Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

2013-01: Kunststoff-Kollektoren

Methoden zur beschleunigten Alterungsprüfung von Kunsststoffen

Abbildung 1: Verlegung eines Kunststoffliners in einem Erdreichwärmespeicher (Quelle: Dr. Dan Bauer, ITW Stuttgart (D))

Der zielgerichtete Einsatz bestehender und die Entwicklung neuartiger Prüf- und Charakterisierungsmethoden zur stark beschleunigten Erfassung von einsatzrelevanten Beanspruchungsbedingungen ist Gegenstand mehrerer Arbeitspakete des vom Klima- und Energiefonds geförderten Großforschungsvorhabens „Solarthermische Systeme aus Polymerwerkstoffen: SolPol-1/2“ [1][2].

Von Gernot M. Wallner, Klemens Grabmayer, Susanne Beissmann, Harald Schobermayr, Wolfgang Buchberger, Reinhold W. Lang

Wärmespeicher mit Kunststofflinern und verwendete Werkstoffe

Bei großen Saisonalwärmespeichern aber auch kleinen Wasserspeichern adaptierbarer Geometrie kommen zunehmend Kunststoffhalbzeuge (sogenannte Liner) zum Einsatz. Eine Hauptanforderung an den Kunststoffliner ist die Langzeitbeständigkeit (>20 Jahre) bei Temperaturen von 60 bis 90°C. In der Materialentwicklung aber auch zur Lebensdauervorhersage sind beschleunigte Prüfmethoden von zentraler Bedeutung. Für Solarthermie-Großanlagen haben sich ungedämmte Erdreichwärmespeicher mit Wasservolumina bis zu 100.000 m3 als kostengünstigste Variante etabliert. Die Kosten der mit Kunststofflinern ausgestatteten Speicher liegen bei etwa 20 €/m3 [3]. Auch bei gedämmten Wasserspeichern mit Volumina unter 20 m3 nimmt die Anzahl der am Markt angebotenen Speichertypen mit Kunststofflinern stetig zu. Derartige Speicher werden in der Regel drucklos betrieben und zeichnen sich neben der kostengünstigen Bauweise durch eine variable, an den verfügbaren Raum anpassbare Geometrie aus. Die Endkundenpreise für drucklose Schichten- oder Pufferspeicher mit Volumina zwischen 1 und 20 m3 variieren zwischen etwa 700 und 3.000 €/m3 (z.B. [4][5]). Als Liner für Groß- und Kleinwärmespeicher werden Membran- oder Plattenhalbzeuge mit einer Wandstärke von etwa 2 mm verwendet. Die eingesetzten Werkstoffe sind kostengünstige Polyolefine. Dazu zählen unter anderem Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Ethylen-Propylen-Dien-Copolymer (EPDM). Während PE und PP thermoplastisch verarbeitbar und vor Ort verschweißbar sind (siehe Abbildung 1), werden die ausschließlich bei Kleinspeichern eingesetzten EPDM-Elastomere bereits beim Hersteller endkonfektioniert. Neben der chemischen Struktur des Kunststoffes beeinflussen insbesondere die zugesetzten Stabilisatoren die Langzeitbeständigkeit. Von besonderer Bedeutung sind primäre Antioxidantien. Bei PE und PP sind spezielle, für höhere Einsatztemperaturen entwickelte Typen verfügbar, die durch die Erweiterung RT (raised temperature) gekennzeichnet sind.

Einsatzbedingungen und konventionelle Alterungsprüfmethoden

Die geforderte Lebensdauer von Kunststofflinern in Wärmespeichern liegt je nach Anwendungsgebiet bei 20 bis 30 Jahren. Durch die Stützwirkung der Tragekonstruktion (z.B. Erdreich bei Großspeichern und Rahmenstrukturen bei Kleinspeichern) werden die mechanischen Lasten auf die Linermaterialien als gering eingestuft. Zu den relevanten Belastungsfaktoren zählen das Wärmeträgermedium (Wasser) und die Umgebungsluft bei erhöhten Temperaturen. Je nach Bauweise und Einsatzbereich liegen an den kritischen Zonen die Dauergebrauchstemperaturen bei bis zu 70°C und die kurzzeitigen Maximaltemperaturen bei bis zu 95°C. Bei der konventionellen Alterungsprüfung gemäß Norm werden an aus Halbzeugen entnommenen Prüfkörpern Warmlagerungsversuche an Luft oder in Wasser bei unterschiedlichen Temperaturen durchgeführt, die Zeit bis zur Versprödung (ultimativer Kennwert aus dem Zugversuch) bestimmt und durch Extrapolation auf die Einsatztemperatur der Temperaturindex (TI) als Kennwert abgeleitet [6]. Signifikante Nachteile dieser konventionellen Alterungsprüfmethode bestehen in den langen Prüfdauern, den für Standardprüfkörper aufwändigen Apparaturen, den Unsicherheiten bei der Extrapolation und der begrenzten Aussagekraft des Alterungsindikators Versprödung.

