2010-01
Solarthermie
Abbildung 1: UPC Arena Graz (Quelle: Solid)
Das Stagnationsverhalten thermischer Groß-Solaranlagen ist eine planerische Herausforderung, besonders wenn Stillstände betriebsbedingt häufig auftreten. Das kann z. B. bei Anlagen zur solaren Bereitstellung von Prozesswärme der Fall sein. Im vorliegenden Bericht werden ein Bauelement und ein zugehöriges Systemkonzept vorgestellt, die dafür sorgen, dass der im Stagnationsfall erzeugte Dampf sicher und ohne Einsatz von Hilfsenergie kondensiert wird und am Ende des Stagnationsvorganges eine automatische Wiederbefüllung und wartungsfreie Wiederinbetriebnahme des Solarkreislaufes ermöglicht wird..
Stagnation thermischer solarer Großanlagen
Einleitung
Das Verhalten von thermischen Solaranlagen für den Fall, dass es während eines solaren Strahlungsangebots zu einem Stillstand des Solarkreises kommt, weil z. B. kein Wärmebedarf vorliegt, oder ein Stromausfall auftritt, war in der jüngeren Vergangenheit Gegenstand zahlreicher Untersuchungen [1], [2], [3]. Die dabei ablaufenden Vorgänge sind nun physikalisch gut verstanden. Es ist deshalb gezielt möglich den Solarkreis so zu gestalten, dass es durch Stagnation zu keinen technischen Störungen bzw. keinem zusätzlichen Wartungsaufwand kommt. Insbesondere bei kleinen und mittleren Anlagen bis etwa 50 m² Kollektorfläche gibt es bewährte und einfache Maßnahmen die im Stagnationsfall auftretende Dampfentwicklung zu minimieren und auf thermisch ausreichend belastbare Anlagenbereiche zu beschränken, sowie einen Verlust an Wärmeträgermedium zu vermeiden. Zu diesen Maßnahmen zählt unter anderem die Ausführung gut entleerender Kollektoren und Systeme und im Bedarfsfall der Einsatz von einfachen Stagnations-Luftkühlern (Abbildung 2).
Abbildung 2: Prinzipschema der Verwendung eines Stagnationskühlers (Quelle: AEE INTEC)
Bei den bisher realisierten solaren Großanlagen ist eine ausreichende Wärmeabnahme in der Regel gewährleistet (z.B. Einspeisung in Wärmenetze mit geringem solaren Deckungsgrad). Deshalb wird es im Normalbetrieb zu keinen Anlagenstillständen kommen. Bei eher selten auftretenden technischen Gebrechen bzw. Stromausfall, wo es dabei auch zum Abblasen und damit zu einem Verlust eines größeren Teil des Wärmeträgermediums kommen kann, wird in Kauf genommen, dass die Anlage mit entsprechendem Wartungsaufwand wieder in Betrieb genommen werden muss. Weiters werden bei Großanlagen aus Kostengründen in der Regel einfach zu verschaltende aber deshalb eher schlechter entleerende Kollektoren eingesetzt, die zu einer großen Dampfentwicklung führen [2].
Solaranlagen für industrielle Prozesswärme
In letzter Zeit gibt es vermehrt Bestrebungen auch für den Anwendungsbereich der industriellen Prozesswärme thermische solare Systeme einzusetzen. Hier wird es sich meist um Anlagen im Bereich von über 50 m² bis einige 1000 m² Kollektorfeldgröße handeln. Eine ausreichende Wärmeabnahme zur Stagnationsvermeidung wird dabei nicht immer gewährleistet werden können, da mit Stillstandszeiten z. B. über Wochenenden, Urlaubszeiten oder auch während Prozessumstellungen zu rechnen sein wird. Ein wartungsfreies Stagnationsverhalten ist hier deshalb notwendig. Das bedeutet, dass kein Verlust an Wärmeträgermedium auftreten darf und eine Wiederbefüllung des Solarkreislaufes automatisch erfolgen muss.
Im Rahmen des Projektes PROMISE APPLICATION, bei dem es auch um die Anwendung solarer Wärme für Prozesse der Oberflächenbehandlung von Metallen und Kunststoffen geht, wird das Thema Stagnation von Großanlagen behandelt. Es sollte dabei das für kleine und mittlere Anlagen bewährte Konzept auch für Großanlagen adaptiert werden.
