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Prozessmodellierung für die Brauindustrie

Von Bettina Muster

In den letzten Jahren wurde das Forschungsthema „Prozessintensivierung“ zur Maximierung der Prozessausbeute bei minimalem Ressourceneinsatz durch eine Reihe von neuen intensivierten Technologien vorangetrieben (siehe Artikel Prozessintensivierung auf Seite 7). Die Auswirkungen dieser neuen intensivierten Technologien auf die Gesamtproduktion und deren Energieverbrauch werden allerdings bisher nur selten evaluiert. Dieser Artikel zeigt anhand eines entwickelten Brauereimodells, dass eine derartige Betrachtung für Produktionsstätten mit minimalem Energiebedarf essentiell ist.


Prozessoptimierung erfordert ganzheitliche Betrachtung

Abbildung 1: Sankey Diagramm einer ausgewählten Brauerei basierend auf den Ergebnissen des Brauerei-Modells

Gemäß der “Roadmap for moving to a competitive low carbon economy in 2050” („Fahrplan für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft mit geringem CO2 –Ausstoß 2050“) hat sich die Europäischen Union zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um ca. 80 % zu senken (gegenüber 1990). Diese ehrgeizigen Ziele können nur durch einen ganzheitlichen Ansatz von energieeffizienten Technologien, Wärmerückgewinnung und Einsatz von erneuerbaren Energien erreicht werden.

Um die Energieeffizienz unterschiedlicher Technologiekombinationen bewerten zu können, sind Tools zur Prozessmodellierung nötig, die verschiedene Technologien abbilden und ihre Auswirkungen einerseits auf die Produktqualität, aber auch auf den Energiehaushalt berechnen können. Bei dieser Modellierung müssen sowohl mehrere Prozesse und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten als auch unterschiedliche Wärmeintegrationsstrategien in Betracht gezogen werden. Unterschiedliche Technologiekombinationen können so miteinander verglichen und auf Basis gewählter Zielkriterien evaluiert werden.

Die Prozessmodellierung kann auch diejenigen Prozesse identifizieren, die besonders kritisch für die Produktivität, die Erhöhung der Energieeffizienz oder die Versorgung mit Niedertemperaturwärme sind (beispielsweise aufgrund von benötigten Aufheizraten oder bestehenden Wärmetauscherflächen). Diese Analyse kann in weiter Folge Weiterentwicklungen von bestehenden Technologien stimulieren.

Variable Lastprofile der Prozesse als Ergebnis der Prozessmodellierung sind die beste Grundlage für die Analyse einer möglichen oder die Optimierung einer bestehenden Wärmerückgewinnung. Gerade im Bereich der Lebensmittelindustrie ist die zeitliche Komponente von Betriebszeiten und Lastschwankungen entscheidend bei der Planung von Wärmerückgewinnungskonzepten. Aufbauend auf der Nutzung interner verfügbarer Abwärme kann die Integration von erneuerbaren Energieträgern erfolgen.

Die Auswirkungen der Technologiewahl auf den thermischen Gesamtenergiebedarf sind besonders entscheidend, wenn Unternehmen komplexe Wärmeintegrationsstrategien zwischen den verschiedenen Prozessen implementiert haben. Dies ist zum Beispiel in Brauereien der Fall. Die in Brauereien und anderen Betrieben der Lebensmittelverarbeitung benötigten Temperaturniveaus machen diesen Industriezweig zu einem wichtigen Sektor für die Umsetzung einer effizienten Niedrigtemperaturwärmeversorgung über Abwärme oder erneuerbare Energie [4]. 

Prozessmodellierung in Brauereien

Es gibt viele Empfehlungen und Handbücher für die Verbesserung der Energieeffizienz in Brauereien und viele Studien wurden zu diesem Thema bereits veröffentlicht [2, 3, 6 und 7]. Energieverbrauchsanalyse auf Basis von Produktionsdatenerfassungssystemen und Benchmarking sind mittlerweile Stand der Technik in der Brauereiindustrie. Das verfügbare Material und das zunehmende Umweltbewusstsein haben zu enormen Einsparungen in den letzten Jahrzehnten beigetragen [1, 5]. Da die Verbrauchswerte stark variieren (nationale Daten schwanken zwischen 70,6-243,1 MJ/hl [5]) besteht eine noch immer anhaltende Notwendigkeit für Verbesserung. Oft ist besonders in den letzten Schritten zur Erreichung einer Energieversorgung ohne fossile CO2-Emissionen eine detaillierte Analyse erforderlich.

Für eine genauere Prozessmodellierung wurde daher ein Brauerei-Modell entwickelt, welches den Vergleich von unterschiedlichen Technologien und Betriebszuständen bezüglich des thermischen Energiebedarfs (Heiz- und Kühlbedarf), des Warmwassermanagements und der Produktqualität ermöglicht. Für die Analyse des Lastmanagements können variable Energiebedarfsprofile auf Basis der Prozessanforderungen und der bestehenden Energieversorgung berechnet werden. Abbildung 2 zeigt die Startseite des Modells sowie den Aufbau. Für jeden Bereich sind detaillierte Fließbilder hinterlegt, welche die Definition von Betriebszuständen einzelner Prozesse ermöglichen.

