Zeitschrift EE

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2012-03

 

Solarthermie

Kühlturm vor dem Gebäude der Feistritzwerke in GleisdorfAbbildung 1:Kühlturm vor dem Gebäude der Feistritzwerke in Gleisdorf (Quelle aller Bilder: AEE INTEC)

In Gleisdorf wurden innerhalb der letzten vier Jahre zwei solare Heiz- und Kühlanlagen in Bürogebäuden – Feistritzwerke und Rathaus/ServiceCenter– installiert. Beide Anlagen wurden im Rahmen des Projekts „HighCombi“ errichtet und mit einem umfangreichen Monitoringsystem – nach IEA SHC Task38 Monitoring Prozedur – ausgestattet und sind Teil der Projekte „SolarCoolingMonitor“ und „SolarCoolingOpt“ (siehe [1]-[6]). Dieser Beitrag konzentriert sich in weiterer Folge auf die Anlage im Bürogebäude der Feistritzwerke-Steweag.

Anlage Bürogebäude Feistritzwerke

Von Martin Vukits, Florian Altenburger und Alexander Thür *

Solares Kühlen von Bürogebäuden Erfolge und Optimierungspotentiale

Für das Bürogebäude der Feistritzwerke Steweag produziert das System seit Juni 2010 Kaltwasser zur Gebäudeklimatisierung. Dies erfolgt mittels einer PINK PC19 Ab­sorptionskälte­maschine mit Ammoniak/Wasser als Arbeitsstoffpaar und einer Nenn­kälteleistung von 19 kW, was in etwa der Kühllast des Gebäudes entspricht. Das Systemkonzept basiert auf einer dynamischen Regelung der Kälte­leistung der AKM ohne Kaltwasserspeicher. Dies wird durch die Regelung der Massen­ströme und Temperaturen des Generator- und Rückkühlkreises sowie die Regelung der Dreh­­zahl des Kühlturmventilators realisiert. Ziel dieser Strategie ohne Kaltwasserspeicher ist eine effizientere Betriebsweise der Kaltwassererzeugung. Als Rückkühlung des Kälteprozesses fungiert ein offener Nasskühlturm mit einer Nenn­leistung von 57 kW. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, die Tiefensonden der Wärmepumpe als Wärmesenke für das „Freecooling“ mit bis zu 4 kW Kälteleistung zu verwenden.

olarthermische Energie wird durch ein Kollektorfeld mit einer Flä­che von 64 m² generiert und in einen Hochtemperaturspeicher mit einem Volu­men von 2 m³ mittels einer Lanze eingeschichtet. Vier weitere 2-m³-Speicher dienen als zusätzliche Niedertemperaturspeicher. Weil neben dem Bürogebäude und Lager­hallen auch ein Nahwärmenetz mit Wärme versorgt wird, stehen dem System mehrere Energie­erzeuger zur Verfügung. Es sind dies ein mit Erdgas befeuertes (Lion) und zwei mit Pflanzenöl betriebene Blockheizkraftwerke (BHKW), ein Gas-Brennwert­kessel und ein Prototyp einer Tiefensonden-Hochtemperaturwärmepumpe. In Abbildung 2 ist das Systemkonzept der solaren Heiz- und Kühlanlage ersichtlich.

Abbildung 2: Systemkonzept Feistritzwerke

Monitoring

In Abbildung 3 sind die primärenergetischen Einsparungen (f_sav) des Systems als Monatswerte dargestellt. Diese sind für das konkrete System (f_sav Messdaten) und ein theoretisch zu 100% fossil betriebenes System (f_sav 100%_fossil), dargestellt. Positive Werte bedeuten Primärenergieeinsparungen der Anlage gegenüber dem Referenzsystem, negative Werte bedeuten höheren Primärenergieaufwand gegenüber dem Referenzsystem. Im Referenzsystem sind eine Kompressionskältemaschine mit einer Arbeitszahl von 2,8 und ein Gasbrennwertkessel mit einem Jahresnutzungsgrad von 0,95 definiert. Das betrachtete System der Feistritzwerke weist von Oktober 2010 bis September 2011 eine jährliche Primärenergieeinsparung von 50% (BHKW stromgeführt) bzw. 84% (BHKW wärmegeführt) auf. Die Energiebereitstellung erfolgte in diesen 12 Monaten zu 38% mit Erdgas und 62% mit erneuer­baren Energieträgern (Solaranlage bzw. Pflanzenöl-BHKW). Würde das System ohne die CO2-günstigen Pflanzenöl-BHKW ausschließlich mittels dem fossil befeuerten Gasbrennwertgerät betrieben werden, würde die jährliche Primär­energieeinsparung auf (minus!) -36% fallen! Dies zeigt deutlich die enorm negativen Auswirkungen fossiler Energieträger auf die primärenergetische Gesamteffizienz des thermisch angetriebenen Kühlsystems und legt die Verwendung einer Kompres­sions­kältemaschine als Backup nahe, sollte die Kühllast zu 100% gedeckt werden.