Leistungsfähiger Stagnationskühler für Großanlagen
Bei bisherigen Ausführungsformen von Großanlagen wird in der Regel die thermische Dehnung des Wärmeträgermediums während des Normalbetriebes über entsprechende Ausdehnungsgefäße oder Druckhalteanlagen beherrscht, meist ohne dass dabei größere Dampfvolumina berücksichtigt werden. Im seltenen Stagnationsfall wird dann über das Sicherheitsventil ausgedrückte Flüssigkeit in einem Behälter aufgefangen und Dampf wird über Dach abgeblasen. Eine Wiederbefüllung der Anlage wird aus diesem Auffanggefäß mit entsprechender Wärmeträgerergänzung über eine Füllpumpe vom Wartungspersonal durchgeführt.
Das hier dargestellte Konzept sieht vor, im Stagnationsfall Wärmeträgerdampf zu kondensieren und auch hoch erhitztes flüssiges Wärmeträgermedium ausreichend abzukühlen bevor es über ein Überströmventil entspannt wird und in das Auffanggefäß strömt. Der dazu notwendige Stagnationskühler muss spezifisch wesentlich leistungsfähiger als der bewährte Luftkühler für kleine Anlagen sein und ebenfalls ohne Hilfsenergie mit entsprechenden Reserven für einige Stagnationsvorgänge arbeiten.
Eine Möglichkeit einen solchen Kühler zu realisieren besteht darin, dass in einem mit einer größeren Menge Kühlwasser gefüllten drucklosen Behälter entsprechend angeordnete Kühlrohre eingebracht werden (Abbildung 3). Zur Wärmeabfuhr ausgenutzt wird dabei einerseits die spezifische Wärme des Kühlwasservorrats (4,2 kJ/kgK) bei der Erwärmung bis auf 100°C und anschließend seine Verdampfungswärme (2260 kJ/kg). Da der zu kühlende Dampf mit einer hohen Temperatur anfällt (z.B. ein Überdruck von 4,5 bar entspricht einer Siedetemperatur von etwa 155 °C), ist eine ausreichende Temperaturdifferenz für einen guten Wärmeübergang gegeben. Die hohen Wärmeübergangskoeffizienten bei der Kondensation des Wärmeträgerdampfes und beim Verdampfen von Wasser (Blasensieden) geben im Vergleich zum Luftkühler der Kleinanlagen die Möglichkeit, den neuen Kühler wesentlich kleiner zu bauen als ein entsprechender Luftkühler ohne Hilfsenergie (ohne Ventilator) wäre.
Abbildung 3: Skizze des Prototyps eines Stagnationskühlers für große Anlagen (max. Kühlleistung 70 kW) (Quelle: Pink Energie- und Speichertechnik)
Verdampftes Kühlwasser wird über Dach abgeführt. Das Kühlwasser wird über ein mechanisches Schwimmerventil bei Bedarf nachgefüllt, es liegt aber in einer ausreichenden Menge vor, um einige Stagnationsvorgänge ohne Nachfüllung zu beherrschen. Als Kühlwasser ist entweder entkalktes Wasser oder Regenwasser vorzusehen.
Durch die Anwendung dieser Siedekühlung wird der Kühlwasserbedarf gegenüber einer Kühlung im Durchfluss auf größenordnungsmäßig unter ein Zehntel vermindert und es muss auch keine Hilfsenergie während eines Stagnationsvorganges zur Verfügung stehen.
Nach Beendigung des Stagnationsvorganges erfolgt die Wiederbefüllung der Anlage aus dem Auffanggefäß automatisch. Ein Drucksensor steuert die Füllpumpe bis der reguläre Anlagendruck für den kalten Zustand wieder erreicht ist. Dabei ist allerdings die Gefahr von Kondensations-Dampfschlägen gegeben wenn sich die zurück gepumpte abgekühlte Flüssigkeit mit dem restlichen Dampf durchmischt. Um dieses Problem zu minimieren ist eine sehr langsame Wiederbefüllung vorzusehen und die Vor- und Rücklaufleitungen sind konsequent fallend vom Kollektor zum Technikraum zu verlegen.
Untersuchungen an einem Prototyp des Stagnationskühlers
Eine bestehende Großanlage (Errichter: S.O.L.I.D. Solarinstallation und Design GmbH) mit einer Kollektorfläche von 500m², die in Graz eine Wohnhausanlage mit Wärme versorgt, wurde mit einem Stagnationskühler nachgerüstet (Abbildung 4) und ein Messsystem wurde installiert. Der Kühler ist auf eine maximal zu erwartende Dampfleistung von etwa 70 kW ausgelegt. Dieser Wert entstammt einer Hochrechnung aus den Untersuchungen an Kleinanlagen. Allerdings ist auch bekannt, dass für Großanlagen die spezifischen Dampfleistungen eher geringer ausfallen [3], dazu sind jedoch keine exakteren Angaben verfügbar. Der Wert stellt somit eine Obergrenze dar.
