Zeitschrift EE

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2012-02

Solarthermie

Abbildung 1: Solarthermische Großanlage für die Fernwärmeversorgung in Ulsted/Dänemark (Quelle: Arcon)

Fernwärme ist eine Zukunftstechnologie, die sowohl Wärme aus hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) als auch zukünftig Wärme aus erneuerbaren Energien in die Städte bringt. Ein Teil kann dabei mit emissionsfreier Solarwärme über große Kollektorfelder und Wärmenetze, den sogenannten solaren Nah- und Fernwärmesystemen (Solar District Heating, SDH) versorgt werden.

Solarthermie für Wärmeversorger –
Ansätze zur gemeinsamen Marktbearbeitung

Von Thomas Pauschinger und Heiko Huther*

Kooperation zwischen Fernwärme- und Solarthermieakteuren

In langjährigen Forschungsprogrammen in Schweden, Dänemark, Deutschland und Österreich wurden Pilotanlagen errichtet, von denen einige schon heute konkurrenzfähige Wärmegestehungskosten erzielen. Dank dieser Forschungsprogramme liegen Betriebserfahrungen und technisches Knowhow aus mehr als zwanzig Jahren vor. Aktuell zeigt sich europaweit ein zunehmendes Interesse seitens der Stadtwerke und Fernwärmeversorger, aber auch seitens der Kommunen, der Wohnbaubranche und lokaler Energieinitiativen am kommerziellen Einsatz dieser Technologie. Die solare Nah- und Fernwärme tritt derzeit in die Phase der praktischen Marktumsetzung ein.
Vor dem Hintergrund der langjährigen F&E-Arbeiten wurde 2009 von Solites und dem AGFW mit dem EU-Vorhaben 'Solar District Heating in Europe‘ (Programm Intelligent Energy Europe) eine internationale Kooperation zum Technologietransfer initiiert (siehe auch www.solar-district-heating.eu). Fünf nationale Wärmeversorger-Verbände aus Deutschland, Österreich, Tschechien, Dänemark, Italien sowie der europäische Dachverband Euroheat & Power wurden mit Experten aus dem Bereich der solarthermischen Großanlagen in ein Partnerkonsortium zusammengeführt. In dem Vorhaben werden neue Ansätze und Instrumente zur Markteinführung der solaren Nah- und Fernwärme in Europa entwickelt. Ziel der Kooperation ist es, einen Beitrag zur Erschließung des Potenzials der Solarthermie für die netzgebundene Wärmeversorgung von Wohn- und Industriegebieten zu leisten. Ein durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit finanziertes nationales Ergänzungsvorhaben dient zur intensiven Einbindung der deutschen Marktakteure, insbesondere der Fernwärmeversorger, in das EU-Vorhaben.
Die Kooperation mit den Wärmeversorgern ist gekennzeichnet durch das existierende Spannungsfeld zwischen den insbesondere im innerstädtischen Bereich bereits vorhandenen Wärmenetzen mit hocheffizient erzeugter KWK-Wärme und zusätzlicher solarer Wärme, die tendenziell dann zur Verfügung steht, wenn aus den KWK-Anlagen ohnehin ein Wärmeüberschuss für die Fernwärmenetze vorhanden ist. Die Chancen der solaren Nah- und Fernwärme werden insbesondere bei der Realisation neuer Inselnetze sowie als ergänzende Komponente neuer Wärmeerzeugungsanlagen auf Basis biogener Primärenergieträger gesehen. Diese könnten insbesondere in den Sommermonaten eingespart werden. Neben dem Aspekt der Versorgungssicherheit besteht ein wesentlicher Vorteil der solaren Nah- und Fernwärme in der langfristigen Kalkulierbarkeit der Wärmegestehungskosten aufgrund der nahezu betriebskostenfrei bereit gestellten Sonnenenergie. Weiterhin sprechen aus Sicht der Versorgungswirtschaft die langfristige Klimaneutralität durch eine CO2-freie Wärmeerzeugung und der Verzicht auf aufwendige Brennstofflogistik für einen verstärkten Einsatz. Diesen Aspekten wird im Rahmen zukünftiger kommunaler Energieversorgungskonzepte eine starke Bedeutung zukommen.
Durch regelmäßige Netzwerktreffen und Workshops mit einer direkten Ansprache der Wärmeversorger hat sich auf nationaler und internationaler Ebene deren Aus-einandersetzung mit der Solarthermie deutlich intensiviert. Konkrete Aktivitäten und Anlagenplanungen sind in einigen Neueinsteiger-Ländern wie z.B. Norwegen, Italien und Spanien sowie auch in Deutschland entstanden.

