Zeitschrift EE

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2010-01

Solarthermie

Abbildung 1: Sanierung Dieselweg (Quelle: Jilek)

Österreich hat zwar noch kein spürbar ernsthaftes Problem mit seiner Energieversorgung, aber es ist im Entstehen. Der Energiebedarf wächst kontinuierlich und die Eigenversorgung sinkt. Vormals Musterland der erneuerbaren Energie lässt sich deren Anteil am Endenergieeinsatz kaum noch halten, geschweige denn vergrößern. Es sei denn, man würde den Bedarfszuwachs stoppen. Utopie?

Energiestrategie Österreich - Rettungsanker Gebäude?

Von Wolfgang Jilek *

Energiestrategie, Erstausgabe

Angesichts der tristen Fakten (über 75 % Import, Tendenz steigend) schien es für die Bundesregierung an der Zeit, eine Energiestrategie (EU-kompatibel mit dem Horizont 2020) entwickeln zu lassen. Vor dem Sommer 2009 eröffneten die Minister für Wirtschaft, Jugend und Familie, Dr. Mitterlehner und für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (auch: Lebensministerium), DI Berlakovich, einen aufwändigen Prozess unter dem Management von Brainbows, der Ideenfabrik der ehemaligen grünen NR-Abgeordneten Monika Langtaler: In neun Arbeitsgruppen sollten Maßnahmen erarbeitet und bewertet werden, deren wirkungsvollste letztlich die Energiestrategie des Bundes ergeben würden.
Ziel der Energiestrategie ist die Entwicklung eines nachhaltigen Energiesystems, das Energiedienstleistungen für den Privatkonsum sowie für Unternehmen auch in Zukunft zur Verfügung stellt und gleichzeitig die EU-Vorgaben realisiert. Insbesondere ist beabsichtigt,

  • den Anteil erneuerbarer Energieträger am Bruttoendenergieverbrauch bis 2020 auf 34% zu erhöhen und
  • gleichzeitig seine Treibhausgasemissionen in Sektoren, die nicht dem Emissionshandel unterliegen, bis 2020 um mindestens 16 % auf Basis 2005 zu reduzieren.

Abbildung 2: Fotovoltaikanlage; Bildquelle: LEV/Krug

Dabei wird postuliert, dass der Endenergiebedarf in Österreich bis 2020 nicht, wie aus dem „business as usual“-Szenario zu erwarten, auf über 1.400 PJ ansteigt, sondern mit 1.100 PJ auf dem Niveau von 2005 bleibt – sehr ambitioniert! Vorgesehen ist dabei, dass bei Gebäuden 10 und in der Mobilität 5 % eingespart werden, während Haushalte, Gewerbe, Landwirtschaft um 10 und die energieintensiven Unternehmen um 15 % mehr Energie brauchen dürfen.
Soweit die Theorie.
Eines vorweg: Das Interesse an einer Mitarbeit in den 9 Arbeitsgruppen

  • Erneuerbare Energien
  • Wasserkraft
  • Konventionelle Erzeugung
  • Netze und Speicher
  • Gebäude (Privat Gewerbe, Dienstleistungen; Leitung durch einen Ländervertreter)
  • Haushalte und Betriebe (Kleinverbrauch, KMU)
  • Energieintensive Unternehmen (Produktion, Strom, Wärme)
  • Mobilität
  • Anreiz, Regelung, Finanzierung, rechtliche Prüfung, F&E (mit 2 LändervertreterInnen)

war enorm, wenngleich auch aus unterschiedlichen Motiven. Die Sozialpartner waren ebenso beteiligt wie VertreterInnen verschiedenster Interessen, Energieversorger wie VerbraucherInnen und Bundesländer. Die Beteiligten brachten viel Zeit und Engagement ein, nicht zuletzt dokumentiert durch eine Fülle von vorgeschlagenen Maßnahmen (und zusätzliche Subarbeitsgruppen), über 90 alleine im Bereich Gebäude. Zu viele allerdings für eine auf das Wesentliche konzentrierte Energiestrategie, was einen objektiven (eingeplanten) Ausleseprozess notwendig machte. Dieser war allerdings schwieriger als es sich die Initiatoren vorgestellt hatten: Die Erwartungshaltung, von mehreren unabhängigen und zweifellos profunde arbeitenden Institutionen (u. a. Umweltbundesamt und Österreichische Energieagentur) einen eindeutigen Vorschlag zu den im Hinblick auf ihre Wirksamkeit für die Reduktion oder Stabilisierung des Energiebedarfs wie auch der CO2-Emissionen, der Schaffung von Arbeitsplätzen, positiver volkswirtschaftlicher Effekte und der Finanzierbarkeit effizientesten Maßnahmen zu bekommen war extrem ambitioniert. Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Berichtes war – obwohl der gesamte Prozess nach Wunsch der beiden Minister zum Jahresende abgeschlossen hätte werden sollen – noch kein Ergebnis absehbar.

