanitäre Einrichtungen 112 MWh/a
Wärmelieferung von der Solaranlage für die
Warmwasserbereitung
81 MWh/a
(405 kWh/m²a)
Warmwasser-Deckungsgrad 72%
Wärmelieferung von der Solaranlage an das
Schwimmbad
42 MWh/a
(210 kWh/m²a)
Gesamter Kollektorertrag 615 kWh/m²a
Systemkosten (excl. MWST, Monitoring und Planung) 625 €/m²

Tabelle 2: Technische Daten der Anlage in Melegnano

Abbildung 2: Von März bis September ist die vom Kollektor gelieferte Energie größer als der Warmwasserbedarf im Sanitärbereich. Die überschüssige Energie wird für die Beheizung des Badewassers genützt

Die Kosten für die Anlage in Melegnano sind relativ hoch. Das Projekt ist eine Pilotanlage, daher sind zusätzliche Kosten für die detaillierte Datenerfassung und Regelung angefallen. Positiv kann an dieser Stelle angemerkt werden, dass der Preis für die Kollektoren inklusive der Installationsarbeiten und der Anschlüsse mit ca. 200 E/m² relativ gering gehalten wurde. Die Kosten des gesamten Systems betrugen 625 E je Quadratmeter Kollektorfläche.
Hydraulik
Abbildung 3 zeigt ein Schaltbild der Anlage. Der Kollektorkreis ist mit Wasser und einer Propylen-Glykol-Mischung mit 33% Glykol gefüllt. Die beiden Wärmetauscher mit dem Warmwasserkreis und dem Schwimmbadkreis sind in Serie geschaltet. Die beiden Warmwasserspeicher (Tank 1, Tank 2) sind ebenso seriell angeordnet. Die Nachheizung erfolgt im Tank 1, wobei mindestens die Hälfte des Tanks über 60°C gehalten wird. Der Schwimmbadkreis ist hier vereinfacht dargestellt. Der Wärmetauscher befindet sich im Filterkreislauf des Schwimmbads. Mit Hilfe eines manuellen Ventils kann je nach gewünschtem Betrieb zwischen dem Freibad und dem Hallenbad umgeschaltet werden.

Abbildung 3: Das Hydraulikschaltbild der Anlage wird als Bildschirmanzeige des Datenerfassungssystems verwendet. Es zeigt laufend die wiechtigsten Werte an. Animationen unterstützen die Darstellung

Über ein Dreiwegeventil (DV) wird die Wärme je nach Temperaturniveau in den Tank 1 oder 2 geliefert. Durch die Matched-Flow-Betriebsweise soll möglichst ein Temperaturniveau von ca. 65°C erreicht werden. Somit wird der Tank 1 zuerst befüllt und eine Nachheizung ist nicht erforderlich. Werden an der kältesten Stelle im Warmwasserspeicher 50°C gemessen, so wird die von den Kollektoren gelieferte Wärme zur Heizung der Pools verwendet.
Die Anlage in Melegnano ist im Vergleich zu den anderen Anlagen, die im Rahmen des EU-Projektes errichtet wurden, relativ klein. Dennoch hat sie charakteristische Merkmale einer großen Solaranlage. Es wurden Kollektormodule mit einer Bruttokollektorfläche von je 12,5 m² verwendet. Die Kollektoren sind größtenteils in Serie geschaltet.
Zwei Kollektorreihen mit je acht Kollektoren sind parallel geschaltet. Die Anlage wird in Matched-Flow-Betriebsweise gefahren, der Durchfluss variiert zwischen 8 und 20 l/m²h. Durch die Größe der Module und die geringen erforderlichen Durchflussraten konnte die Installation der Kollektoren sehr günstig durchgeführt werden. Die 200 m² Kollektorfläche der Anlage in Melegnano wurde von zwei Personen in weniger als drei Stunden installiert.
Mit dem ausführenden Installateur wurde ein Vertrag abgeschlossen, wonach ein bestimmter Energieertrag aus der Anlage garantiert wird. Laut Vertrag wird die letzte Teilzahlung von 10% der Gesamtkosten nur dann an die Installateurfirma geleistet, wenn die Anlage nach einem Jahr Betriebszeit den festgelegten Ertrag geliefert hat. Dieser beträgt für die Anlage in Melegnano 500 kWh/m² pro Jahr.
Mit einem detaillierten Datenerfassungssystem werden 38 Werte gemessen, unter anderem die Temperatur in den Warmwasserspeichern und in den Leitungen, Durchflussraten und die Einstrahlung. Zur Zeit wird an einer benutzerfreundlichen Schnittstelle gearbeitet, die auch von einer Internetseite aus bedienbar sein soll. Die Temperaturen und die wichtigsten Energieflüsse werden permanent aktualisiert (siehe Abbildung 3). Je nach Temperaturniveau ändern sich die Farben in den Schichten der Speicher; wenn eine Pumpe läuft, dreht sich das entsprechende Symbol auf der Bildschirmanzeige. Diese und weitere Animationen helfen, auf den ersten Blick den Zustand der Anlage zu erkennen. Weiters sind diese visuellen Effekte sehr hilfreich, wenn die Anlage Laien näher gebracht werden soll.
Es wurde eine frei programmierbare Regelung verwendet. Dadurch konnten verschiedene Regelstrategien getestet und miteinander verglichen werden. Im Falle eines Fehlers im Betrieb der Anlage verschickt das Regelungsprogramm automatisch eine Warnung in Form einer SMS an ein Mobiltelefon.
Um das Projekt der Öffentlichkeit bekannt zu machen, wurden verschiedene Aktivitäten unternommen. Dies ist in Italien besonders wichtig, um das Vertrauen der Menschen in solare Technologien zu stärken. Neben Publikationen in Zeitschriften wurden potenzielle zukünftige Betreiber von Solaranlagen durch Führungen und eine eigene Tagung angesprochen.

