Zeitschrift EE

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2012-02

Solarthermie

Abbildung 1: Neue Messehalle auf der Anlage errichtet wurde (Quelle: Welser Messe International)

Auf dem Dach der Messehalle in Wels/Österreich ging am 12. Mai 2011 mit ca. 3.400 m² Kollektorfläche (2 Megawatt Leistung) die derzeit größte Vakuumröhren-Druckkollektor-Solaranlage in Betrieb, die Wärme in ein örtliches Fernwärmenetz speist. Im Sommer kann bei geringer Wärmelast im Fernwärmenetz der Solaranteil zeitweise bis zu über 50 % betragen. Die Solaranlage wurde von den Elektrizitätswerken Wels beauftragt, von der MEA Solar GmbH in Wels gebaut und von der Ritter XL Solar GmbH geplant und geliefert.

Solaranlage zur Unterstützung der Fernwärme in Wels

Von Kurt Leeb und Rolf Meißner *

Rahmenbedingungen

Die Region Wels hat sich bereits sehr erfolgreich zum Thema Erneuerbare Energien positioniert. Mit den realisierten Bauprojekten, den in der Region vorhandenen Unternehmen, den Forschungs- und Entwicklungsinstituten und der Energiesparmesse wurde das Fundament für eine Vorzeigeregion bereits gelegt. Auf dieses Fundament wird nun aufgebaut, mit dem Ziel, die Stadt Wels möglichst unabhängig von fossilen Energieträgern werden zu lassen.
Die Fachhochschule Wels wurde mit einem innovativen, energieeffizienten Kühlsystem, Photovoltaik und Solarthermie ausgestattet. St. Franziskus, auch bekannt unter der Bezeichnung „Kraftwerk Gottes“, wurde als erste Kirche in der Passivhausbauweise errichtet und verfügt damit über eine hundertprozentig erneuerbare Energieversorgung, alle Neubauten der Stadt Wels müssen in Passivhaus – Bauweise errichtet werden, um nur einige zu nennen. Die neue Messehalle auf dem Messegelände in Wels wurde ebenfalls in Passivhaus-Bauweise errichtet und bereits in der Planung wurde auf eine solarthermische Großanlage Rücksicht genommen (Abbildung 1).

Die Vorgaben für diese Anlage waren klar definiert:

  • Möglichste hohe solare Deckungsrate im Sommerbetrieb
  • Errichtung auf der neuen Messehalle der Messe Wels mit großem Platzangebot für die Anlage
  • Vollbelegung des Daches, um möglichst hohe solare Erträge zu erzielen
  • Keine Dachdurchdringung des Flachdaches
  • Geringer Platzbedarf im Technikraum
  • Einspeisung in den Vorlauf des Fernwärmenetzes
  • Finanzierung über ein Contracting- System, das heißt Augenmerk auf höchste Erträge

Rahmenbedingungen aus der Sicht des Planers

An der Fernwärmeanlage durfte nichts verändert werden, die Solaranlage hatte sich den gegebenen
Verhältnissen vollständig unterzuordnen. Die Anlage muss unter allen Umständen eigensicher sein, zum Beispiel auch bei Stromausfall, wenn die Fernwärme einmal unangekündigt wegen Wartungsarbeiten abgesperrt wird oder wenn Aggregate wie Pumpen ausfallen. Da es sich bei Solaranlagen, die mit Wasser und ohne Frostschutzmittel arbeiten, um eine derzeit noch wenig verbreitete Technik handelt, war die Ausführungsplanung eine große Herausforderung.
Anfangs wurde eine wesentlich bessere Ausnutzung der Dachfläche gefordert. Einwände des Statikers, Schneeräumgassen und großzügige Dachkantenabstände reduzierten die ursprünglich geplante Kollektorfläche jedoch um rund 20 Prozent. Der laufende Messebetrieb durfte nicht gestört werden. Deshalb durften viele Arbeiten nur jeweils zwischen den Messen verrichtet werden und zu Messezeiten musste jede sicht- oder hörbare Baustelle weitgehend wieder beseitigt werden, was zu einer relativ langen Bauzeit führte.