Abbildung 3: Monatliche Primärenergieeinsparungen gegenüber einem Referenzsystem basierend auf erneuerbaren (Messdaten) und fossilen (100% fossil) Energieträgern

Simulation

Das solare Heiz- und Kühlsystem und seine Komponenten wurden in der Simulations­umgebung TRNSYS modelliert und mit den vorhandenen Messdaten validiert. Im Referenzmodell spiegelt sich praktisch die reale Anlage wieder. Es sind sämtliche Regelstrategien der hydraulischen Kreise, deren Leistungsabgabe, etc. exakt definiert und der realen Anlage nachgebildet. Mit Hilfe dieses Modells konnten ver­schiedene Systemvarianten durchgeführt bzw. theoretische Optimierungsmaß­nahmen betrachtet werden.

Als wesentliches Problem hat sich der verfügbare TRNSYS Typ für die Ab­­sorptions­kältemaschine herausgestellt. Wie Abbildung 4 zeigt, ergaben sich für den thermischen COP der Anlage (COP_w_tm) deutlich zu hohe Werte im Bereich von 0,8 bis 0,95, während die gemessenen Werte (COP_Ms) im Bereich von 0,45 bis 0,6 liegen. Dementsprechend gering ist in diesem Fall auch die Energie im Austreiberkreis der Absorptionskältemaschine. Durch das Hinzufügen eines „fiktiven“ völlig durchmischten Wasserspeichers im Austreiberkreis mit einer thermischen Kapazität von 130 Liter Wasser und ver­gleichs­weise schlechter Dämmung konnte eine verhältnismäßig gute Nach­bildung der Absorptionskältemaschine erreicht werden, wie die letztendlich er­reichten Werte für den COPth (COPth_Sim) und die damit erzielten Energie­bilanzen zeigen.

Bei dieser Anlage sind auch die thermischen Verluste nicht außer Acht zu lassen. Durch insgesamt fünf Speicher mit jeweils 2 m³ Volumen entstehen in den jeweiligen Monatsbilanzen thermische Verluste zwischen 20 und 50 % des gesamten Energieinputs in das System. Diese Verluste sind nicht nur durch die Speicher (Verluste_St_Sim) bedingt sondern auch durch die langen Rohrleitungen (Ver­luste_Pi_Sim) von der Energieerzeugung bis hin zu den Speichern.

Abbildung 4: Vergleich der monatlichen Bilanz zwischen Simulation und Messung, 2011

Basierend auf dem Referenzsystem wurden Optimierungsvarianten aufgestellt und in entsprechende Modelle implementiert. Diese unterscheiden sich grundsätzlich in der Größe des Speichervolumens und dessen Dämmqualität, in der Höhe der Rückkühl­temperatur und in der Größe des Kollektorfeldes. Die Kollektorflächen liegen zwischen 40 und 200 m² und die Speichervolumina betragen zwischen 2 und 10 m³.

Die Simulationsergebnisse zeigen, dass eine einfache Optimierungsmaß­nahme die Reduktion des Speichervolumens von 10 auf 2 m³ wäre. Diese Maß­nahme würde zur Erhöhung der jährlichen Energieeinsparung um ca. 9 % führen. Würde der Speicher noch deutlich besser gedämmt werden, könnten knapp 20 % der Nachheiz­energie eingespart werden. Kombiniert mit einer Vergrößerung der Kollektorfläche von der­zeit 64 m² auf 100 m² würde die Energieeinsparung um lediglich zwei Pro­zent­punkte steigen. Die wesentlichste Energieeinsparung liegt somit bei der Verwendung eines gut gedämmten 2 m³ Speichers.

