Zeitschrift EE

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2013-01: Kunststoff-Kollektoren

Innovative, zukunftsweisende Gestaltungselemente – Kunststoffe in der Solarthermie

Abbildung 1:
Fassadenintegrierte Kunststoff-Kollektoren, Passivhausfeld, Passivhäuser in Rudshagen, Oslo; Quelle: Aventa Solar, Norwegen

Schwankende Rohmaterialpreise, aufwändige Produktionsverfahren und ein unvorhersehbares Marktwachstum verleihen solarthermischen Anlagen einen schweren Stand. Kaum eine Technologie für erneuerbare Energien ist derart abhängig von externen Gegebenheiten, kaum eine gleichzeitig so praktikabel und notwendig. Vor dem Hintergrund des stark wachsenden Bedarfs an solarthermischen Anlagen, vor allem in sonnenreichen Regionen, ist die einfache und günstige Installation von Systemen zur solaren Warmwasserbereitung unabdingbar.

Von Michael Köhl und Sandrin Saile

Lösungsansätze

Der vermehrte Einsatz von Kunststoffen eröffnet nicht nur ein erhebliches Kostensenkungspotential, sondern durch die Designfreiheit auch die Chance, Solarthermie ‚neu‘ zu denken. Raum für die Arbeit an innovativen Lösungsansätzen bietet das 2006 ins Leben gerufene Projekt „Polymeric Materials for Solar Thermal Applications“ des Solar Heating and Cooling Programmes der Internationalen Energieagentur (IEA SHC Task 39). Nunmehr in ihrer zweiten Phase (Laufzeit 2010 – 2014), dient es als internationale Plattform für die Vernetzung von Experten aus Forschung und Industrie der Solarthermie- und Kunststoffbranche. Ziel ist die Entwicklung zukunftsweisender solarthermischer Systeme, die durch den Einsatz geeigneter Polymermaterialien und die damit verbundene mögliche Massenproduktion einfach und kostengünstig herzustellen sind. Ein weiterer Vorteil von Kunststoffen ist die fast uneingeschränkte Designfreiheit. Variabel formbar, erlauben sie die Entwicklung innovativer Kollektordesigns sowie ästhetisch ansprechender Lösungen – auch für die Gebäudeintegration. Deshalb finden Forschungsaktivitäten nicht nur auf Materialebene, sondern auch im Kollektor- und Systembereich statt.

Materialien optimieren

Solarthermische Systeme stellen aufgrund ihrer hohen Betriebstemperaturen, großer betriebsbedingter Temperaturschwankungen und der Exposition in anspruchsvollen Klimaten besondere Anforderungen an die verwendeten Materialien. Ein Schwerpunkt der Task 39 liegt daher auf der Untersuchung und Weiterentwicklung von Strukturmaterialien für Kollektoren und Komponenten. Neben den Faktoren Temperaturbeständigkeit und Gebrauchsdauer stehen verschiedene Verarbeitungsmöglichkeiten und deren Kosten /Nutzen-Relation im Mittelpunkt. Innerhalb des österreichischen Projekts SolPol-2 unter Konsortialleitung der Johannes Kepler Universität Linz werden in Zusammenarbeit mit AEE INTEC und einer Reihe weiterer Partner verschiedene Polymerklassen auf ihre Eignung als Absorbermaterialien überprüft. Innovative Entwicklungen sind auch von Seiten der Polymerindustrie zu erwarten. Hochleistungskunststoffe mit einer hohen Stabilität gegenüber thermischer Degradation sowie chemisch aktiven Medien (z. B. Glykol), die auch für Spritzguss- und Extrusionsverfahren geeignet sind, werden entwickelt. Aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften und Flexibilität sind sie vielversprechende Alternativen zu metallischen Werkstoffen, die in der Produktion oft zahlreiche Arbeitsschritte erfordern, was sie kosten- und arbeitsintensiver macht.

Abbildung 2: Schwarzpigmentiertes Polypropylen (PP)-Granulat für polymerbasierte Solarabsorber; Quelle: Johannes Kepler Universität Linz, Institute of Polymeric Materials and Testing (IPMT) Klick mich!

Abbildung 3: Schmutzabweisende Oberflächenbeschichtungen; Quelle: National Institute of Chemistry (NIC) Ljubljana, Slowenien Klick mich!

Neben dieser Entwicklung neuartiger Materialmischungen mit für solarthermische Anwendungen optimierten Eigenschaften nimmt das Thema Überhitzungsschutz in der Task 39 einen großen Stellenwert ein. So werden am Polymer Competence Center Leoben (PCCL) in Zusammenarbeit mit der Montanuniversität Leoben grundlegende Untersuchungen zu sogenannten thermotropen Beschichtungen und Verglasungsmaterialien durchgeführt. Diese ändern bei Überschreiten einer Grenztemperatur ihre optischen Eigenschaften und streuen dadurch einen Teil der einfallenden Solarstrahlung zurück, was zu einer verminderten Temperaturerhöhung führt. Seit 2012 finden im Rahmen des Poly2Facade-Projekts Arbeiten an funktionalen Polymeren für thermisch selbstregulierende Solarfassaden statt. Eine Verbesserung der Effizienz bei niedrigeren Temperaturen wird durch die Verwendung selektiver Solarabsorberschichten erreicht. Das National Institute for Chemistry in Slowenien arbeitet an spektral-selektiven Lacken, die sich einfach auf Polymerabsorbern applizieren lassen. Ein weiteres neues Forschungsfeld stellen schmutzabweisende Beschichtungen dar, die dazu beitragen sollen, die Leistungsfähigkeit der Kollektoren auch an Orten zu erhalten, die entweder unter starker Schmutz- oder Aerosolbeaufschlagung zu leiden haben oder nicht leicht zu reinigen sind.

