Zeitschrift EE

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2012-04: Zukunftsfähige Kollektortechnologien

EINSTEINs Erfolge zur CO2 Reduktion in Europas Industrie - Evaluierung von 72 Energie-Audits

Im Rahmen des IEE Projektes EINSTEIN II wurden in 10 europäischen Ländern insgesamt 72 Energie-Audits in Industriebetrieben und großen Gebäuden mit hohem thermischen Energiebedarf (Bürogebäude, Spitäler, etc.) durchgeführt. Dabei wurden umsetzungsnahe Maßnahmen zur Energieeffizienz und zum Einsatz von erneuerbarer Energie identifiziert und eine Basis zur Umsetzung gegeben.

Von Jürgen Fluch und Christoph Brunner *

EINSTEIN – Methode und Software

Die Idee von EINSTEIN war die Entwicklung einer Methode und Software zur raschen Identifizierung von möglichen Einsparungspotentialen in Industriebetrieben sowie großen öffentlichen Gebäuden. Dabei sollten vor allem der Zeit- und Kostenaufwand für den untersuchten Betrieb reduziert werden, was im Wesentlichen in zwei Hauptansätzen erreicht wurde. Zum einen ist das die Standardisierung von Energieaudits durch die Definition von 10 EINSTEIN Auditschritten, die den Ablauf eines Audits von der Kontaktaufnahme mit der Firma, der Datenerhebung und die Entwicklung und Bewertung von Alternativvorschlägen bis zur Erstellung des Berichts begleitet. Zum anderen passiert dies durch die Verwendung der EINSTEIN Software, die ab dem Zeitpunkt der Darstellung des Ist-Zustandes des Energieverbrauchs des produzierenden Betriebes sowie eines Gebäudes bis hin zur Berichtserstellung verwendet wird.

Die Methode und Software für thermische Energie-Audits stellt in einem ersten Schritt den Ist-Zustand dar und bewertet diesen hinsichtlich der energieintensivsten Energieströme und Prozesse und der Erzeugung von Wärme und Kälte sowie deren Verteilung. Im zweiten Schritt werden Potentiale zur Prozessoptimierung sowie vor allem Wärmerückgewinnung und somit Effizienzsteigerung erfasst und mithilfe der Pinch Analyse Umsetzungskonzepte zur Wärmeintegration definiert. Im letzten Schritt wird die Energieversorgung untersucht und der Fokus auf den Einsatz erneuerbarer Energien zur Substitution fossiler Energieträger gelegt. Durch die standardisierte EINSTEIN Audit Methode und im Hintergrund angewandte Modelle und Algorithmen können Prozesse abgebildet und der Aufwand für ein Energie-Audit sowohl zeitlich als auch monetär deutlich reduziert und gleichzeitig die Qualität auf einem sehr hohen Niveau gehalten werden.

Durchführung von Audits

Im Rahmen des IEE Projektes wurden in den Ländern Österreich, Deutschland, Irland, Großbritannien, Luxemburg, Frankreich, Slowakei, Bulgarien, Spanien und Italien insgesamt 72 Energieaudits durchgeführt. Dabei wurden zwei Ziele verfolgt. Zum einen sollte die Entwicklung der Software auf reale Anforderungen in Audits abgestimmt und Module entsprechend weiter entwickelt werden. Zum anderen sollten Maßnahmen zur Optimierung der Energieeffizienz und der Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien dargestellt werden, um nicht nur in den beteiligten Firmen einen Anstoß zur Umsetzung zu geben.

Die Firmen-Akquisition wurde Großteils von den lokalen Partnern durchgeführt. Zielfirmen waren produzierende Betriebe sowie öffentliche große Gebäude (Bürogebäude, Spitäler, etc.) mit einem großen thermischen Bedarf, die das Angebot eines zu 100% geförderten Schnell-Audits annehmen wollten. Das stellte eine große Herausforderung dar, weil die Erwartungen in ein „Gratis-Audit“ zum einen gering und die Bereitschaft dafür Zeit zu investieren zum Teil sehr limitiert waren.

In einem ersten Schritt wurden die Grunddaten (Email, Checkliste, Fragebögen) und im Rahmen von Firmenbesuchen alle notwendigen Betriebs- und Detailparameter erhoben. Dabei wurden die Prozesse selbst anhand ihres Energiebedarfs (Leistung, Temperaturniveau, Betriebszeiten, Prozessmedien) und darauf aufbauend die Energieversorgung (Erzeugung und Verteilung) spezifiziert. Diese Darstellung erfolgte bereits in der EINSTEIN Software und gab dem Auditor die Möglichkeit, die Ergebnisse sofort mit dem Betrieb zu diskutieren und zu verifizieren.