Abbildung 2: Neue Messehalle mit großen Spannweiten (Quelle: Welser Messe International)

Herausforderungen und Lösungen

Der Platz für die Haustechnik wie Pumpen, Ventile, Ausdehnungsvorrichtungen ist auf einen einzigen Raum mit rund 50 Quadratmeter begrenzt. Ein Wärmespeicher oder eine automatische Druckhaltestation kam deshalb gar nicht erst in Frage. Das Wärmenetz selbst ist der beste Solarspeicher. Die Ausdehnung des Wassers der Solaranlage erfolgt größtenteils ins Netz. Nur in ganz speziellen Situationen treten drei Membranausdehnungsgefäße mit je 500 Litern in Aktion.
Da in der Solaranlage Wasser fließt, konnten alle Leitungsquerschnitte und Armaturen eine Dimension kleiner gewählt werden, als es mit einem Frostschutzgemisch notwendig gewesen wäre.
Der Druck im Welser Netzrücklauf kann im Winter unter den statischen Druck absinken, der aufgrund der Höhe des Messedachs als Mindestarbeitsdruck notwendig ist. Damit im Solarkreis ein höherer Druck und eine hohe Siedetemperatur eingestellt werden kann, wurde ein Wärmetauscher notwendig, obwohl auf beiden Seiten das gleiche Wasser fließt. Auch hier ist die Wassertechnik
vorteilhaft, denn mit einem Frostschutzgemisch in den Kollektoren müsste der Wärmetauscher mindestens dreimal so groß sein.
Es sind ganzjährig hohe Einspeisetemperaturen von mindestens 85 Grad Celsius notwendig, im Winter werden bis 115 Grad Celsius gewünscht. Um dann noch nennenswerte Erträge erbringen zu können, fiel die Wahl auf CPC-Vakuumröhrentechnologie, welche in diesem Temperaturbereich eine bedeutend höhere Leistungsdichte erbringt als andere Sonnenkollektortechniken.
Das Messedach weist leider nicht exakt nach Süden, sondern zirka 45 Grad nach Südwest. Außerdem liegt es immer zu etwa zehn Prozent im Schatten seines Tragwerks und von Gebäudeteilen. Auch hier ist CPC-VRK die beste Wahl, denn diese Technik hat die geringsten Leistungseinbußen bei Abweichungen von der Ausrichtung nach Süden und bei Abweichungen des Sonnenstandes vom
Mittagspunkt.
Zwischen den Messedächern bestehen Höhenunterschiede von zirka zehn Metern. Um möglichen Schwerkraft-Fehlzirkulationen innerhalb des Kollektorfeldes vorzubeugen, wurde es in ein rund 15 Meter hohes 3.000-Quadratmeter-Feld (Abbildung 3) und in ein 25 Meter hohes 400-Quadratmeter-Kollektorfeld unterteilt.

Abbildung 3: Unteres Kollektorfeld 3000 m² (Quelle: MEA Solar GmbH)

Im Winter ist mit Fernwärme-Druckdifferenzen bis neun bar zu rechnen. Der Druckabfall im Kollektorfeld beträgt seinerseits etwa 1,5 bar. Deshalb wurde zwischen der Solaranlage und dem Fernwärmenetz eine hydraulische Weiche gesetzt, die in etwa zweieinhalb Minuten gefüllt und wieder geleert werden kann. Zum Einspeisen der Solarwärme aus der Weiche ins Netz wurden zwei Pumpen in Reihe geschaltet. Bis zu einer Druckdifferenz von fünf bar hält nur eine Pumpe den Volumenstrom von ca. 65 Kubikmeter pro Stunde aufrecht, dann muss die zweite nachhelfen. Für Pumpen und Ventile der Solaranlage kommen effektiv nur ca. 6,5 Megawattstunden (MWh) (bzw. 0,5 Prozent) an Elektroenergie zum Einsatz. Für die Einspeisung ins Netz fallen jedoch wegen der hohen Druckdifferenzen zusätzlich ca. 20 MWh an. Allerdings wird exakt dieselbe Pumpenenergie in der Fernwärmezentrale wieder eingespart, wenn die Solaranlage das Heizwerk unterstützt.
Es darf zu keiner Zeit Luft in die Fernwärmeleitungen gelangen oder Fernwärmewasser verlorengehen und alles Wasser, das zurück in die Fernwärme geht, muss entgast werden. Deshalb wird das Kollektorfeld nach der Befüllung und im weiteren Betrieb immerzu automatisch und sensorisch kontrolliert entgast. Trotzdem sind die Befüllung mit Fernwärmewasser und die Inbetriebnahme so einfach, dass sie ein einziger Ingenieur in ein bis zwei Stunden bequem leisten kann. Dabei gibt es in der gesamten Anlage nur einen einzigen Punkt zur Entlüftung, das ist die hydraulische Weiche.
Das Kollektorfeld ist dagegen völlig frei von Armaturen wie Entlüftern, Drosseln, Stellventilen und dergleichen mehr. Das ist wichtig für eine lange Lebensdauer, für den optimalen Betrieb, für die Frostsicherheit und für eine bequeme Inbetriebnahme des Kollektorfeldes (Abbildung 4).
Die Solaranlage muss eigensicher sein gegen thermische Stagnation, auch bei Stromausfall. Sie wurde deshalb so berechnet und dimensioniert, dass bei beginnendem Sieden das Wasser sehr rasch aus den Kollektoren gedrückt wird und den weiteren Umständen entsprechend entweder standardmäßig vom Netz oder ersatzweise von den Ausdehnungsgefäßen aufgenommen wird. Es wurde zur Inbetriebnahme mittags bei wolkenlosem Himmel im Test festgestellt, dass dieser Vorgang völlig geräuschlos und ohne Fremdenergie innerhalb weniger Minuten erfolgt. Danach befüllt sich die Anlage wieder von selbst und arbeitet weiter wie zuvor. Falls einmal das Fernwärmenetz wegen Reparaturarbeiten abgesperrt wird und die Anlage deshalb in den thermischen Stillstand wechselt, nimmt ein Auffangbehälter dieses Wasser auf, aus dem es später automatisch wieder zurückgepumpt wird. Das Kollektorfeld könnte auch "heiß gestartet" werden, wenn sich in den Kollektoren überhitzter Dampf mit einer Temperatur von bis zu über 300 Grad Celsius befindet.
Die Anlage muss frostsicher sein, auch bei Stromausfall. Im Normalbetrieb werden kleine Wärmemengen in die Solaranlage gepumpt, um sie frostfrei zu halten. Dazu werden voraussichtlich maximal 50 MWh (gut drei Prozent des Solarertrages) benötigt. Bei einem Stromausfall sorgt eine unterbrechungsfreie Stromversorgung für den Frostschutz der Anlage. Diese benötigt weniger als 100 Watt elektrische Leistung, denn die Arbeit der Pumpen übernimmt bei einem Stromausfall bei Frostgefahr automatisch das Welser Wärmenetz.