Einbindung der Solarthermie in Nah- und Fernwärmesysteme

Die bis heute in Europa realisierten Anlagen decken ein breites Spektrum unterschiedlicher Bauarten und Anwendungen ab. Die zwei wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind dabei zum einen die Größe des Wärmenetzes (z.B. Nahwärmeversorgungen von Siedlungen, Wärmenetze in Bioenergie-Dörfern oder große städtische Fernwärmesysteme) und zum anderen insbesondere die Art und Weise, wie die Solaranlage in das Wärmenetz eingebunden ist.
Abbildung 2 zeigt schematisch das Konzept der zentralen Einbindung einer thermischen Solaranlage in ein Nah- oder Fernwärmesystem. Die Solaranlage ist in der Regel an den vorhandenen zentralen Wärmespeicher eines Heiz- oder Heizkraftwerks angekoppelt. Setzt man große saisonale Wärmespeicher ein, kann die Solarthermie auch über 50 % zum Gesamtwärmebedarf beitragen.
Nach diesem Konzept wurden in den deutschen F&E-Programmen Solarthermie-2000 und Solarthermie2000plus elf große Solarthermieanlagen zur Nahwärme-versorgung meist neuer Wohngebiete errichtet. Die Kollektorfelder wurden bevorzugt in die Dachflächen der versorgten Gebäude integriert und über ein separates Netz an die Heizzentrale angebunden.
In Dänemark sind die meisten großen Kollektorfelder ebenso zentral, jedoch auf Freiflächen in unmittelbarer Nähe zu den Heizwerken aufgeständert. Ihre Wärme wird in kleineren Fernwärmenetzen zur Versorgung von Dörfern und Kleinstädten genutzt.

Abbildung 2: Zentrale Einspeisung von Solarwärme in Nah- und Fernwärmesysteme

Die thermische Solaranlage kann auch, wie in Abbildung 3 dargestellt, dezentral an einer geeigneten Stelle in das Fernwärmenetz eingebunden werden. Teilweise nutzen solche Solaranlagen direkt das Wärmenetz als Wärmespeicher. Aufgrund der Drücke und Temperaturen in Fernwärmenetzen ist die dezentrale Einbindung von Kollektorfeldern jedoch nicht in jedem Fall mit vertretbarem technischem Aufwand machbar.
In der Stadt Graz wurden insgesamt vier derartige solarthermische Großanlagen realisiert, die ihre Wärme dezentral in das städtische Fernwärmenetz einspeisen. In Schweden wird in mehreren Pilotanlagen die Einspeisung von Wärme aus dezentralen Solaranlagen mit mehreren hundert Quadratmetern Kollektorfläche erprobt, die im Besitz der Fernwärmeendkunden sind. Vorwiegend sind dies Wohnungsgesellschaften, die als Fernwärmekunden eine Gutschrift für die eingespeiste Wärmemenge erhalten.

Abbildung 3: Dezentrale Einspeisung von Solarwärme in Fernwärmesysteme

Marktchancen der solaren Nah- und Fernwärme

Einem generellen breiten Einsatz von Solarthermie in der Wärmeversorgung steht heute oftmals eine direkte Konkurrenz von günstiger Abwärme und Wärme aus hocheffizienten KWK-Anlagen entgegen. Eine Verdrängung von KWK-Abwärme durch Solarthermie führt bei Mitberücksichtigung der notwendigen Stromerzeugung nicht zwangsläufig zu einer CO2-Einsparung. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. Konkrete Einsatzmöglichkeiten der Solarthermie in der Nah- und Fernwärme ergeben sich meist in Situationen, bei denen aus spezifischen Rahmen- oder Betriebsbedingungen zusätzliche Vorteile und Synergien resultieren. Zentrale Ansatzpunkte sind hierbei:

  • Die konsequente Integration von Solarthermie in Inselnetze ohne KWK-Betrieb und die Substitution von konventionellen Heizwerken. Vorteile ergeben sich insbesondere bei Heizwerken mit biogenen Brennstoffen durch die Vermeidung des meist unwirtschaftlichen sommerlichen Teillastbetriebs.
  • Verbesserte Nutzungsmöglichkeiten ergeben sich weiter in Märkten, bei denen es aufgrund von hohen Wind- und Photovoltaik-Stromeinspeisungen an der Strombörse zu einer Verschiebung der Merit-Order und somit einer Verdrängung der KWK-Stromproduktion aus der Grundlast in die Mittellast kommt. Dies führt u.a. zu einer hohen Volatilität des Strompreises, die wiederum von Wärmeversorgern wirtschaftlich genutzt werden kann: KWK-Anlagen werden hierbei entsprechend der Stromertragsmöglichkeiten in der Mittel- oder Spitzenlast betrieben. Große Solarthermieanlagen tragen zur Grundlastversorgung bei. Zur Absicherung der Versorgung und zur wirtschaftlichen Betriebsoptimierung werden Wärmepumpen und große Multifunktions-Wärmespeicher eingesetzt. Dänische Wärmeversorger bezeichnen dieses Gesamtkonzept als 'Smart District Heating‘ (Abbildung 4) (Anm.: siehe auch den Artikel von Jan Erik Nielsen in dieser Ausgabe).
  • Ein Marktpotenzial für solare Nah- und Fernwärme besteht ferner bei der energetischen Sanierung von Bestandsarealen, in welchen erhöhte energetische Anforderungen oder spezifische erneuerbare-Energien-Anteile gesetzlich gefordert werden. Sowohl die Neufassung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden als auch die Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen weisen explizit auf Nah- und Fernwärme¬versorgungs¬konzepte als effiziente Lösung zur Erfüllung ihrer erhöhten Anforderungen hin, insbesondere wenn sie teilweise oder ganz auf erneuerbaren Energien basieren. Es bedarf hier neuer Geschäftsmodelle zwischen Wärmeversorgern, Kommunen und der Wohnungswirtschaft, bei denen durch Nah- und Fernwärmekonzepte in Kombination mit Solarthermie eine Erfüllung erhöhter energetischer Anforderungen ermöglicht wird. Ein derartiges Modell wurde zum Beispiel von E.ON Hanse Wärme GmbH entwickelt und wird für den Fernwärmeverbund Hamburg angeboten.
  • Es bietet sich zukünftig auch an, das moderne und umweltfreundliche Image und die hohe gesellschaftliche Akzeptanz der Solarthermie für eine Verbreitung und Vermarktung von Nah- und Fernwärme und Gewinnung neuer Kundenkreise zu nutzen.

Abbildung 4: 'Smart District Heating‘-Konzept für Dronninglund und Marstal, DK (Quelle: PlanEnergi)

Folgevorhaben SDHplus

Das neue Folgevorhaben SDHplus befindet sich derzeit in Verhandlung mit den europäischen und deutschen Fördermittelgebern. Es zielt darauf ab, spezifische Situationen, wie sie im vorherigen Abschnitt genannt wurden, auf internationaler Ebene zu analysieren, gemeinsam mit den relevanten Akteuren (Wärmeversorgern, Kommunen und Wohnungswirtschaft) als Umsetzungs- oder Geschäftsmodelle zu entwickeln und in die Pilot-Umsetzung zu bringen. SDHplus wird von 18 Partnern aus 12 Implementierungsländern bearbeitet werden. Neu zum Konsortium hinzu gekommen sind Partner aus Frankreich, Kroatien, Litauen, Polen, Slowenien und Spanien. Das Vorhaben soll im Juli 2012 beginnen.

Das Vorhaben wird gefördert durch:

Die Autoren danken für die Unterstützung.

Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den Autoren. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Die Fördermittelgeber übernehmen keine Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen.

AGFW - Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V. in Frankfurt ist der deutsche Projektpartner aus der Fernwärmewirtschaft im EU-Vorhaben SDHtake-off.

Weitere Informationen

Internetseite des Vorhabens "Solar District Heating in Europe" www.solar-district-heating.eu

*) Dipl.-Ing. Thomas Pauschinger ist Mitglied der Geschäftsleitung des Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme Solites, Arbeitsbereich internationale Kooperationsprojekte zu Forschung und Entwicklung sowie Wissenstransfer und Marktumsetzung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz im Wärmesektor (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Dr.
Heiko Huther leitet den Bereich Forschung und Entwicklung bei AGFW – Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V. in Frankfurt (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) [^]

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