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2013-01: Kunststoff-Kollektoren

Kunststoffe in solarthermischen Kollektoren – Ein Weg zur Kostensenkung

Abbildung 1: Teil des Kollektorfeldes mit im System eingebunden Testkollektor (links oben) und dauerhaft stagnierenden Testkollektor (links unten) Quelle: Hochschule Ingolstadt [1]

Polymerwerkstoffe in solarthermischen Kollektoren versprechen aufgrund von geringen Materialkosten und effizienten Fertigungsmöglichkeiten eine Verringerung der Herstellkosten. Das Kompetenzfeld Erneuerbare Energien der Hochschule Ingolstadt untersucht hierbei im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit einem Industriepartner die dafür notwendige Fertigungstechnik und Kollektorkonstruktionen.

Von Christoph Reiter, Christoph Trinkl und Wilfried Zörner

 

Forschungshintergrund

Die Hersteller von Solarwärmeanlagen bemühen sich stetig um die Senkung der Herstellkosten, vor allem des Solarkollektors, des weithin sichtbaren „Herzstücks“ jeder Solarwärmeanlage. Massiv steigende Weltmarktpreise für die hauptsächlich eingesetzten Werkstoffe Aluminium und Kupfer laufen den Bemühungen nach weiteren Kostensenkungen in der Kollektorfertigung aber leider entgegen. Der Einsatz von alternativen Werkstoffen wie etwa Kunststoffen für Solarkollektoren wird daher als vielversprechend angesehen. Die Verwendung von Kunststoffen im Solarkollektorbau kann dabei gleich mehrere Vorzüge bieten. Neben der Einsparung von kostspieligem Kupfer und/oder Aluminium sind mit den polymeren Materialien durch eine mögliche Gewichtsreduzierung gleichzeitig auch Vorteile bei der Montage verbunden. Durch Nutzung moderner Fertigungstechnologien von Kunststoffformteilen können zudem die Kollektorfertigung automatisiert werden, was eine weitere Kostenreduktion mit sich bringt. Allerdings ist der Einsatz von Kunststoffen in thermisch oft hoch belasteten Solarkollektoren mit technologischen Herausforderungen verbunden. So stellen beispielsweise die begrenzte Temperatur-, Druck-, UV- und Langzeitbeständigkeit sowie die gegenüber Kupfer schlechtere Wärmeleitfähigkeit kostengünstiger Kunststoffe hohe Hürden für deren Einsatz in Solarkollektoren dar.

Vor diesem Hintergrund untersucht das Kompetenzfeld Erneuerbare Energien der Hochschule Ingolstadt die Randbedingungen für den Einsatz von Kunststoffkollektoren und die Herstellkosten von entwickelten Kollektorkonzepten. Zusammen mit dem Industriepartner Roth Werke GmbH, Dautphetal, wird derzeit ein gemeinsames Forschungsprojekt zur Untersuchung von Fertigungstechnik und Konstruktion von Kunststoffkollektoren durchgeführt. Hierbei sollen bis zum Projektende im Frühjahr 2015 Funktionsmuster von Kollektoren entwickelt und umfangreich getestet werden.

Randbedingungen und Überhitzungsschutz

Bei der Erfassung der Randbedingungen lag der Fokus besonders auf der Analyse der am Kollektor auftretenden Temperaturbelastungen in einem Standardsolarsystem und der Entwicklung von Maßnahmen zur Reduktion von hohen Bauteiltemperaturen. Abbildung 1 zeigt einen Teil der hierfür vermessenen Solaranlage mit zwei Testkollektoren. Diese Kollektoren wurden mit umfangreicher Temperaturmesstechnik an Abdeckung, Absorber, Rahmen und Rückwand ausgestattet. Nach einem Jahr Messung zeigte sich, dass vor allem der Absorber und somit auch die Isolation mit direktem Kontakt unter einer sehr hohen und auch langen Temperaturbelastung stehen. Abbildung 2 zeigt beispielsweise die Ergebnisse der Messung für den Absorber des im Solarsystem eingebundenen Kollektors. Dabei sind die hohen Finnentemperaturen von bis zu über 130°C während des Betriebs und die extremen Stagnationstemperaturen von über 190°C deutlich erkennbar.