Abbildung 4: Schema der Einbindung eines nach dem beschriebenen Prinzip arbeitenden Stagnationskühlers in eine solare Großanlage. Gelb: Dampf, rot: heißes, blau: kühleres flüssiges Wärmeträgermedium.
Quelle: AEE INTEC
Erste Versuche (August/September 2009) mit diesem System zeigten die Funktionsfähigkeit dieses Prinzips. Die Dampfausbreitung wurde mit diesem Kühler wirksam begrenzt und es waren auch ausreichende Reserven an Kühlmedium vorhanden um mehrere Stagnationsvorgänge ohne Nachfüllung zu beherrschen. Allerdings war das zu diesem Versuchzeitraum zur Verfügung stehende Strahlungsangebot in der Kollektorebene (flache Aufstellung, etwa maximal 900 W/m²) bereits relativ niedrig. Es sind weitere Versuche für den Zeitraum Mai bis Juli 2010 geplant.
Eine Auswahl an Messkurven zu einem Versuch ist in Abbildung 5 dargestellt. Um 10:46 Uhr wurde die Solarpumpe abgeschaltet. Um 11:53 Uhr hatte der Dampf den Stagnationskühler erreicht (siehe T Vorlauf, T Rücklauf und T Dampfrohr). Zu diesem Zeitpunkt unterschritt das Flüssigkeitsniveau im Dampfraum des Kühlers dasjenige der Kühlflüssigkeit und es wurde dampfförmiges Wärmeträgermedium sehr wirksam kondensiert. Bereits vorher hatte flüssiges Wärmeträgermedium mit Temperaturen von anfangs etwa 100 °C bis zuletzt nahezu Siedetemperatur den Kühlwasservorrat im Kühler im Bereich von 70°C (unten) bis 100 °C (oben) erhitzt und ein erstes Verdampfen von Kühlwasser verursacht. Die Bezeichnungen T 22cm bis T 82cm bedeuten die Höhen der Temperatursensoren im Kühlwasservorrat ab Behälterboden. Ebenso beziehen sich die Niveauangaben des unteren Diagramms auf den Behälterboden. Der intensive Kondensationsvorgang dauerte etwa bis 12:25 Uhr. Während des gesamten Versuchs wurden etwa 8 l Kühlwasservorrat verdampft und eine maximale Verdampfungsleistung von etwa 25 - 30 kW kurzfristig (innerhalb einer Minute) erreicht. Während des gesamten Vorganges hat das Überströmventil den Druck auf maximal 4,6 bar begrenzt. Beginnend ab etwa 12:30 Uhr hat sich der Dampf langsam wieder in höher gelegene Bereiche von Vor- und Rücklaufrohr zurückgezogen. Mit dem Absinken des Anlagendruckes auf unter 2 bar konnte der Wiederbefüllvorgang begonnen werden (bei dieser Versuchsanlage noch durch „händisches“ Einschalten der Füllpumpe) und ab etwa 16:00 konnte die Anlage ohne zusätzlichen Wartungsaufwand bereits wieder etwas (Rest-) Wärme aus dem Kollektor in den Speicher liefern. Bei dieser Anlage, die ursprünglich nicht auf eine optimale Entleerung hin konzipiert war (keine fallende Leitungsführung), kam es am Beginn der Wiederbefüllphase allerdings zu einigen stärkeren Dampfschlägen, als sich kühles Wärmeträgermedium mit Dampf aus Vor- bzw. Rücklaufleitung mischte.
Abbildung 5: Messkurven eines Stagnationsversuches vom 31.8.09 an der Versuchsanlage
Danksagung
Das Projekt wurde im Rahmen der Programmlinie Energie der Zukunft vom BMVIT und vom BMWA gefördert.
Folgende Partner waren am Projekt beteiligt:
- JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH, Graz
- AEE INTEC, Gleisdorf
- S.O.L.I.D. Solarinstallation & Design GmbH, Graz
- Der Stagnationskühler wurde geliefert von:
Pink Energie- und Speichertechnik, Langenwang
Literatur
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*) Dipl.-Ing. Robert Hausner ist Mitarbeiter der AEE INTEC, Abteilung für Solarthermische Komponenten und Systeme [^]