Abbildung 4: Verrohrung Kollektorfeld (Quelle: MEA Solar GmbH)

Kosten und Rentabilität

Die Gesamtkosten der Anlage belaufen sich auf etwa 2 Millionen Euro. Die Anlage wurde mit Mitteln der KPC Kommunalkredit Public Consulting und des Landes Oberösterreich zu ca. 30% gefördert.
Etwa die Hälfte davon kosteten die Kollektoren samt Aufständerung, Verbindungs- und Anschlusstechnik, Regelung und Sensorik sowie die gesamte Planung. Die andere Hälfte wurde für die Unterkonstruktion der Kollektoren, die Rohre und Kompensatoren, die Pumpen, Ventile, Ausdehnungsgefäße, die hydraulische Weiche, für die thermische Isolierung aller Komponenten sowie für die gesamte elektrische und hydraulische Installation gebraucht.
Trotz der Kollektorfeldausrichtung nach Südwest und einer ganzjährig vorherrschenden Verschattung durch Gebäude und die Tragkonstruktion des Hallendaches werden als Systemertrag mindestens 1.500 MWh pro Jahr erwartet.
In 20 Jahren Betriebszeit ergibt dies etwa 30 Gigawattstunden beziehungsweise einen Energiepreis von knapp 43 Euro pro MWh (nicht inflationsbereinigt). Auch werden sich die zu erwartenden Gaspreiserhöhungen positiv auf die Energiekosten der Solaranlage auswirken.
Da ein beträchtlicher Anteil der Kosten in reiner Forschungs- und Entwicklungsleistung für dieses eine Großprojekt bestand und auch bei der Installation am Dach durch die komplexen Voraussetzungen der Messehalle zusätzliche Kosten entstanden sind, können die solaren Energiekosten unter anderen Voraussetzungen noch deutlich unter den angegebenen Wert gedrückt werden.

Abbildung 5: Ballastierung (Quelle: MEA Solar GmbH)

Zusammenfassung

Die solare Fernwärmeanlage in Wels ist in vielerlei Hinsicht eine Vorzeigeanlage. Weltweit wurde noch keine größere Vakuumröhrenanlage errichtet und die Rahmenbedingungen durch die Messehalle und deren Bauweise, sowie die hohen Anforderungen bei der Einspeisung ins Fernwärmenetz haben allen Beteiligten gefordert. Für künftige Anlagen in dieser Dimension kann auf dieses Wissen zurückgegriffen werden, denn für solare Großanlagen bietet die Einspeisung in ein System, das die gesamte gelieferte Wärme abnimmt, optimale technische und ökonomische Voraussetzungen.

*) DI Dr. Kurt Leeb ist Geschäftsführer der Firma MEA Solar GmbH (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Dr. rer. nat.
Rolf Meißner, Paradigma XL Solar (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) [^]

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