Abbildung 2: Histogramm der Temperaturen am Absorberblech des durchströmten Kollektors Quelle: Hochschule Ingolstadt [1] Klick Mich!

Vor allem die hohen Stagnationstemperaturen in konventionellen Flachkollektoren machen eine einfache Materialsubstitution mit preisgünstigen Polymerwerkstoffen unmöglich. Deshalb muss eine Kontrolle und Reduktion der auftretenden Bauteiltemperaturen erfolgen. Um ein solch hohes Temperaturniveau zu verhindern befasste sich die Hochschule Ingolstadt umfassend mit Maßnahmen, um diese unerwünschten thermischen Lasten zu vermindern. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Überhitzungsschutz unterscheiden: Es kann die Umwandlung von solarer Strahlung in Wärme, d.h. die optische Leistungsfähigkeit, verringert oder der Abtransport von überschüssiger, thermischer Energie vergrößert werden.

Die Verringerung der optischen Leistungsfähigkeit bedeutet, dass die Vorderseite des Kollektors weniger Solarstrahlung passieren lässt oder die Absorberoberfläche weniger Solarstrahlung in Wärme umwandelt. D.h. es wird mit diesen Maßnahmen das Transmissions-Absorptionsprodukt verändert. Eine solche Maßnahme wäre beispielsweise eine thermotrope Beschichtung auf der Kollektorvorderseite, die ihre Strahlungsdurchlässigkeit in Abhängigkeit von der Temperatur ändern kann.

Neben der Verringerung der optischen Leistungsfähigkeit kann der Abtransport von überschüssiger thermischer Energie durch thermische Verluste im Solarkollektor oder durch gezielte Kühlung über Fluidkreisläufe umgesetzt werden. Beispielsweise könnte eine schaltbare selektive Absorberbeschichtung die Wärmestrahlungsverluste des Kollektors abhängig von der Absorbertemperatur kontrollieren und somit den Kollektorwirkungsgrad und die Bauteiltemperaturen beeinflussen.

Da zusätzlich applizierte Maßnahmen immer zusätzliche Kosten und meist eine Wirkungsgradreduktion verursachen, ist die gezielte Variation der Bauteilleistungsfähigkeiten eine weitere Option. D.h. wirkungsgradsteigernde Maßnahmen werden eingespart und gleichzeitig extreme Temperaturen vermieden.

Im Projektverlauf wurde eine Vielzahl von möglichen Maßnahmen auf bestimmte Kriterien hin bewertet und bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit und Effizienz in einem entwickelten Simulationsmodell getestet [1].

Konstruktionskonzepte und Herstellkosten

Neben der Untersuchung zur Beständigkeit der Kollektoren gegenüber den genannten schadhaften Einflüssen ist die kunststoffgerechte Konstruktion von entscheidender Bedeutung. Durch die Unterschiede der physikalischen Eigenschaften von konventionellen Kollektormaterialien - wie beispielsweise Metall oder Glas - gegenüber Polymerwerkstoffen sowie durch die für Kunststoffe typischen Verarbeitungsverfahren kann die bestehende Konstruktion eines Flachkollektors nicht vollständig übernommen werden. So kann beispielsweise die Blech-Rohr-Konstruktion eines Standard-Absorbers aufgrund der stark verringerten Wärmeleitfähigkeit einer Kunststofffinne nicht dargestellt werden. Hierfür muss eine vollflächig durchströmte Geometrie gewählt werden. Gleiches gilt für die Gehäusekonstruktion, wobei es sich anbietet vor allem in diesem Bereich die Gestaltungsfreiheiten der Kunststofffertigungsverfahren auszuschöpfen bis hin zur Konzeptionierung von Vollkunststoffkollektoren mit integriertem Absorber.

Klassische Wannenkonzepte umschließen die Rückseitenisolierung und den Absorber und schützen diese Komponenten vor äußeren Einflüssen. Desweiteren kann die Wanne die Befestigungselemente für die Anbringung am Dach enthalten. Eine doppelwandige Wanne bildet mit dem eingeschlossenen Luftvolumen eine Wannenkonstruktion mit integrierter Isolation. Dadurch werden Teile- und Montagekosten gering gehalten. Abbildung 3 zeigt beispielhaft eine Schnittdarstellung der doppelwandigen Wanne mit aufgeklebter Abdeckung. Die Verbindung der oberen und der unteren Platte im Kollektormittelfeld sollen als Versteifungen die Stabilität der Konstruktion unterstützen. Die Wanne kann entweder durch Extrusionsblasformen oder mit einem Thermoforming-Prozess gefertigt werden. Um die rückseitige Isolationswirkung und die mechanische Stabilität zu erhöhen, kann der Innenraum der Wannenkonzepte auch mit PUR-Schaum ausgefüllt werden.