Abbildung 2: Übersicht über das Brauerei-Modell

Minimaler Wärmebedarf

Das Brauerei-Modell berechnet basierend auf den standortspezifischen Betriebsparametern und den implementierten Technologien den minimalen thermischen Energiebedarf für eine Brauerei. Dieser minimale thermische Energiebedarf (“minimal thermal energy demand per technology – MEDTTech”) ist wichtig für die Betreiber, da dieser die Zielvorgabe zur Verminderung des Energiebedarfs für bestehende Prozessparameter darstellt und Verbesserungen in der Effizienz stimulieren kann. Aus Prozess- und Verteilungseffizienz und minimalem thermischen Energiebedarf kann der Nutzwärmebedarf bestimmt werden (Der Nutzwärmebedarf ist jene Wärme, welche im Kessel oder in anderen Wärmeversorgungsanlagen erzeugt wird, um den Energiebedarf der Produktion zu decken). Das Brauerei-Modell fragt die Prozesseffizienz für jeden Prozess ab, sodass der Nutzwärmebedarf dargestellt werden kann.

Das berechnete Ergebnis kann mit dem realen thermischen Energiebedarf jedes Prozesses verglichen werden sofern Messungen für den thermischen Energiebedarf der einzelnen Prozesse vorliegen. In den meisten Brauereien sind Messungen des thermischen Energiebedarfs jedoch nicht für jeden Prozess implementiert, der Nutzwärmebedarf ist aber immer bekannt. Der Vergleich des berechneten Energiebedarfs, basierend auf dem minimalen thermischen Energiebedarf und der geschätzten, teilweise auch gemessenen Prozesseffizienz, zeigt die thermischen Energieverluste des Verteilungssystems. Undichte Ventile oder Kondensatableiter und offene Kondensattanks oder schlecht isolierte Rohrleitungen können zu diesen Verlusten beitragen. Zusätzlich zum Energiebedarf ist es auch interessant, den berechneten Zusatzwasserbedarf für das Kesselspeisewasser mit dem tatsächlichen Input an Zusatzwasser zu vergleichen. Diese Berechnung und tatsächlichen Verbrauch vergleichenden Analysen erhöhen die Genauigkeit der thermischen Energiebilanz einer Brauerei.

Qualitative Aspekte

Die Aufrechterhaltung der gewünschten Produktqualität ist in jedem Prozess der Lebensmittelindustrie von größter Bedeutung. Basierend auf den Eingabedaten des Benutzers/der Benutzerin berechnet das Brauerei-Modell einige qualitative Kennzahlen, wie beispielsweise Änderung der Würzedichte während der Prozessschritte oder die Bittereinheiten basierend auf der Zugabe von Hopfen. Es können freilich bei weitem nicht alle Einflüsse auf den Geschmack modelliert werden, aber es besteht zumindest die Möglichkeit einige wichtige Qualitätsaspekte wie beispielsweise die Zuckerbildung während des Maischvorganges oder den Extraktabbau während der Fermentation zu modellieren. Solche Modelle müssen experimentell durch Analysen ausgewählter Qualitätsparameter überprüft werden (beispielsweise amylolytischer, proteolytischer und zytolytischer Parameter für den Maischprozess). Für das Brauerei Modell wurde hier besonders der Maischprozess im Detail betrachtet (Abbildung 3).

Abbildung 3: Vergleich des Maischmodells mit experimentellen Daten der Zuckeranalytik

Berechnung von Energiebedarfsprofilen

Da der Brauprozess im Batch-Verfahren abläuft, variiert der thermische Energiebedarf über die Zeit signifikant. Um diesen zeitabhängigen Energiebedarf zu berechnen wurden Gleichungen für thermisch relevante Batch-Prozesse, wie Maischen, Würzevorwärmung, Würzekochen, Würzekühlung und Fermentation in das Modell integriert. Basierend auf der bestehenden benutzerInnendefinierten Energieversorgung und der gegebenen Wärmeübertragungsfläche wird ein Energiebedarfsprofil über die Zeit berechnet. In den meisten Brauereien ist der Energiebedarf am höchsten, wenn Kochen, Würzevorwärmung und Maischen von aufeinanderfolgenden Suden zur selben Zeit ablaufen.

Die folgende Abbildung 4 vergleicht die Energiebedarfsprofile von fünf Brauereien mit unterschiedlichen Technologie-Kombinationen. Hier werden die Auswirkungen der Auswahl der Technologien auf die Energiebedarfsschwankungen offensichtlich. In absoluten Zahlen kann zwischen Brauerei 1 und Brauerei 3 eine Reduktion der Leistungsspitze um 80 % erreicht werden. Dies bezieht sich auf den Vergleich einer herkömmlichen Brauerei mit einem intensivierten Sudhaus-Szenario, welches in kleineren Chargen und somit kontinuierlicher braut. In der herkömmlichen Brauerei beträgt die Verdunstungsrate beim Kochen 6 %, das intensivierte Sudhaus benötigt eine niedrigere Verdampfungsrate beim Kochen, verwendet eine neue Maischtechnologie sowie ein optimiertes Wassermanagement.

