Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

2013-01: Kunststoff-Kollektoren

Status Quo der Entwicklungen eines überhitzungsgeschützten Kunststoffkollektors

Abbildung 1: Designstudie einer neuen Generation von Solarkollektoren aus Kunststoff Bildquelle: SCIONIC Industrial Design Education Austria Linz

Moderne thermische Solarkollektoren sind Hightech-Produkte und bestehen aufgrund unterschiedlicher Anforderungen an die Komponenten, aus einer Vielzahl an Materialien. Dadurch ergeben sich für die Produktion dementsprechend höhere Kosten. Kunststoff bietet hier eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten im Hinblick auf Fertigungsmethoden und Design. Der vorliegende Artikel bezieht sich auf im Rahmen des vom Klima- und Energiefonds geförderten Forschungsvorhabens „Solarthermische Systeme aus Polymerwerkstoffen: SolPol-2“ durchgeführte Arbeiten (zu SolPol-1/2 siehe [1]und [2]).

Von Alexander Thür, Claudia Hintringer, Alexander Richtfeld, Wolfgang Streicher, Alexander Kaiser, Robert Hausner, Christian Fink, Willibald Koller und Roland Riepl

Ausgangslage

Um die Herstellungskosten von thermischen Kollektoren zu reduzieren gibt es die Bestrebung den Materialmix kostengünstig zu substituieren und die Produktionsschritte zu vereinfachen. Somit ergeben sich nicht nur Vorteile in der Produktion, auch die Entsorgung wird am Ende der Produktlebensdauer wesentlich erleichtert. Im Zuge des österreichischen Forschungsprojektes SolPol werden deshalb unter anderem Wege gesucht, kostengünstige Standardkunststoffe wie Polyolefine (PE,PP) in der Solarthermie einzusetzen. Dadurch ergibt sich materialbedingt eine zulässige Maximaltemperatur im Kollektor von ca. 90°C, wobei sich dieses Temperaturniveau für die Bereitstellung von Brauch- sowie Heizwasser sehr gut eignet. In modernen Standard-Flachkollektoren treten Temperaturen weit über 100°C auf, wenn keine Energieabnahme bei solarer Einstrahlung erfolgt (Stagnation). Solch hohe Temperaturen würden den Einsatz sehr kostspieliger Kunststoffe erfordern, woraus sich die Notwendigkeit ergibt, den Kollektor so zu konstruieren, dass hohe Erträge im Betriebszustand erreicht werden, und andererseits die Temperatur im Stillstand nicht über 90°C ansteigt.

Dieses Ziel kann auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden. Ein Ansatz ist, den Kollektor mit einem Überhitzungsschutz auszustatten, um die auftreffende solare Strahlung bereits am Eintritt in den Kollektor zu hindern. Dies kann zum einen durch den Einsatz thermotroper Schichten, oder durch den Einsatz von externen sowie internen Verschattungseinrichtungen geschehen, siehe dazu Beikircher T (2008) [3] sowie Hausner R., et al (2009)[5]. Eine weitere Möglichkeit stellt die Belüftung des Kollektors zum Abtransport der überschüssigen Energie im Stillstandsfall dar, wie dies bei Harrison S.J., et al (2004)[4] beschrieben ist. Die aktive Abfuhr der Überschussenergie kann auch an eine immer zur Verfügung stehende Wärmesenke, deren Temperatur ausreichend niedrig ist, wie z.B. ein Schwimmbad oder die Umgebungsluft erfolgen. Es gibt auch Konzepte wo versucht wird, den Energiespeicher während der Nacht über den Kollektor soweit zu kühlen, dass am darauffolgenden Tag ausreichend Speicherkapazität vorhanden ist, um Stagnation zu vermeiden. Alle diese Systeme verursachen jedoch einen zusätzlichen Kostenaufwand bzw. sind häufig an eine Stromversorgung gekoppelt, was besonders bei Stromausfall ein großes Risiko für die Kunststoffkollektoren darstellt.

