Zeitschrift EE

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2001-01: Erneuerbare Energien in der Entwicklungszusammenarbeit

Solarenergie am Dach der Welt

Ladakh liegt im nördlichsten Indien, im äußersten Westen des Himalajagebirges in 3.500 Meter Seehöhe, die Lebensbedingungen in dieser Region sind äußerst hart. Temperaturen bis -40°C und unpassierbare Straßenpässe von September bis Mai machen das Leben in diesem, durch Steine und Sand geprägten Gebiet, zum Überlebenskampf. Trotz dieser harten Lebensbedingungen sind die Ladakhies äußerst fröhliche und zufriedene Menschen, deren friedliche Art beispielgebend für die Welt ist.

Solarenegie und Wasser für das Mahabodhi International Meditation Centre in Indien

Von Gernot Becker*

Im Jahre 1986 gründete Venerable Bhikkhu Sanghasena mit Freunden das Sozialzentrum und ist dessen spiritueller Leiter. Das Mahabodhi International Meditation Centre (MIMC) ist in seiner Struktur als NGO aufgebaut und damit gemeinnützig. Bisher entstanden Projekte wie eine Schule mit Internat für Mädchen und Jungen, ein Heim für Alte und Mittellose, eine mobile Krankenstation, eine öffentliche Bibliothek und ein Meditationszentrum. Ein Krankenhaus wurde 1999 fertiggestellt und ist nun das zweite Krankenhaus in einem Gebiet mit der Größe Bayerns.

Ausgangssituation

Die Jugendgruppe des Projekt Ladakh Vereins hat 1998 zur 2. Weltkonferenz für Photovoltaik in der Wiener Hofburg auf Grundlage mühsam zusammengetragener Daten einen Vorschlag für ein Gesamtenergiekonzept für das Mädchenheim des Sozialzentrums ausgearbeitet und hat dafür den Youth Solar Award 1998 erhalten.
ATB/TBB wurde im Juli 1998 beauftragt, die Realisierbarkeit des Konzeptes vor Ort zu überprüfen und ein Gesamtinfrastrukturkonzept für das gesamte Sozialzentrum zu entwickeln. Dabei wurde das Projekt ganzheitlich betrachtet. Die Untersuchungen wurden unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten, der Verträglichkeit mit der Natur und der Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien durchgeführt. Während dieser Arbeiten wurde auch eine Messstation für die Auswertung der Wind- und Sonneneinstrahlungsdaten installiert, damit fehlende Umweltdaten für die Konzeptfindung ermittelt werden konnten.
Die Ergebnisse der Datenauswertung haben gezeigt, dass die Windverfügbarkeit im Jahresdurchschnitt leider kleiner 5% ist und nur im Sommer höhere Windgeschwindigkeiten zu erarten sind.

Die Nutzung der natürlichen Ressourcen

Die Nutzung der natürlichen Ressourcen ist seit eh und je ein Teil der buddhistischen Erziehung und wird in Ladakh von den alten Menschen an die jüngeren Generationen weitergegeben. Die Pflege des Landes zeigt sich auch in den extremen Gegensätzen von tiefgrünen bewässerten Kulturflächen, die streng abgegrenzt zu unbewässerten Stein- und Sandgebieten stehen.
Die gegenwärtige Energiesituation durch das öffentliche Stromnetz ist völlig unzureichend. Das Wasserkraftwerk am Indus liefert nur während der 5 Sommermonate Strom ins Netz, die zeitweise Versorgung wird durch ein Dieselkraftwerk in Leh unterstützt. ATB/TBB hat während seines Aufenthaltes im Juli 1998 einen Versorgungsgrad durch das öffentliche Netz von 24,8% ermittelt, während der Wintermonate sinkt der Versorgungsgrad annähernd auf Null.
Die Versorgung der Gebäude mit Wärme ist derzeit unzureichend. Dies ist bei den extremen jahreszeitlichen Temperaturschwankungen von Sommertemperaturen bis 35°C und Wintertemperaturen bis -40°C nicht einfach. Der Heimleiter berichtet, dass man versucht, die Räume, in denen sich die Kinder aufhalten, nie unter 0°C absinken zu lassen. Sorge bereitet den Betreuern der Umstand, dass die Kinder auch bei Kerzenlicht lernen müssen, wiederholt dabei einschlafen und Brände oft nur durch die Aufmerksamkeit anderer Kinder und der Betreuer vermieden werden konnten.
Die Wasserversorgung stellt gegenwärtig einen erheblichen Engpass dar und wird durch die auch hier spürbaren Klimaveränderungen zusehends schlechter. Es ist nur die notdürftigste Versorgung der Menschen mit Trinkwasser möglich. Da während der Wintermonate die Quellen nicht genutzt werden können, muss in dieser Zeit das Trinkwasser per Tankwagen ins MIMC gebracht werden. Zur Verbesserung der Lebensqualität der Menschen im MIMC arbeitet Venerable Bhikkhu Sanghasena seit 1992 an der Rekultivierung von kleinen Teilen des 40 ha großen Geländes. Die Aufzucht von Pappeln ist äußerst mühsam und gelingt nur durch die liebevolle Pflege der Bäume während des Ökologieunterrichtes. Mit Blecheimern werden die zugewiesenen Bäume gegossen. Auch dies wird durch den starken Rückgang des verfügbaren Brauchwassers zusehends schwieriger und bringt einen Verlust von bereits rekultivierten Flächen.