In Tabelle 1 sind die Kennzahlen der 5 Produktionsstandorte aufgelistet.

Tabelle1: Prozesse und Prozessparameter in fünf unterschiedlichen Brauereien 

Für Planungen und Optimierungen von Wärmerückgewinnungskonzepten sind die variablen Lastprofile besonders wichtig, da diese die Temperaturschichtung im Speicher, sowie den Lastverlauf von Wärmetauschern massiv beeinflussen. Für weitergehende Analysen zur Auslegung von Wärmetauschern und Speichern kann auf das SOCO Tool verwiesen werden [8].

Abbildung 4: Energiebedarfsprofile der fünf Brauereien mit unterschiedlichen Technologiekombinationen

Parameterstudien zu Technologien und Betriebsparametern

Ein weiteres Ziel des Brauerei-Modells ist der Vergleich von verschiedenen Technologien und / oder unterschiedlichen Betriebsbedingungen, um den Einfluss der Technologiewahl in Bezug auf den Gesamtenergiebedarf zu evaluieren. Auf diese Weise können Technologien ausgewählt werden, welche einen minimalen Gesamtenergiebedarf auf Basis der standortspezifischen Rahmenbedingungen und gewünschten Produktvorgaben erreichen. Durch Variation der Technologien können verschiedene Technologie-Szenarien berechnet und so die Effekte einer Technologieänderung auf das Wasser- oder Energiemanagement leicht identifiziert werden.

Die folgende Abbildung 5 zeigt den spezifischen Prozesswärmebedarf für die in Tabelle 1 spezifizierten Brauereien. Die Abbildung zeigt den notwendigen spezifischen Energiebedarf für verschiedene Temperaturniveaus. Die hier betrachteten Prozesse umfassen alle Brauprozesse vom Maischen bis zur Würzekochung, sowie außerdem die benötigte Energie zur Heißwasserbereitstellung, die durch das Wassermanagement der jeweiligen Brauerei bestimmt wird.

Abbildung 5: Spezifischer Energiebedarf auf unterschiedlichen Temperaturniveaus von ausgewählten Brauprozessen und der Heißwasserbereitstellung für verschiedene Brauereien

FAZIT

Es besteht ein signifikanter Einfluss der Technologieauswahl auf Energieeffizienz und Wärmeintegration in der Industrie. Gerade bei der Entwicklung von neuen „intensivierten“ Prozessen ist es daher notwendig, das Produktionssystem gesamtheitlich zu betrachten um gegenseitige Abhängigkeiten und Effekte unterschiedlicher Prozessschritte zu analysieren. Der kombinierte Ansatz von Prozessmodellierung und Wärmeintegration auf Basis von variablen Prozessprofilen ermöglicht die Planung von Technologiekombinationen mit minimalem Energiebedarf. Die Entwicklung von Prozessmodellen für andere Sektoren, ähnlich dem Brauereimodell, wäre ein sinnvoller Schritt zur Optimierung des industriellen Energiebedarfs.

Literatur

  1. [The British Brewing Industry - 30 Years of Environmental Improvement 1976-2006, British Beer & Pub Association, London, (2006); [cited 2014 February 15]; Available from: www.ibd.org.uk/cms/file/338.
  2. Guide to energy efficiency opportunities in the Canadian brewing industry, Natural Resources Canada, C.I.P.f.E. Conservation, Ottawa, Canada, (2012).
  3. Industrial Energy Efficiency Accelerator - Guide to the brewing sector, The Carbon Trust, London, (2011).
  4. Bramsiepe, C., et al., Low-cost small scale processing technologies for production applications in various environments—Mass produced factories, Chemical Engineering and Processing: Process Intensification 51, 32-52 (2012).
  5. Donoghue, C., et al., The Environmental Performance of the European Brewing Sector, KWA, Campden BRI, (2012); [cited 2014 March]; Available from: http://www.brewersofeurope.org/docs/publications/2012/envi_report_2012_web.pdf.
  6. Galitsky, C., et al., Energy Efficiency Improvement and Cost Saving Opportunities for Breweries, E.O. LAWRENCE and B.N. LABORATORY, Berkeley, (2003).
  7. Hackenseller, T. and T.M. Bühler, Efficient use of energy in the brewhouse, Huppmann GmbH, Germany, (2008).
  8. Fluch, J., Muster, B., Glatzl, W., Brunner, C., SOCO - Die intelligente Software zur Erhöhung der Energieeffizienz in Betrieben, "erneuerbare energie" 2013-4, 4-8.

AutorInnenbeschreibung

DI Dr. Bettina Muster ist Mitarbeiterin des Bereichs Industrielle Prozesse und Energiesysteme - IPE von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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