Kollektoren gestalten

Parallel finden im Rahmen verwandter Projekte Arbeiten für die polymergerechte Weiterentwicklung solarthermischer Kollektoren statt. Auf Basis bereits vorhandener Kunststoffkollektoren und Komponenten werden innovative, aber kostengünstige Konzepte erarbeitet. Für eine signifikante Verbesserung und um die materialspezifischen Vorteile von Kunststoffen nutzbar zu machen, muss der Kollektor als Ganzes betrachtet werden und eine spezifische Abstimmung einzelner Komponenten (Verglasung, Gehäuse, Wärmedämmung und Absorber) erfolgen. Innovative Lösungsansätze bietet beispielsweise die norwegische Firma Aventa, die einen Vollpolymerkollektor mit extrudiertem Absorber aus Doppelstegplatten auf den Markt brachte. Neue Projekte auf dem Gebiet der Kollektorentwicklung sind am Institut für Thermodynamik und Wärmelehre der Universität Stuttgart (Polysol) und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Ingolstadt begonnen worden. Letztere startete im Frühjahr 2012 ein 3-jähriges Projekt zur Analyse eines im Vergleich zu standardisierten Flachkollektoren kostengünstigen Vollpolymerkollektors. Darüber hinaus arbeiten die Experten der beteiligten Prüfinstitute aktiv in den relevanten nationalen und internationalen Normungsgremien mit.

Systeme neu denken

Letztendlich ist es notwendig, das solarthermische System als Ganzes zu betrachten, um die Vorteile der Kunststoffe optimal nutzen zu können. Da innerhalb etablierter Systeme über Jahrzehnte vorwiegend klassische Materialien optimiert wurden, reicht es hier nicht aus, kunststoffbasierte Kollektoren an die Rahmenbedingungen von klassischen Systemen anzupassen. Mit diesem Ansatz schließt man einen großen Teil des technischen und wirtschaftlichen Potentials aus. Vielmehr ist das ganze Systemkonzept mit Speicher, Leitungssystem und Pumpen, den Kollektoren sowie der Betriebsführung und Anlagenauslegung anzupassen. Wichtige Stichworte sind hier Maßnahmen zur effektiven Temperaturbegrenzung und Systeme mit niedrigen Betriebsdrücken, die die Auswahl von kostengünstigen Materialien und Verarbeitungstechnologien erlauben. Als Synthese dieser Überlegungen ist das europäische Projekt SCOOP zu sehen. Das 2011 gestartete Projekt unter Leitung des Fraunhofer ISE hat sich die ganzheitliche Entwicklung solarthermischer Kollektoren und Systeme aus Kunststoffen zum Ziel gemacht. Neuartige, im Rahmen des Projekts entwickelte Polymermischungen für Extrusion und Spritzgussverfahren dienen als Basis für optimierte Kollektordesigns, die in angepassten Kollektor- und Systemkonzepten verwendet werden. Eine aufeinander abgestimmte Forschung entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermöglicht die optimale Zusammenführung von Material und Design.

Abbildung 4: Zugprüftests an Kunststoffproben; Quelle: National Institute of Chemistry (NIC) Ljubljana, Slowenien Klick mich!

Weitere Projekte sowie eine Auflistung beteiligter Forschungs- und Industriepartner der Task 39 finden sich im Internet unter: http://task39.iea-shc.org/funded-projects

Highlights

Die Ergebnisse der Arbeit aus Phase I der Task 39 (2006 – 2010) wurden im Oktober 2012 in einem Handbuch veröffentlicht. Polymeric Materials for Solar Thermal Applications, erschienen bei Wiley-VCH, fasst zum einen die Grundlagen der Solarthermie und ihre Anforderungen für Polymerexperten zusammen. Zum anderen beschreibt es die Möglichkeiten, Eigenschaften und Verfahren der Polymertechnik für Fachleute aus der Solarthermie. Mit Hilfe von konkreten Beispielen werden beide Teile verknüpft. Es ist das erste Werk seiner Art, das die spezifischen Anforderungen an Polymermaterialien in der Solarthermie sammelt und für ein breites Publikum beider Branchen transparent macht. Die aktuellen Forschungsaktivitäten werden zweimal jährlich in einem Newsletter zusammengefasst, der unter http:// task39.iea-shc.org/newsletters heruntergeladen werden kann. Eine Sammlung attraktiver Beispielsysteme ist auf der Task 39 eigenen Datenbank „Architectural Integration of Solar Thermal Energy Systems“ zu finden: http://projects.iea-shc.org/task39/ projects/default.aspx

Literatur

  • Koehl et al. Polymeric Materials for Solar Thermal Applications.
    Weinheim: Wiley-VCH, 2012. ISBN: 978-3-527-33246-5

* Dr.-Ing. Michael Köhl ist als Teamleiter in der Abteilung Gebrauchsdaueranalyse und Umweltsimulation des Bereichs Photovoltaische Module, Systeme und Zuverlässigkeit am Fraunhofer ISE in Freiburg tätig (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Sandrin Saile, MA, ist als Projektkoordinatorin in der Abteilung Gebrauchsdaueranalyse und Umweltsimulation des Bereichs Photovoltaische Module, Systeme und Zuverlässigkeit am Fraunhofer ISE in Freiburg tätig (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

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