Im nächsten Schritt wurden Potentiale zur Effizienzsteigerung anhand von Prozessoptimierungen (Technologien, Prozessparameter) mithilfe von Benchmark-Vergleichen und Literaturrecherche und die Möglichkeit von Wärmerückgewinnung im Betrieb erfasst. Für letzteres steht in der EINSTEIN Software ein Modul zur Verfügung, dem ein eigens für EINSTEIN entwickelter Pinch-Algorithmus hinterlegt ist. Damit wird das theoretische Potential eines Wärmetauschernetzwerks errechnet und die möglichen sinnvollen Wärmetauscher übersichtlich dargestellt. Nach einer Evaluierung der vorgeschlagenen Maßnahmen (lokale Begebenheiten) werden die vorgeschlagenen Wärmetauscher automatisch in das Gesamtkonzept übernommen und die Einsparungen berechnet. Aufbauend auf dem damit restlichen Energiebedarf wird das Energieversorgungssystem neu modelliert. EINSTEIN bietet dabei die Möglichkeit der Substitution vorhandener ineffizienter Wärme- oder Kälteanlagen durch effiziente Anlagen, die Integration von Solarthermie sowie die Installation von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, Biomassekessel, Wärmepumpen und effizienter Kälteanlagen. In den durchgeführten Audits wurden diese Möglichkeiten auch miteinander kombiniert, um eine möglichst hohe Gesamteffizienz zu erreichen.

Die Erstellung verschiedener Alternativen wurde in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Betrieben durchgeführt, um zum einen auf die Bedürfnisse der Firmen eingehen zu können und zum anderen eine möglichst hohe Wahrscheinlichkeit der Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen zu erreichen. Die erarbeiteten Vorschläge wurden schließlich in EINSTEIN einander gegenüber gestellt und im Vergleich mit dem Ist-Stand evaluiert. Diese Bewertung basiert auf drei Hauptkriterien:

Bei der Energetischen Evaluierung wird die erreichte Einsparung an Primär- und Endenergie betrachtet, wobei der Energiebedarf sowohl über den gesamten Betrieb als auch auf die einzelnen Prozesse und Temperaturniveaus herunter gebrochen dargestellt wird. Die Ökologische Evaluierung erfasst die Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auf CO2-Emissionen sowie mögliche Abfallströme aufgrund der zur Verfügung zu stellenden Energie. In der Ökonomischen Evaluierung werden notwendige Investitionskosten sowie Auswirkungen auf die jährlichen Energiekosten dargestellt und in die Berechnung des Amortisationszeitraums aufgenommen. Diese Evaluierung ist zumeist die für den Betrieb ausschlaggebende, ob eine Maßnahme umgesetzt werden kann oder nicht.

 

In allen 72 Betrieben wurden die Ergebnisse der Audits schließlich im Rahmen von Präsentationen bei den Firmen Vorort vorgestellt und diskutiert, wobei dieser Schritt wenn notwendig von lokalen Partner unterstützt wurde.

Evaluierung der Audits

Im Rahmen des Projektes wurden 52 Industriebetriebe und 20 öffentliche Gebäude mit großem thermischem Bedarf untersucht. Naturgemäß ergibt sich daraus eine sehr breite Streuung von ausgewählten Fallstudien aus sehr unterschiedlichen Sektoren mit sehr unterschiedlichen Betriebsgrößen bzw. Energiebedarf. In Abbildung 1 ist ersichtlich, dass mit 47% der Großteil der Firmen aus dem Lebensmittelbereich (Brauereien und Lebensmittelindustrie) stammt, gefolgt von Gebäuden (28% - Krankenhäuser, Bürogebäude, Universitäten) und produzierenden Betrieben (10%). Der Rest kommt aus den Sektoren Pharma- und Chemieindustrie (8%) und Wäschereien (7%). Dabei reicht die Bandbreite von sehr kleinen Betrieben mit einem jährlichen Primärenergieverbrauch von weniger als 1.000 MWh bis zu großen Betrieben mit einem jährlichen Bedarf von etwa 240.000 MWh, wobei etwa 80% der Betriebe weniger als 20.000 MWh verbrauchen. Große Betriebe, wie sie beispielsweise in Großbritannien und Spanien untersucht wurden, tragen entsprechend stark zu den absoluten vorgeschlagenen Energieeinsparungen bei.