Ansätze zur beschleunigten und aussagekräftigen Prüfung von Linermaterialien

Im Rahmen des vom KLI:EN geförderten, Grundlagen-orientierten Forschungsprojektes SolPol-1 (Titel: Solarthermische Systeme aus Polymerwerkstoffen - Wissenschaftliche und methodische Voraussetzungen und ökologische und ökonomische Folgewirkungen) werden an der JKU Linz zeitraffende Charakterisierungsmethoden für Polymerwerkstoffe in Kontakt mit Wasser und Luft entwickelt und implementiert. Die Ansätze zur Zeitraffung bestehen einerseits in der Miniaturisierung des Prüfkörpers (zur Erhöhung des Oberflächen/Volumen-Verhältnisses) und andererseits in der Erhöhung der Konzentration des oxidierenden Mediums. Zusätzlich werden analytische Charakterisierungsmethoden zur Bestimmung sensitiver Alterungsindikatoren aufgebaut und angewendet. In Abbildung 2 ist die umgesetzte Vorrichtung zur automatisierten Fertigung von Mikroprüfkörpern dargestellt. Mit einem Hobelwerkzeug werden auf einer CNC-Maschine aus Plattenhalbzeug Späne mit unterschiedlicher Dicke zwischen 50 und 500µm gefertigt.

Abbildung 2: Vorrichtung zur automatisierten Herstellung von spanförmigen Mikroprüfkörpern aus Plattenhalbzeug Klick Mich!

 

Abbildung 3: Gegenüberstellung der für die Alterungsversuche verwendeten Makro- und Mikroprüfkörper Klick Mich!

Für die Auslagerung von Makro- und Mikroprüfkörper (siehe Abbildung 3) in Luft oder Wärmeträgermedien bei erhöhten Temperaturen (95 bis 135°C) wurden Haltevorrichtungen und Druckbehälter konzipiert und implementiert. Die Erhöhung der Konzentration des oxidierenden Mediums betreffend wurde eine Forschungskooperation mit der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM, Berlin (D)) etabliert. In Autoklaven wird der Sauerstoffpartialdurck auf bis zu 50 bar erhöht (Abbildung 4). Zur Charakterisierung der gealterten Prüfkörper wurden am Institut für analytische Chemie der JKU Linz Analysemethoden für die quantitative Bestimmung der Stabilisatorgehalte und von Stabilisatorabbauprodukten entwickelt und aufgebaut (Dissertation von Dipl.-Ing.in Susanne Beissmann).

Abbildung 4: Autoklaven zur Lagerung in Wasser bei variierbarem Sauerstoff-Partialdruck (Quelle: Dr. Ulrike Braun, BAM Berlin, Abteilung Beständigkeit von Polymeren (D)) Klick Mich!

Ergebnisse der Alterungsuntersuchungen an Modellmaterialien

Die implementierten Alterungs- und Charakterisierungsmethoden werden im Grundlagen-orientierten Forschungsprojekt SolPol-1 auf 5 unterschiedliche Modelllinermaterialien auf Polyolefinbasis mit unterschiedlicher Stabilisierung angewendet. Zudem werden die Methoden auch zum Screening von neuartigen Linermaterialien eingesetzt, die mit den Firmenpartnern AGRU Kunststofftechnik GmbH (Bad Hall (A)) und Advanced Polymer Compounds (APC, Gai (A)) im kooperativen Forschungsprojekt SolPol-2 (Titel: Solarthermische Systeme aus Polymerwerkstoffen - Entwicklung von neuartigen Kollektoren und Kunststoff-Compounds) entwickelt werden. An den Modelllinermaterialien aus SolPol-1 wurden bereits umfassende Alterungsuntersuchungen in Luft und in Wasser bei 95, 115 und 135°C an Mikro- und Makroprüfkörpern durchgeführt und ausgewertet. Lediglich bei 135°C waren bisher für sämtliche Prüfkörpertypen signifikante Alterungserscheinungen feststellbar. Bei 95 und 115°C war insbesondere bei den Makroprüfkörpern noch keine Versprödung feststellbar. In Abbildung 5 ist beispielhaft das Alterungsverhalten eines Modelllinermaterials an Luft bei 135°C gezeigt. Als Alterungsindikatoren sind die Zeiten bis zum Abfall des Gehaltes der primären Antioxidantien unter 0,03 m%, bis zum Abfall der Oxidationstemperatur unter 230°C und bis zur Versprödung (Bruchdehnung < Dehnung bei Fließgrenze) für die Prüfkörperdicken 50, 200, 500 und 2000 µm aufgetragen. Zur Versprödung dieses Linermaterials kommt es an Luft bei 135°C nach etwa 110 Tagen (50 µm Mikroprüfkörper) bis 210 Tagen (2 mm Makroprüfkörper). Für die untersuchte Materialtype ergab sich demzufolge ein maximaler Faktor von etwa 2 in der Versprödungszeit durch die Reduktion der Prüfkörperdicke um den Faktor 40. Aus Abbildung 5 ist klar ersichtlich, dass das Erreichen der Nachweisgrenze der primären Antioxidantien (0,03 m%) ein deutlich sensitiveres Alterungskriterium darstellt. Die Stabilisatorgrenze wurde für das untersuchte Linermaterial nach deutlich kürzeren Zeiten von 55 bis 90 Tagen erreicht. Bei der Auslagerung der Modelllinermaterialien in Wasser bei 135°C wurden die Alterungskriterien für einige Typen deutlich schneller überschritten. Das unterschiedliche Verhalten in Luft und Wasser bei erhöhter Temperatur ist auf das Auslaugen spezifischer Stabilisatoren zurückzuführen. Die Auslagerung der Linermaterialien in Wasser bei erhöhtem Sauerstoffpartialdruck (bis zu 50 bar) wurde kürzlich begonnen. Erste Ergebnisse zeigen eine stärkere Beschleunigung des Alterungsverhaltens im Vergleich zur Reduktion der Prüfkörperdicke.