Abbildung 3: Schnittdarstellung einer doppelwandigen Wanne mit aufgeklebter Doppelstegplatte Quelle: Hochschule Ingolstadt [1] Klick Mich!

Ein sog. Strangkonzept ist ein leichter und steifer Ansatz, der auf der Basis einer Mehrfachstegplatte beruht. Das extrudierte Profil hat ein Skelett aus Stegen und bildet zahlreiche Hohlkammern. Die Kammern unter der strahlungsempfangenden Oberfläche bilden den Absorber. Alle weiteren Kammern dieser leichten und steifen Konstruktion dienen der Isolation. Abbildung 4 veranschaulicht ein Konzept eines Kollektors mit Hohlkammerprofil, geklebter Abdeckscheibe und angebrachtem Endstück. Zusätzlich sind spritzgegossene Endstücke nötig.

Abbildung 4: Schnittdarstellung eines extrudierten Kollektors mit Hohlkammerprofil, geklebter Abdeckung und angebrachtem Endstück sowie mit Mittelsteg zum Stützen der Abdeckung Quelle: Hochschule Ingolstadt [1] Klick Mich!

Eine Analyse der Herstellkosten solcher Kollektorkonzepte zeigte, dass abhängig von Materialwahl und –stärke eine Reduktion der Herstellkosten von bis zu 50% im Vergleich zu Standard-Flachkollektoren (2m²) möglich wäre. Jedoch wurde auch ersichtlich, dass bei unpassender Wahl des Kunststoffes und Dimensionierung der Kostenvorteil schnell aufgehoben wird.

Aktuelle Forschungsaktivitäten

Basierend auf den vorangegangenen Forschungsarbeiten werden in einem aktuellen Projekt in Zusammenarbeit mit Roth Werke GmbH Konstruktion und Fertigungstechnik für Kunststoffkollektoren untersucht (Abbildung 5). Der Partner Roth Werke GmbH produziert eine Vielzahl von Kunststoffprodukten – wie Schwimmbadabsorber oder Wärmespeicher – sowie Komponenten und Systeme zur Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien für Gebäude. Abbildung 6 zeigt die Arbeitsschritte im aktuellen Projekt. Zunächst wird die Kollektorkonstruktion für den Einsatz von Polymerwerkstoffen angepasst. Anschließend wird das Augenmerk darauf gelegt, die Fertigungstechnik anzupassen und ein nennenswertes Kostensenkungspotenzial gegenüber Standard-Flachkollektoren zu erreichen. Neben der Entwicklung von Kollektoren werden Systemaspekte ebenfalls in die Untersuchungen einbezogen. In der letzten Projektphase werden Funktionsmuster erstellt und in Komponenten- sowie Systemtests umfassend untersucht.

Abbildung 5: Benötigte Technologiefelder für die Entwicklung eines Voll-Kunststoffkollektors Quelle: Hochschule Ingolstadt Klick Mich!

Abbildung 6: Arbeitsinhalte im laufenden Projekt der Hochschule Ingolstadt und der Roth Werke GmbH Klick Mich!

Die vorgestellten Projekte werden durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in Zusammenarbeit mit dem PTJ Berlin gefördert.
FKZ: 0329285A und 0325986A

Literatur

  1. C. Reiter, C. Trinkl, W. Zörner. Solarthermie2000plus: Kunststoffe in solarthermischen Kollektoren – Anforderungsdefinition, Konzeptentwicklung und Machbarkeitsbewertung. BMU-Abschlussbericht (AZ 0329285A), 2011

Autorenbeschreibung

Dipl.-Ing. (FH) Christoph Reiter ist an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Ingolstadt - Kompetenzfeld Erneuerbare Energien als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Vermessung, Simulation und Entwicklung von solarthermischen Kollektoren und Systemen aus Polymerwerkstoffen tätig (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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