Abbildung 1: Verteilung der durchgeführten Audits auf unterschiedliche Sektoren

Bei der Durchführung der Audits selbst traten auch nationale bzw. regionale Unterschiede auf. Die Voraussetzungen in westlichen Ländern (59 Audits) sind andere als in östlichen Ländern (13 Audits), genauso wie es länderspezifische Unterschiede bei den erarbeiteten Maßnahmen aufgrund von unterschiedlichen Förderungsmöglichkeiten oder der sinnvollen Integration von Solarthermie gibt. Auch in den einzelnen Betrieben gab es sehr große Unterschiede beim Stand der bereits realisierten Maßnahmen. Die zu erreichenden prozentuellen Einsparmaßnahmen sind in Betrieben, in denen bereits viel in die Energieeffizienz investiert wurde bzw. die erst vor kurzem in Betrieb genommen worden sind, entsprechend gering. Unter diesen Gesichtspunkten müssen die Ergebnisse der Audits auch bewertet werden. Generelle Schlussfolgerungen von einigen wenigen Betrieben auf ganze Branchen oder Länder sind daher aufbauend auf dieser Auswertung nur bedingt zulässig.

Abbildung 2: Länderspezifischer Primärenergiebedarf vor und nach den vorgeschlagenen Maßnahmen

Betrachtet man die einzelnen Audits geordnet nach Ländern (siehe Abbildung 2) so sieht man, dass das länderspezifische Einsparungspotential in den untersuchten Betrieben zwischen 2,8 % (Slowakei) und 45 % (Frankreich) liegt, wobei im Durchschnitt 20% des Primärenergiebedarfs eingespart werden können. Sektorspezifisch (siehe Abbildung 3) sind die größten Einsparungen in Brauereien zu erreichen (etwa 30 %), gefolgt von der Pharma- (26 %) und Lebensmittelindustrie (25 %) sowie Wäschereien (21 %) und Gebäuden (16 %).

Abbildung 3: Sektorspezifischer Primärenergiebedarf vor und nach den vorgeschlagenen Maßnahmen

Sehr ähnliche Werte sind folglich auch bei den ökologischen Auswirkungen zu finden (Abbildung 4), wo in Brauereien und der Lebensmittelindustrie die CO2-Emissionen um etwa 23 % reduziert und auch für Wäschereien sehr hohe Werte erreicht werden können. Unterschiede in der Reihenfolge zu Primärenergieeinsparungen ergeben sich aufgrund unterschiedlicher vorgeschlagener Maßnahmen (Wärmerückgewinnung, Solarthermie, KWK, etc.).

Abbildung 4: Sektorspezifische CO2-Emissionen vor und nach den vorgeschlagenen Maßnahmen

Der Weg zur Steigerung der Gesamteffizienz eines Betriebes bzw. großen Gebäudes läuft, wie bereits erwähnt zuerst über eine Prozessoptimierung, wofür in 3 untersuchten Betrieben (ausschließlich Lebensmittelindustrie) eine Möglichkeit gefunden wurde. Das ist ein aufgrund der Erfahrungen der durchführenden Auditoren sehr geringer Wert. Eine Wärmerückgewinnung wurde in 23 von 72 Audits vorgeschlagen, was zeigt, dass hier noch großes Potential vorhanden ist und diese innerbetrieblichen Maßnahmen von den Betrieben noch nicht ausreichend umgesetzt sind. Die Maßnahmen zur effizienten Erzeugung von Wärme, Kälte und Strom sind zu einem Großteil eine Kombination verschiedener Möglichkeiten – in 42 Betrieben wurden 2 oder mehr Maßnahmen vorgeschlagen. In 13 Betrieben wurde Solarthermie zur Deckung des Wärmebedarfs vorgeschlagen, was zu einem Großteil in der Lebensmittelindustrie zu finden ist. Die Temperaturniveaus der Prozesse in dieser Branche (30 – 150°C) eignen sich sehr gut für die Integration von Solarthermie und erreichen so auch akzeptable Amortisationszeiten. In 9 Betrieben wurden schließlich KWKs zur Erzeugung von Strom und der Substitution bestehender Wärmeversorgung empfohlen.