Am Weg zum Passivhaus?

Sichtbar wurden Teilergebnisse, die als ermutigend bezeichnet werden können, selbst in so kritischen Bereichen wie der Mobilität. Hier soll aber – der Autor war Leiter der Arbeitsgruppe Gebäude – insbesondere auf den Bereich der Gebäude eingegangen werden:
Rund 90 von den Arbeitsgruppenmitgliedern vorgeschlagene Maßnahmen umfassten unterschiedlichste Themen von der Verbesserung von Energieausweisen (inhaltliche Qualität und Ausstellung) über technische Details und Impuls(förder)programme bis zur Änderung verschiedener, der Sanierung von Gebäuden hinderlicher gesetzlicher Regelungen. Sie wurden letztlich in vier große Bereiche zusammengefasst:

  • Weiterentwicklung der bestehenden 15a-Vereinbarung (diverse legistische Maßnahmen in den Baugesetzen und in der Wohnbauförderung sowie technische Vorgaben),
  • Steigerung der Gesamteffizienz und des Anteils erneuerbarer Energie bei der Wärmebereitstellung (vor allem über Anreizmechanismen),
  • Sanierung (legistische Maßnahmen im Bereich des Wohnrechts und Anreizsysteme) und
  • Qualitätsmanagement,

wobei versucht wurde, allen, auch entgegengesetzten, Interessen gerecht zu werden (es gab keine Mehrheitsentscheidungen), was allerdings auch zu einigen widersprüchlichen Ansätzen führte, die wohl erst nach einer endgültigen Evaluierung aufgelöst werden können.
Über ein Prinzip war man sich einig: Oberste Priorität genießt die Bedarfsreduktion in Form der Gebäudesanierung (und hier steht höchste Qualität vor einer breiten Umsetzung auf niedrigem Niveau, um den Weg in eine Zukunft niedriger Energienachfrage nicht gleich wieder zu verbauen), dann erst folgt die Umstellung auf erneuerbare Energie. Einfache Formel: Bedarfsreduktion auf 50% ergibt doppelt so viel Einsatz erneuerbarer Energie – ohne zusätzliche Ressourcen.

Peitsche und Zuckerbrot

Allerdings: Nur mit (Förder)Geld und ohne Eingriff in mehr oder minder wohl erworbene Rechte wird ein radikaler Wechsel vom Zuwachs zur Senkung nicht möglich sein. Folgerichtig stand die Notwendigkeit der Anpassung gesetzlicher Grundlagen außer Zweifel, wenn auch das mögliche (sozial)verträgliche Ausmaß unterschiedlich gesehen werden kann: Eine kurzfriste Betrachtung aus dem Blickwinkel des Konsumentenschutzes mag ergeben, dass zum Beispiel der geforderte Eingriff in das Mietenrecht, um eine Sanierung zu erleichtern, finanzielle Nachteile nach sich zieht, langfristig werden dann aber die Energiekosten reduziert, was zum Vorteil wird.
Der gesetzliche „Zwang“ wird auch für die Verwendung von Solarenergie gefordert – wohl begründet in Anwendungsfällen wie einer vernünftig ausgelegten Warmwasserbereitung oder teilsolaren Raumheizung, die ohnehin heute schon eine wirtschaftliche Nutzung ermöglichen. Die Förderung erneuerbarer Energie sollte sich folgerichtig auf Bereiche beziehen, die bis zur endgültigen Konkurrenzfähigkeit noch Hilfe benötigen, zum Beispiel über ein vernünftiges Ökostromgesetz. Dem hat der Wirtschaftsminister zu Jahresbeginn mit dem ausgesandten Entwurf dazu allerdings nicht Rechnung getragen, was durchaus als die erste große Panne der noch nicht beschlossenen Energiestrategie bezeichnet werden kann.

Gebäude – minus 70 Prozent?

Eine erste Hochrechnung hat ergeben, dass bei Ausschöpfung aller vorgeschlagenen Maßnahmen eine Reduktion des Endenergiebedarfs von Gebäuden über 50 Prozent, im Wärmebereich von bis zu 70 Prozent möglich wäre. Deutlich mehr als die angepeilten 10 % Einsparung sind realistisch, dass alle Maßnahmen zu tragen kommen ist allerdings unwahrscheinlich, zu groß wäre der Förderbedarf, zu radikal der Eingriff in erworbene Rechte.
Zumindest bis der Ölpreis über 200 $ liegt und auch der Erdgaspreis lichte Höhen erreicht. Dann kommt vielleicht die nächste Energiestrategie.

*) DI Wolfgang Jilek ist Energiebeauftragter der Steiermärkischen Landesregierung; Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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