Erkenntnisse

Die Effizienz der solaren Heiz- und Kühlanlage im Bürogebäude der Feistritzwerke Steweag liegt durchaus im Bereich des Erwarteten. Die monatlichen thermischen Arbeitszahlen lagen seit der Inbetriebnahme zwischen 0,53 und 0,64 und die elektrischen Arbeitszahlen zwischen 4,6 und 5,9. Wird die Anlage mit einem konventionellen Referenzsystem verglichen, so ist eine primärenergetische Einspar­ung von 50 % erzielt worden. Verglichen mit den in der IEA SHC Task38 analysierten Anlagen liegen die Werte der Arbeitszahlen und Primärenergie­einsparung im oberen Spitzenfeld [4]. Eine genauere Analyse der Messdaten zeigte jedoch auch ein gewisses Maß an Optimierungspotential der Anlage.

Optimierungen

Es wurden Optimierungsmaßnahmen abgeleitet, die durch das Monitoring und aus der Simulationsstudie ersichtlich wurden:

  • Änderung der wirksamen Temperaturdifferenz der übergeordneten Regelung, wodurch eine sinnvolle Umschaltung vom AKM- in den „Freecooling“ Betrieb ermöglicht wird und die dynamische Leistungsregelung der AKM zur Geltung kommen kann.
  • Für die nächste Kühlperiode ist die Installation einer konventionellen Wasser­auf­bereitung geplant. Diese soll aufgetretene Probleme entschärfen.
  • Eine Reduktion der Speicheranzahl von fünf auf lediglich einen 2 m³ Puf­fer­speicher kann einfach durch das Schließen von Absperrventilen realisiert werden. Dies und eine Verbesserung der Dämmqualität und- stärke würde über ein ganzes Jahr gesehen zu einer 20 %-igen Reduktion von Nachheiz­energie führen.
  • Eine Vergrößerung der Fläche der Deckenkühlung würde zusätzlich zu einer Steigerung der Behaglichkeit führen.

Für die solarthermische Kälteerzeugung sind der COPel mit 5,1 und der COPth mit 0,6 als saisonale Werte über den gesamten Sommer 2011 trotz der beschriebenen Kom­pli­kationen in einem guten Bereich und es besteht Potential, besonders den COPel durch Beseitigung der vorhandenen Probleme im Rückkühlkreis noch deutlich zu verbessern. Diese Optimierungsmaßnahmen sollen zu einer Stei­gerung der Primärenergieeinsparung führen. Der weitere Verlauf des Projektes „Solar­­Cooling­Opt“ wird dies zeigen [6].

Referenzen

  1. Vukits, M., Altenburger, F., Thür, A., (2011) Seminar - Solares Heizen und Kühlen Ergebnisse Nationaler und Internationaler Projekte, HighCombi Anlagen im Bürohaus der Feistritzwerke Gleisdorf, Graz, Österreich, http://www.aee-intec.at/0uploads/dateien778.pdf
  2. Thür, A., Altenburger, F., Vukits, M., (2011) Seminar - Solares Heizen und Kühlen Ergebnisse Nationaler und Internationaler Projekte, Simulation und 3 Jahre Betriebserfahrung der HighCombi Anlage im Rathaus und Servicecenter Gleisdorf, Graz, Österreich, http://www.aee-intec.at/0uploads/dateien773.pdf
  3. High Combi, High solar fraction heating and cooling systems with combination of innovative components and methods, http://www.highcombi.eu/
  4. IEA SHC Task38, Solar Air-Conditioning and Refrigeration, http://www.iea-shc.org/task38/
  5. SolarCooling Monitor, Evaluierung Energieeffizienz und Betriebsverhalten von solarthermischen Kühlanlagen zur Gebäudekühlung in Österreich, http://www.hausderzukunft.at/results.html/id5973
  6. SolarCooling Opt, Primärenergetische Optimierung von Anlagen zur solaren Kühlung mit effizienter Anlagentechnik und innovativen Regelstrategien, http://www.klimafonds.gv.at/unsere-themen/forschung/new-themenprojekt
  7. SOLAIR, Increasing the Market Implementation of Solar Air-Conditioning Systems, http://www.solair-project.eu/
  8. SolarCombiPlus, Solarthermal domestic hot water heating & space heating & space cooling, http://www.solarcombiplus.eu/
  9. IEA SHC Task48, Quality Assurance and Support Measures for Solar Cooling, http://www.iea-shc.org/task48/

*)DI (FH) Martin Vukits und DI Florian Altenburger sind Mitarbeiter des Bereichs Solarthermische Komponenten und Systeme von AEE INTEC, Dipl.-Ing. Ph.D. Alexander Thür ist Mitarbeiter am Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften der Universität Innsbruck, Arbeitsbereich Energieeffizientes Bauen (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) [^]

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