Am Anteil dieser Maßnahmen an der Reduktion des Endenergiebedarfs (Abbildung 5) erkennt man weiter, dass in der Lebensmittelindustrie eine sehr große Bandbreite vorgeschlagener Maßnahmen vorliegt. Wärmerückgewinnung liefert in praktisch allen untersuchten Sektoren einen wichtigen Beitrag. Der sehr starke Einsatz von KWKs in fast allen Bereichen ist in den länderspezifischen Besonderheiten (Förderungen) und der Größe der Betriebe, in denen das vorgeschlagen wurde, zu finden. Das gilt sehr speziell für den Bereich der Brauereien, weshalb dieser Trend absolut nicht auf die ganze Branche umzulegen ist.

Abbildung 5: Beitrag ausgewählter sektorspezifischer Maßnahmen zur Reduktion des Endenergieeinsatzes

Aufgrund der vorgeschlagenen Maßnahmen ergäbe sich für die untersuchten Betriebe ein Investitionsvolumen von mehr als 31 Millionen Euro, was gleichzeitig Einsparungen von 10,7 MWh pro 1.000 investierten Euros entspricht. Diese Investitionen teilen sich zu einem großen Teil auf Spanien (32 %), Großbritannien (16 %), Deutschland (15 %) und Österreich (11 %) auf – siehe Abbildung 6. Sektorspezifisch besteht der größte Investitionsbedarf im Bereich der Lebensmittelindustrie (34 %), der Brauereien (32 %) und den Gebäuden (22 %).

Abbildung 6: Beitrag ausgewählter sektorspezifischer Maßnahmen zur Reduktion des Endenergieeinsatzes

Schlussfolgerungen

Eine Umlegung der Ergebnisse auf ganze Branchen oder Länder ist aufgrund der geringen Anzahl untersuchter Betriebe nicht zwingend signifikant. Die Resultate zeigen jedoch, dass das Potential zur Effizienzsteigerung durch Prozessoptimierung und Wärmerückgewinnung nur in den seltensten Fällen ausgeschöpft ist. Weitere Maßnahmen zur Reduktion des Primärenergiebedarfs sind auf die Rahmenbedingungen des Betriebes und regionale und nationale Besonderheiten abzustimmen. Mit erneuerbaren Energien wie Solarthermie und KWKs können Industriebetrieben und großen Gebäuden energetisch, ökologisch und ökonomisch sinnvolle Maßnahmen unterbreitet werden, die zur Standortsicherung und der Erreichung vorgegebener Umweltziele wesentlich beitragen.

Mit der Durchführung der 72 Audits wurde das Ziel der stetigen Weiterentwicklung und Anpassung der EINSTEIN Software an verschiedene Sektoren erreicht. Als wichtigste Schlussfolgerung ist somit die Eignung des Tools für praktisch alle Industriesektoren und große Gebäude zu nennen. Alle erörterten Maßnahmen können dabei ebenso objektiv wie unabhängig evaluiert und verglichen werden, womit dem Auditor ein sinnvolles Tool zur Verfügung gestellt werden kann.

Ausblick

Im Rahmen des Projektes wurden in einem Follow-Up die Firmen etwa 6 Monate nach Präsentation der vorgeschlagenen Maßnahmen noch einmal kontaktiert, um den Status der Umsetzungen zu erheben. In wenigen Betrieben wurde ein Teil der Maßnahmen bis dato umgesetzt, in den meisten ist selbige jedoch im Laufe des nächsten Jahres zumindest teilweise geplant sofern die Maßnahmen die errechneten ökonomischen Bewertungen erreichen.

Das IEE Projekt EINSTEIN II ist mit Ende Oktober 2012 zu Ende gegangen. Kurz davor wurde noch die letzte Release-Version EINSTEIN 2.2 veröffentlicht, die alle Neuerungen und Weiterentwicklungen enthält. Unter www.einstein-energy.net können diese Software sowie Kurzfassungen aller durchgeführter Audits herunter geladen werden. Des Weiteren werden unter dieser Adresse Trainingskurse angeboten.

*) DI Jürgen Fluch ist Mitarbeiter des Bereichs Industrielle Prozesse und Energiesysteme – IPE von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
*) DI Christoph Brunner ist Leiter der Bereichs Industrielle Prozesse und Energiesysteme – IPE von AEE INTEC [^]

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