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2012-02

Solarthermie

Abbildung 1: 3.800 m² Kollektorfläche, Wasserwerk Graz Andritz (Quelle: www.solid.at)

Kann Solarwärme im städtischen Bereich eine starke Säule der Wärmeversorgung werden? Wie kann der 40% Solarwärmeanteil an der Raumwärme, den die Energieautarkiestudien 2011 nahezu übereinstimmend angeben, in die Realität umgesetzt werden? Und wie ist der Weg dorthin? Diese Fragen versucht der Artikel näher zu beleuchten.

Solarenergie und Fernwärme in Graz

Von Christian Holter *

Städtische Ballungsräume haben oft Fernwärmenetze- und diese meist eine große Distanz zu Erneuerbaren Energien. Während Erneuerbare Energien im dörflichen und kleinstädtischen Bereich in Form von Biomasse und mittlerweile oft auch Solarwärme erfolgreich verwendet werden, baut die Fernwärme in Großstädten vielfach auf Müllverbrennung, Kraft Wärme Kopplung (KWK) und fossilen Heizwerken auf.
Die Verbindung Strom- Wärme in der KWK macht auf den ersten Blick Sinn, doch dahinter verbergen sich oft nicht zusammenpassende Lastprofile und unterschiedliche Optimierungsansätze. So liefern Gaskraftwerke meist teuren Spitzenstrom –oft nur für wenige Stunden am Tag, auch im Sommer-während der kontinuierliche Fernwärmebedarf sich nach den saisonalen Außentemperaturen richtet. Und die Lastprofile driften auseinander: der große Windstromanteil in Dänemark z.B. lässt dort sinnvollen KWK Betrieb nur mehr ganz selten zu. Weht der Wind und steht die KWK, so fehlt plötzlich die Wärme. Gerade im Sommer, wenn Wasserkraft viel billigen Strom liefert und gleichzeitig nur geringe Wärmelasten vorhanden sind, wird auch in Österreich der Betrieb von KWKs schwieriger.
Neue Wärmequellenkönnen Solar-Fernwärmekombinationen sein. Bereits um 1980 gab es in Skandinavien erste Solar- Fernwärmekombinationen, 1995 wurden die ersten Biomasse-Nahwärmenetze in Österreich mit Solar kombiniert und 2002 folgte der Schritt in die Stadt Graz: 1.416m² Sonnenkollektoren auf der Skatinghalle bei der Grazer UPC Arena liefern mit Konstanz seither Wärme in das städtische Netz.

Abbildung 2: 1.400 m² Solarkollektoren auf der UPC Arena speisen ins Grazer Fernwärmenetz ein (Quelle: www.solid.at)

Abbildung 3: Die größte Anlage zur Fernwärmeeinspeisung in Graz mit 5.600 m² Solarkollektoren befindet sich auf dem Gelände der AEVG (Quelle: www.solid.at)

Status der solaren Fernwärme in Graz

Heute speisen über 10.000 m² Kollektoren an drei Standorten ins Grazer Fernwärmenetz ein. Dabei werden Spitzenleistungen von über 5 MW erreicht, dies stellt ein Drittel der Sommerlast dar. Die weitere sommerliche Fernwärme kommt aus Industrieabwärme der Marienhütte (ca. 6 MW) sowie aus Gaskesseln (KWK + Heizkessel) der Steirischen Gas-Wärme.
Weitere 3.000 m² Kollektoren versorgen Subnetze mit insgesamt 1.000 Wohnungen. Dabei sind Pufferspeicher eingebunden, welche im lokalen Netz den Tagesertrag speichern können und so rund um die Uhr Solarwärme bereitstellen.
Die Pufferspeicher haben einen interessanten Zusatznutzen: In der Heizungsspitze im Winter können sie das Netz entlasten, wenn sie zuvor in Schwachlastzeiten, meist in der Nacht, mit Fernwärme vorgeheizt wurden. Eine Spitzeneinsparung von einem Drittel ist leicht möglich, bei ausgefeilter Regeltechnik könnten Siedlungen in der Spitze für einige Stunden sogar ganz vom Netz genommen werden und so Kapazität für Netzverdichtung freimachen.
Alle diese Projekte haben eines wirtschaftlich gemeinsam: Nicht der Energieversorger hat hier investiert, sondern unsere Unternehmensgruppe. Für all diese Anlagen bezahlen die Energieversorger pro erzeugter kWh- oder besser MWh – einen marktkonformen, nichtsubventionierten Preis.
Die Aufgabenteilung in Graz ist eine besondere Situation. Während die Energie Graz GmbH &CoKG das Wärmenetz betreut und für die gleichmäßige Verteilung der Wärme zuständig ist, haben die Produzenten ihre charakteristischen Hintergründe: Solarwärme wird eingespeist, wenn die Sonne scheint, Industrieabwärme hängt mit Produktionszyklen zusammen und KWK- Abwärme fällt dann an, wenn die Stromtarife, meist nachmittags, am attraktivsten sind. Um diese Energiequellen sinnvoll zu koordinieren, bedarf es entsprechender Speichervolumina und einer guten Abstimmung der Beteiligten.