Projektziele

Übergreifendes Ziel des Projektes ist es, die Versorgungs- und Lebensbedingungen der Menschen im MIMC zu sichern und langfristig eine Steigerung der Lebensqualität zu erreichen. Die seit 1998 ermittelten Wind- und Sonneneinstrahlungsdaten haben bereits gezeigt, dass Ladakh mit seiner Höhenlage in 3.500 m und seinen geringen Niederschlagsmengen besonders geeignet ist, Solarenergie zu nutzen.
Unmittelbare Zielgruppe des Projektes ist das gesamte MIMC mit rund 450 Personen, besonders aber die Kinder und alten Menschen in der dorfähnlichen Gemeinschaft, bestehend aus Kinderheim, Schule, Altenheim, Krankenhaus, Nonnenkloster, Meditationszentrum und Verwaltungsgebäude. Zudem betreut das MIMC mit einer mobilen Krankenstation Nomaden in entlegenen Gebieten Ladakhs.
Die Ziele des MIMC's sind die kostenlose Ausbildung bedürftiger Kinder, die Weitergabe des reichen ladakhischen Erbes, die Weitergabe des ökologischen Verständnisses für die Natur, das Erlernen des Umgangs mit den harten Lebensbedingungen in Ladakh, die Pflege und Sorge für alte und mittellose Menschen und die Ausbildung von buddhistischen Nonnen für ein Leben in Dorf und Glaubensgemeinschaften.

Projektumfang

  • Das Projekt konzentriert sich auf den Aufbau und die Verbesserung der Energie- und, Wasserversorgung sowie der Abwasserreinigung. Im Detail sind dies:
  • Installation einer Solarkollektoranlage für die Bereitstellung von thermischer Energie für Warmwasser und Heizung für die Wohn-, Pflege- und Schlafräume des Sozialzentrums.
  • Ergänzung der bestehenden elektrischen Energieversorgung auf Basis von Photovoltaikgeneratoren und unter Einsatz von energiesparenden Verbrauchern, soweit sie im Lande verfügbar sind.
  • Erstellung von Pumpstationen für die Förderung von Trink- und Brauchwasser, zur Verbesserung der Wasserversorgung und Schaffung einer künstlichen Bewässerung im rekultivierten Bereich zum Boden- und Erosionsschutz.
  • Verbesserung der Wärmeisolation an bestehenden Gebäuden unter Nutzung der passiven Sonnenwärme durch Errichtung vorgesetzter Wandaufbauten.
  • Errichtung biologischer Abwasserreinigungsanlagen zum Schutz des Trinkwassers und zur Nutzung für die künstliche Bewässerung.
  • Errichtung einer Anlage für die ganzjährige Kompostierung von biologischen Abfällen und den Feststoffen aus dem Abwasser zur Unterstützung der beschleunigten Rekultivierung und zum Aufbau einer Kleinforstwirtschaft.
  • Errichtung einer Kleinmüllverbrennungsanlage zur sauberen energetischen Nutzung nicht verrottbarer brennbarer Abfälle.