Das Kollektorkonzept

Zur Begrenzung der Temperatur wird daher in diesem Projekt ein Kollektorkonzept mit Rückkühlfunktion verfolgt, welches jederzeit und auch ohne Stromversorgung funktioniert. Dabei befindet sich zusätzlich zu den herkömmlichen Kollektorkomponenten ein Rückkühler an der Rückseite des Kunststoffkollektors (siehe Abbildung 2). Im Stagnationsfall wird der Kollektor durch ein selbsttätiges Ventil (ohne Strombedarf) über den Rückkühler kurzgeschlossen. Auf Grund der vorherrschenden Temperaturdifferenz des Wärmeträgermediums zwischen Absorber (von der Sonne bestrahlt) und dem verschatteten Rückkühler auf der Kollektorrückseite stellt sich ein Dichteunterschied und damit eine Naturzirkulation ein. Um auch im Stagnationsfall einen gleichmäßigen Abtransport der Energie zu gewährleisten, und somit Temperaturmaxima an einzelnen Stellen im Kollektor zu vermeiden, ist eine gleichmäßige Durchströmung der einzelnen Absorberrohre notwendig. Dies wird durch den Einsatz eines Harfenabsorbers bzw. -rückkühlers erreicht.

Abbildung 2: Funktionsprinzip der thermosyphonisch angetriebenen Rückkühlung (Quelle: Hintringer et al. UIBK-EEB) Klick Mich!

 

Entwicklung eines Prototypen

In Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Partnern und der Firma Greiner Technology & Innovation GmbH wurde ein erster Kollektorprototyp entwickelt und gebaut, der inklusive des Absorbers und der Rohrleitungsanschlüsse nur aus Kunststoffbauteilen besteht.

Abbildung 3: PrototypKollektor montiert auf dem Prüfstand von AEE INTEC (rechts, Bildquelle: AEE INTEC). Klick Mich!

 

Um Aussagen über dieses System treffen zu können, erfolgt eine Analyse der im Kollektor auftretenden Stoff- und Wärmetransportvorgänge. Dies geschieht einerseits auf den Prüfständen und in den Laboren von AEE INTEC und der Universität Innsbruck. Dabei wurde bisher die Leistungsfähigkeit des Kunststoffabsorbers im Normalbetrieb untersucht, um Daten über die tatsächlich im Betrieb auftretenden Temperaturen zu gewinnen. Weiters wird das Funktionsprinzip des integrierten Stagnationskühlers getestet, um die Effektivität des eingesetzten Rückkühlprinzips zu überprüfen.

Es wurden mehrere Berechnungsverfahren bei AEE INTEC und der Universität Innsbruck modelliert bzw. adaptiert, welche zur Berechnung der entstehenden Temperaturen und Massenströme unter verschiedenen Randbedingungen dienen. Für erste Abschätzungen der benötigten Auslegungsparameter zur Erreichung der notwendigen Rückkühlleistung wurde ein Excel-Makro für den Thermosyphonkreislauf generiert. Damit können die entstehenden Durchflüsse und Temperaturen in Abhängigkeit von typischen Wärmeübergangswerten bzw. Kollektordimensionen und Neigungswinkel berechnet werden. In Abbildung 4 und Abbildung 5 sind beispielhafte Ergebnisse dargestellt.

Abbildung 4: Verhältnis Temperaturen im Kollektor (T) und der Außentemperatur (T0) bei einer Einstrahlung von 800 W/m² und Variation des Wärmeverlustkoeffizienten a1 sowie der Neigung des Kollektors [6] Klick Mich!

Abbildung 5: Spezifischer Massenstrom bei unterschiedlichen Einstrahlungen und Variation des Wärmeverlustkoeffizienten a1 und der Neigung des Kollektors [6] Klick Mich!

Detailberechnungen zur Unterstützung der Absorberkonstruktion wurden an der Universität Innsbruck mit Ansys Fluent – CFD (Computational Fluid Dynamics) durchgeführt (siehe Abbildung ). Dabei war die wesentliche Anforderung ein möglichst gleichförmiges Strömungsverhalten im Verteiler bzw. Sammler mit ausreichend hohen Strömungsgeschwindigkeiten zu erreichen, um während des Stillstandes bei der verhältnismäßig geringen Strömungsgeschwindigkeit eine ausreichende Kühlung aller Bereiche des Absorbers sicher zu stellen.

Abbildung 6: Detailberechnungen zur Strömungsverteilung eines Vorentwurfes mittels CFD zeigen die gefährdete Stelle (dunkelblau, ganz links), welche fast nicht durchströmt wird und damit überhitzungsgefährdet wäre. (Quelle: UIBK-EEB) Klick Mich!