Abbildung 5: Alterungsverhalten von Prüfkörpern unterschiedlicher Dicke (50 bis 2000 µm) aus dem Modelllinermaterial an Luft bei 135°C (Alterungsindikatoren: Anteil der primären Antioxidantien < 0,03 m%; Oxidationstemperatur < 230°C; Versprödung (Bruchdehnung < Dehnung bei Fließgrenze)) Klick Mich!

Zusammenfassung und Ausblick

Im Projekt SolPol-1 wurden neuartige Methoden zur beschleunigten Charakterisierung des Langzeitverhaltens von Kunststofflinern für Wärmespeicher entwickelt, implementiert und teilweise erprobt. Sowohl durch die Miniaturisierung des Prüfkörpers als auch durch die Lagerung bei erhöhter Sauerstoffkonzentration wurde eine Beschleunigung im Vergleich zur konventionellen Prüfung erzielt. Als besonders relevanter Alterungsindikator stellte sich der Gehalt an primären Antioxidantien heraus; dieses Kriterium wird bei der konventionellen Alterungsprüfung nicht betrachtet. Aufgrund der im Allgemeinen guten Beständigkeit der Modellmaterialien sind die Auslagerungsversuche bei 95 und 115°C noch nicht abgeschlossen. Erst auf Basis des vollständigen Datensatzes sind Aussagen bezüglich der Anwendbarkeit der implementierten Methoden zur Lebensdauer­abschätzung möglich. Diese Fragestellung ist Gegenstand von weiterführenden Forschungsarbeiten.

Referenzen

  1. R. W. Lang, G. M. Wallner, J. Fischer: erneuerbare Energiee, ee 2011-1, 9-11 (Gleisdorf 2011)
  2. R. W. Lang, G. M. Wallner, J. Fischer: Erneuerbare Energien, ee 2013-1, xx-yy (Gleisdorf 2013)
  3. Weiß, W. (2012). Schwerpunkte der strategischen Forschungsagenda Solarthermie und internationale Trends bei Großanlagen, Vortrag, ASTTP Workshop, Wien.
  4. Agritec (2013). ww.agritec-solar.eu; abgerufen am 31.01.2013.
  5. FSAVE (2013). www.fsave.de; abgerufen am 31.01.2013.
  6. Ehrenstein, W., Pongratz, S. (2007). Die Beständigkeit von Kunststoffen, Carl Hanser Verlag, München.

Personenbeschreibungen

ao.Univ-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Gernot M. Wallner ist Leiter von Subtask C: Materials der IEA SHC Task39 und Mitarbeiter des Instituts für Polymerwerkstoffe und Prüfung der JKU Linz (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Dipl.-Ing. Klemens Grabmayer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter (Dissertant) am Institut für Polymerwerkstoffe und Prüfung der JKU Linz

Dipl.-Ing.in Susanne Beissmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin (Dissertantin) am Institut für analytische Chemie der JKU Linz

Dipl.-Ing. Dr. Harald Schobermayr leitet am Institut für Polymerwerkstoffe und Prüfung der JKU Linz den Bereich Konstruktion von Vorrichtungen und Prüfaufbauten

o.Univ-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Buchberger ist Vorstand des Instituts für analytische Chemie der JKU Linz

o.Univ-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Reinhold W. Lang ist Leiter der kooperativen Forschungsprojekte SolPol-1/2 und Vorstand des Instituts für Polymerwerkstoffe und Prüfung der JKU Linz

Top of page