Das vorgesehene modulare System ist ein wesentlicher Fortschritt für ortsversorgungsähnliche Anwendungen, wie wir sie im Falle des MIMC vorfinden. Die Grundidee dieses Systems ist, dass alle Energiequellen, wie die Photovoltaik, das Dieselaggregat, das öffentliche Netz und die Batterien synchron über das Wechselstromnetz 230/400 V zusammengeschaltet werden können. Der bidirektionale Batteriewechselrichter und die 230/400 V-Schnittstelle ermöglichen somit auch das Zusammenschalten unterschiedlich großer Batterieblöcke über die Wechselstromebene, ohne dass die üblichen Schäden an der Batterie auftreten. Das modulare System gewährleistet aber auch für die Operationssäle des Krankenhauses den höchsten Grad an Sicherheit durch die durch Sonnenstrom gepufferten Batterien.
Eine Erleichterung für die Planung der thermischen Kollektoranlagen ergibt sich aus den Komforterwartungen der bisher nicht gerade verwöhnten Ladakhies. In der ersten Ausbaustufe wird die Basistemperatur der Räume von 0°C auf 10°C und in der zweiten Ausbaustufe auf 13-15°C angehoben. Europäische Wohnraumtemperaturen von 18-20°C werden bewusst nicht angestrebt.
Gerade durch das neue Krankenhaus und auch durch die Einflüsse des Tourismus fällt während der Sommermonate eine große Menge Müll an, der in Zukunft streng in biogene und brennbare Stoffe getrennt wird. Die brennbaren Stoffe werden für die Wintermonate gespeichert und im Winter in einer Kleinmüllverbrennungsanlage für die Warmwassererzeugung genutzt.
Als Abwasserreinigungsanlage (ARA) wurde ein System gewählt, das im wesentlichen aus baulichen Komponenten besteht, die vom MIMC selbst errichtet werden können. Der größte Kostenfaktor ist der Bau der Klär-, Rezirkulier- bzw. Belüftungsbecken als Gebäudefundament, sowie der schützenden Umhausung, die einen ganzjährigen Betrieb auch während der Wintermonate bei -30° Außentemperatur erlaubt. Das Ergebnis der Studie ist ein Mehrzweckgebäude (Greenhouse), das alle Schritte einer Abwasserreinigung bis hin zur Kompostierung einschließt. Zudem wird der gewonnene Kompost zur Verbesserung noch ein bis zwei Jahre, je nach Anfall, in Hügel- und Kompostbeete eingebaut, die dem MIMC einen ganzjährigen Gemüseanbau in kleinem Rahmen ermöglichen und so einen Doppelnutzen der Kompostierung bewirken. Das biologisch gereinigte Abwasser wird der künstlichen Bewässerung beigegeben. Der gewonnene Humus aus der Kompostierung wird nach ca. drei Jahren mit spärlich vorhandener Muttererde vermischt und ermöglicht das vorgesehene Rekultivierungs- und Aufforstungsprogramm. Ziel ist, in kleinem Rahmen Holzwirtschaft mit der Pappelaufzucht als Einkommensquelle des MIMC zu ermöglichen.
Die Energieversorgung des Gebäudes wird durch passive Sonnenenergienutzung durch großflächige Verglasung, durch Warmwasserkollektoren und durch die Nutzung der im Winter nicht benötigten Klärbecken als Warmwasserspeicher gewährleistet. Der Gesamtreinigungsgrad der ARA liegt bei 85% BSB (Biologischer Sauerstoffbedarf) und 75% CSB (Chemischer Sauerstoffbedarf).
Durch die Abwasserreinigungsanlage und die Kleinmüllverbrennungsanlage wird die Gefährdung des Trinkwassers weitestgehend vermieden und die bisherige Vergrabung des Mülls unterbunden.
Der Trinkwasservorrat soll nach Errichtung von zwei Brunnen im Gelände des MIMC für die Wintermonate 7 m3/Tag und für die Sommermonate 14 m3/Tag betragen. Die Brunnen werden 75 m tief sein. Brauchwasser für die künstliche Bewässerung wird aus dem ca. 2,5 km entfernten und 75 m tiefer liegenden Indus gepumpt.
Der Aufbau einer internen Kommunikationseinrichtung wird in Zukunft eine vernünftige Grundlage für die Projektabwicklung und die Projektunterstützung ermöglichen. Über die Messdatenerfassung und die Datenfernübertragung wird es möglich sein, bei der Fehlerbehebung Unterstützung zu gewähren. Zudem verbessert die Kommunikationseinrichtung den Aufbau einer neuen internen Organisation und ermöglicht dem Krankenhaus Hilfe von befreundeten Instituten via Teleklinik zu erhalten. Für die Anbindung des MIMC an das internationale Telefonnetz wird zur Distrikthauptstadt Leh eine eigene Funkverbindung aufgebaut, für die es bis jetzt noch Schwierigkeiten bei den behördlichen Genehmigungen gibt.
Grundlage für die Realisierung des Projektes ist das Know How, das sich ATB/TBB bei einer Vielzahl von alpinen Schutzhütten erworben hat. Lösungen in den Bereichen Gesamtenergiekonzepte, Trinkwasseraufbereitung mittels Filter- und UV-Entkeimungsanlagen, biologische Abwasserreinigungsanlagen (bis 95% Reinigungsgrad), Feststoffabscheidung, Kompostierung in 3.000 Meter Seehöhe, Messdatenerfassung und Datenfernübertragung über GSM konnten bereits ausgeführt und erfolgreich dokumentiert werden.

Projektunterstützung: Spendenkonto: 711035162, BLZ 15000, Kennwort "Gesamtkonzept"

*) Ing. Gernot Becker ist Eigentümer der Planungsfirmen ATB und TBB und Vizepräsident des Projekts Ladakh Vereins in Absam/Tirol [^]

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