Potential und Zukunft

Kleinstädte wie Marstal in Dänemark zeigen auf, welche Rolle Solarwärme übernehmen kann. 1.000 km nördlich von Graz werden bald 40% des städtischen Wärmebedarfs mit Sonnenenergie gedeckt.
Doch geht das auch in größeren Einheiten? Graz weist laut Solardachkataster [Quelle:DI Anneliese Kapfenberger-Pock, Magistrat Graz] rund 5.6 Mio m² sehr gut oder gut geeignete Dachflächen für Solarkollektoren auf. Dabei sind beschattete Flächen ebenso ausgeschieden wie Altstadtbereiche oder Kleinflächen.
Mit dieser Fläche lassen sich schon mit heutiger Kollektortechnik über 2.000 GWh Solarwärme gewinnen- diese Zahl entspricht dem gesamten Grazer Wärmebedarf für Heizung und Warmwasser, knapp die Hälfte davon wird über das städtische Fernwärmenetz abgedeckt.
Ein Zukunftsszenario bietet noch mehr. Fortschreitende Wärmedämmung verringert den Wärmebedarf der Stadt, moderne Heizungsanlagen senken die Rücklauftemperaturen in zentralen Netzen und verbesserte Kollektoren ziehen daraus Vorteil.
Konkret könnte ein auf die Hälfte reduzierter Wärmebedarf (also 1.000 GWh) mit modernen Abgabesystemen bereits von ca. 2 Mio. m² Sonnenkollektoren versorgt werden- also etwa einem Drittel der „solargeeigneten“ Dächer. Somit bleibt für andere Solartechnologien genug Platz, um Strom zu erzeugen.
Es bleibt als Herausforderung noch die Speicherung der sommerlichen Überschusswärme für den Winter. Beim Speicher ist Größe Trumpf: je größer der Speicher, desto geringer das Verhältnis Oberfläche zu Volumen, umso geringer die Baukosten und umso kleiner die Wärmeverluste.
Diese Speicher können heute bereits sinnvoll in das Abwärmemanagement eingebunden werden. Industrieabwärme kann genauso wie KWK Abwärme gespeichert und dann, wenn diese benötigt wird, in das städtischen Fernwärmenetz eingespeist werden.
Wenn künftig das Abwärmeaufkommen sinkt, weil industrielle Prozesse effizienter werden oder Stromerzeugung weniger KWK Anteil hat, können Solarkollektoren diese Lücke Stück für Stück auffüllen.

Wirtschaftlichkeit

Die durch diese Konzepte erreichbaren Kosten sind durchaus mit den heutigen Energiekosten vergleichbar. Betrachtet man die Investitionen als Infrastruktur auf einen Zeitraum von 25 Jahren ohne Förderung, liegen die Kosten pro erzeugter und gespeicherter kWh weniger als 20% über jenen Tarifen, zu denen heute Wärme für Graz eingekauft wird. In beiden Fällen sind dieselben Kosten für das Verteilnetz hinzuzurechnen, um dann zu den Endkundenpreisen zu kommen.
Dazu kommt der Nutzen des Speichers in der Übergangsphase zur solaren Versorgung, dadurch wird sonst wertlose Abwärme plötzlich nutzbar und wertvoll.
Die Kosten der Solarwärme sind praktisch ausschließlich Kapitalkosten für die Finanzierung, und diese sind über die Jahre konstant, was man von den Kosten fossiler (Ab-)wärme nicht behaupten kann. Somit ergibt sich, dass bei einem weiteren Anstieg der Wärmepreise hier bald eine marktwirtschaftlich umsetzbare Alternative vorliegt, wenn auch mit organisatorischen Herausforderungen vieler Einzelsolarflächen.

Pitagoras

Einen konkreten Schritt in diese Richtung werden wir in Graz bald setzen: Das oben skizzierte Konzept im „Kleinen“ – mit immerhin 70.000 m³ Speicher und zusätzlichen 10.000 m² Sonnenkollektorfläche - soll im Zuge eines Projekts des 7. Rahmenprogramms der EU- Smart Cities in Graz als Leuchtturmprojekt mit EU- Förderung 2013 bis 2015 umgesetzt werden. Gespräche mit der Stadt und den Energieversorgern laufen bereits.

*) Dr. Christian Holter ist Gründer und Geschäftsführer der S.O.L.I.D. Gesellschaft für Solarinstallation und Design mbH (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) [^]

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