Vorstudie für ein Wohngebiet

Im Rahmen des Projekts wurde neben der Realisierung der hier beschriebenen Anlage auch eine Vorstudie durchgeführt. Diese sieht eine zweite Anlage für ein Wohngebiet in der Nähe des Schwimmbades vor. Für insgesamt 106 Wohnungen soll solare Energie für Raumheizung und Warmwasser bereitgestellt werden. Dafür ist ein Kollektorfeld mit einer Fläche von ca. 1500 m² und ein saisonaler Energiespeicher mit ca. 3300 m³ vorgesehen. Bei einem gesamten Energiebedarf von 1050 MWh pro Jahr wurde der voraussichtliche solare Deckungsgrad mit rund 65% ermittelt.

Schlussfolgerungen

Durch die Realisierung dieses Projekts konnte viel Erfahrung im Bereich großer Solaranlagen gesammelt werden. Die österreichische Firma S.O.L.I.D. GmbH brachte in allen Bereichen der Planung, Installation und des Anlagenbetriebs viel Know-How ein.
Durch die Datenerfassung konnte die Leistung des gesamten Systems bei verschiedenen Bedingungen ermittelt und so die Regelungsstrategie optimiert werden. Es führte jedoch zu gewissen Problemen, dass die Datenerfassung und die Regelung von ein und demselben Computer durchgeführt wurden. Durch die Komplexität der Anlage kam es so zu geringfügigen Problemen beim Betrieb.
Installateure in Italien haben bis jetzt nicht sehr viel Erfahrung mit Solaranlagen, daher ist es günstig, die Hydraulik und die Reglung so einfach wie möglich zu planen, um Fehler bei der Installation und Inbetriebnahme zu vermeiden.
Beim Betrieb der Anlage wurde festgestellt, dass bei Brauchwassertemperaturen von 60°C bis 70°C noch keine Kalkprobleme auftraten, obwohl der Kalkgehalt im Trinkwasser von Melegnano sehr hoch ist. Während des Sommerbetriebes traten dagegen schon Probleme mit Kalk auf, besonders dann, wenn der Warmwasserverbrauch gering war. Es sollte daher darauf geachtet werden, dass eine Temperatur von 75°C nicht überschritten wird.
Mit der Solaranlage in Melegnano wurde ein erster Schritt in Richtung großer Solaranlagen in Italien getätigt. Sie hat gezeigt, dass Solaranlagen wirtschaftlich betrieben werden können. Durch Garantie der solaren Erträge kann auch das Investitionsrisiko minimiert werden. Für zukünftige (große) Solaranlagen in Italien muss berücksichtigt werden, dass neben der guten Planung und Ausführung besonders die Einfachheit der Anlage für das Gelingen des Projekts ausschlaggebend ist.
Die Erfahrungen, die mit dem Projekt gemacht wurden, und die bisher eingelangten Rückmeldungen geben Anlass zur Hoffnung, dass solare Großanlagen in Italien in Zukunft häufiger realisiert werden.

Literatur
1 Europäische Kommission, EU-Weißbuch, Eine Energiepolitik für die Europäische Union, Brüssel, 1998

 

*) Dr. Aristotelis Aidonis ist Mitarbeiter der Technischen Universität Mailand am Institut für Energie und arbeitet im bereich der Solaranlagenplanung mit Ambiente Italia Srl. und S.O.L.I.D. GmbH zusammen. E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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