Erste Messergebnisse

Beim Vergleich der Simulationsergebnisse der Berechnungstools mit ersten Messwerten des Prototyps konnte eine gute Übereinstimmung der Ergebnisse festgestellt werden. Insbesondere konnte gezeigt werden, dass das Rückkühlprinzip aufgrund des Thermosiphoneffektes funktioniert.

In Abbildung 7 sind die gemessenen Temperaturen eines ersten Stillstandversuches bei einer Sonneneinstrahlung von ca. 900 W/m2 dargestellt. Durch den thermosyphonisch angetriebenen Kreislauf ergibt sich ein stationärer Betriebszustand mit 88°C beim Absorberaustritt (rote Linie) sowie 40°C beim Absorbereintritt (blaue Linie) nach dem im rückseitigen Rückkühler die Überschusswärme an die Umgebungsluft abgegeben wurde. Innerhalb des Kollektors wurden am Absorber an der heißesten Stelle Materialtemperaturen von ca. 99°C (grüne Linie) gemessen. Auf Grund der Prototypbauweise sind die Druckverluste im Rückkühlkreis noch zu hoch. Durch weitere Optimierungsschritte und Integration des Ventils soll der Druckverlust noch deutlich gesenkt werden können, was zu entsprechender Reduktion der Temperatur am Absorber führen wird.

Abbildung 7: Stationärer Zustand eines Stillstandversuches (Quelle: UIBK-EEB) Klick Mich!

 

Die AEE INTEC führte eine Leistungsmessung dieses vollständig aus Kunststoff hergestellten Prototyps durch. Hierbei wurde ein Konversionsfaktor (maximaler Wirkungsgrad) von 0,7 ermittelt. Im Rahmen des Projektes wurde auch ein bereits am Markt erhältlicher Kunststoffkollektor einer Leistungsmessung unterzogen, der Konversionsfaktor dieses Kollektors betrug 0,65.

Ausblick

Im Rahmen der weiteren Arbeiten soll der Kollektor in allen Details hinsichtlich Leistungsfähigkeit weiter verbessert und fertigungstechnisch optimiert werden. Im Sommer 2013 wird der Kollektor als Prototyp der zweiten Generation wieder auf den Prüfständen bei AEE INTEC und UIBK-EEB (Arbeitsbereich Energieeffizientes Bauen an der Universität Innsbruck) umfassend getestet werden.

Literatur

  1. R. W. Lang, G. M. Wallner, J. Fischer: erneuerbare energie, ee 2011-1, 9-11 (Gleisdorf 2011).
  2. R. W. Lang, G. M. Wallner, J. Fischer: erneuerbare energie, ee 2013-1, 7-11 (Gleisdorf 2013).
  3. Beikircher T., (2008), Hocheffizienter Flachkollektor mit Folienisolation und Überhitzungsschutz für höhere Betriebstemperaturen, Garching
  4. Harrison S.J., Lin Q., Mesquita L.C.S., (2004), Integral stagnation temperature control for solar collectors, SESCI 2004 Conference, University of Waterloo, Ontario, Canada
  5. Hausner R., Wallner G.M., Resch K., (2009), Solarthermische Kunststoffkollektoren mit integriertem Überhitzungsschutz, 19th Symposium Thermische Solarenergie, Staffelstein, Germany
  6. Hintringer, C., Richtfeld, R., Streicher, W. (2012), CFD basierte Bewertung eines Kunststoffkollektors, Gleisdorf Solar, 2012

Autorenbeschreibungen

DI Alexander Thür, PhD und DI Claudia Hintringer und DI Alexander Richtfeld sind wissenschaftliche Mitarbeiter, Univ.-Prof. DI Dr. techn. Wolfgang Streicher ist Leiter des Arbeitsbereich Energieeffizientes Bauen an der Universität Innsbruck (UIBK-EEB) (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

DI Alexander Kaiser und DI Robert Hausner sind Mitarbeiter, Ing. Christian Fink ist Leiter des Bereichs Solarthermische Komponenten und Systeme von AEE INTEC

Willibald Koller und Roland Riepl sind Mitarbeiter von Greiner Technology & Innovation GmbH

 

 

 

Top of page