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Optimierungsgrundlagen für die Membrandestillation

von Joachim Koschikowski

Die Aufbereitung von Meerwasser zu Trinkwasser erhält ebenso wie die nachhaltige Behandlung von industriellen und kommunalen Abwässern eine immer größere Bedeutung. Besonders bei der Behandlung von Konzentraten mit hoher anorganischer Fracht werden nach wie vor Verdampferanlagen eingesetzt. Hier kann die Membrandestillation in Zukunft eine kostengünstige Alternative zu herkömmlichen Verfahren sein.

Abbildung 1: Solarbetriebene Membrandestillationsanlage des Fraunhofer ISE zur Entsalzung von Meerwasser auf Gran Canaria [Quelle: Fraunhofer ISE]

Prinzip der Membrandestillation

Bei üblichen Membran-Trennverfahren, wird als treibende Kraft zwischen den beiden Grenzflächen eine statische Druckdifferenz (z.B. Umkehrosmose), ein Konzentrationsgefälle (Dialyse) oder ein elektrisches Feld (Elektrodialyse) aufgeprägt. Die Selektivität der entsprechenden Membran wird durch ihre Porengröße, ihren Diffusionskoeffizienten oder ihre elektrische Polarität hervorgerufen.

Die selektive Eigenschaft einer Membran zur Membrandestillation (MD) beruht hingegen auf dem Rückhalt von flüssigem Wasser bei gleichzeitiger Permeabilität für freie Wassermoleküle d.h. Wasserdampf.

Diese Membranen sind aus einem hydrophoben Kunststoff gefertigt (z.B. PTFE, PVDF oder PP) und weisen typischerweise Poren mit einem mittleren Durchmesser von 0,1 bis 0,5 µm auf. Da Wasser starke Dipoleigenschaften hat und dadurch eine hohe Oberflächenspannung besitzt, der Membranwerkstoff aber unpolar ist, findet keine Benetzung der Membranporen statt, obwohl die Poren deutlich größer sind als Wassermoleküle. Freie Wassermoleküle, d.h. Wasserdampf, kann somit die Membran passieren.

Diesen Effekt macht man sich bei der MD zunutze um z.B. reinen Wasserdampf, von einer Sole abzutrennen. Dieser durch die Membran permeierte Wasserdampf wird auf der Membranrückseite als Produkt zu reinem Wasser kondensiert. Es könnten aber z.B. auch andere flüchtige Komponenten aus einer wässrigen Lösung abgetrennt werden.

Temperaturdifferenz als Antriebsenergie

Die Antriebsenergie, die den Dampf durch die Membran hindurch treibt, ist die aus der Temperaturdifferenz der beiden Flüssigkeitsströme resultierende Wasserdampf-Partialdruckdifferenz. Abbildung 2 zeigt, dass die Membran entsprechend auf der einen Seite (rot) mit einem warmen Solestrom und auf der anderen Seite (blau) mit einem kalten Produktstrom beaufschlagt wird. Die zum Antrieb benötigte Temperaturdifferenz über der Membran braucht nur im Bereich einiger Kelvin zu liegen. Die entsprechende Wasserdampfpartialdruckdifferenz sorgt dafür, dass die an der Membrangrenzfläche befindlichen freien Moleküle dem Druckgefälle folgen, durch die Membranporen hindurch permeieren und auf der kälteren Seite wieder kondensieren. Es liegt ein gekoppelter Stoff- und Wärmetransport vor, da mit dem Wasserdampf die entsprechende Latentwärme übertragen wird. Zusätzlich findet Wärmeleitung durch die Membran statt.

Abbildung 2: Temperaturprofil innerhalb der Kanäle und der Membran [Quelle: D.Winter Fraunhofer ISE, Membrane Distillation – A Thermodynamic, Technological and Economic Analysis, SHAKER, 2015]

Der Dampfmassenstrom j (Flux), der die Membran passiert berechnet sich wie folgt:

 Berechnung des Dampfmassenstroms

TE und TC sind dabei die Kernströmungstemperaturen im Verdampfer (E) und im Kondensator (C). Deren Differenz entspricht zwar in etwa dem extern aufgeprägten Temperaturprofil und ist in Verbindung mit dem Volumenstrom und der spezifischen Wärmekapazität des Fluids auch maßgeblich für den Energiebedarf verantwortlich, sie entspricht aber nicht der tatsächlichen Temperaturdifferenz, die als Antrieb für die Dampfpermeation zur Verfügung steht. Grund hierfür ist die Temperaturpolarisation (Abfall der Temperatur zur Membran-Grenzfläche bei der Verdampfung auf der warmen Seite (T1) bzw. der Anstieg der Temperatur während der Kondensation an der Grenzfläche auf der kalten Seite (T0) durch den lokalen Entzug bzw. das Freiwerden der Latentwärme). Hinzu kommen Wärmeleitungsverluste durch die Membran. Der Aufbau der Triebkräfte hängt daher neben den Kernströmungstemperaturen sehr stark von dem Grad der Temperaturpolaristion und damit dem Wärmeübergang innerhalb der Strömungskanäle ab. Hierzu ist ein hoher Turbulenzgrad förderlich, dieser erzeugt allerdings wiederum einen hohen Druckverlust und damit einen höheren elektrischen Energiebedarf. Damit kommt der Gestaltung des Verdampfer- und des Kondensatorkanals eine wichtige Aufgabe hinsichtlich der Optimierung von MD-Modulen zu. Die Auswahl geeigneter Spacer (Abstandshalter) ist dabei ein wesentlicher Aspekt.

dp/dT beschreibt die Wasserdampfpartialdruckdifferenz bei einer bestimmten Temperaturdifferenz anhand der Dampfdruckkurve. Hier ist zu beachten, dass sich die Dampfdruckkurven verschiedener Fluide wie auch Salzwasser sehr stark von reinem Wasser unterscheiden können, was bei der Prozessauslegung beachtet werden muss.

Membrangeometrie

Einen weiteren wesentlichen Einfluss auf die Leistung des MD-Prozesses hat die Beschaffenheit der Membran, die sich in der Membrankonstanten C wiederfindet.
Die Membran stellt durch Kollision der Dampfmoleküle mit den Wandungen der Membranporen bzw. weiteren Gasmolekülen in der Membran einen Widerstand für den Dampfmassenstrom dar, Für die Stöße mit den Wandungen sind die geometrischen Eigenschaften der Membran bestimmend wie der Porendurchmesser, die Membrandicke und der Windungsfaktor der Poren. Zusätzlich ist die Porosität entscheidend, da sie vorgibt, wieviel effektive Gesamtfläche pro Membranfläche überhaupt für die Diffusion offen ist. Die Kollision mit Luftmolekülen hängt von dem Anteil der Luftmoleküle an der Gesamtatmosphäre in den Poren ab. Dieser wiederum hängt von den Partialdrücken der einzelnen Gase und damit dem Temperaturniveau ab, d.h. je höher die Temperatur, desto größer ist der Anteil von Wasserdampf an der Gesamtatmosphäre.

Eine Optimierung der Membrangeometrie ist beschränkt möglich. Der Porendurchmesser ist aufgrund des sinkenden Wassereintrittsdrucks begrenzt, die Porosität, die typischerweise im Bereich von 80% liegt, ist durch die notwendige mechanische Stabilität eingeschränkt und eine Reduzierung der Membrandicke und damit der Diffusionslänge hat einen negativen Effekt auf die parasitäre Wärmeleitung und damit auf die effektive Triebkraft. Die mechanische Festigkeit kann hier zumeist durch einen zusätzlichen Membranträger verbessert werden. Der Windungsfaktor kann bei der Membranherstellung eingestellt werden und begrenzt zur Optimierung beitragen. Eine effektive Möglichkeit Widerstände für die Molekulardiffusion zu reduzieren besteht darin, die nicht gelösten Gase über einen Unterdruck aus dem System zu evakuieren und damit eine quasi reine Wasserdampfatmosphäre in den Poren zu schaffen.

Unterschiedliche Kanalanordnungen, wie in Abbildung 3 dargestellt, unterstützen eine Prozessoptimierung in entsprechender Weise.

Abbildung 3: Unterschiedliche Membrandestillations-Kanalkonfigurationen für verschiedene Anwendungen, (a) Direct Contact-MD, (b) Air Gap-MD, (c) Permeat Gap-MD [Quelle: D.Winter Fraunhofer ISE, Membrane Distillation – A Thermodynamic, Technological and Economic Analysis, SHAKER, 2015]

Beim Direct Contact-MD Verfahren (DCMD) spielen die Membraneigenschaften die größte Rolle, da lediglich die Membran als Barriere zwischen dem Rohwasser- und dem Produktstrom dient. Das Verfahren wird maßgeblich gekennzeichnet durch erhebliche Wärmeleitungsverluste und den Diffusionswiederstand der Membran. Neben der geometrischen Optimierung der Membran kann durch Rohwasserentgasung mittels eines externen Vakuumentgasers (V-DCMD) vor allem im unteren Temperaturbereich eine erhebliche Effizienzsteigerung erreicht werden.
Um die Wärmeleitungsverluste zu reduzieren ist beim Air-Gap-MD (AGMD)- Verfahren ein zusätzlicher isolierender Luftspalt hinter der Membran eingebracht. Die Kondensation des Wasserdampfes findet an einer impermeablen Kondensationsfolie auf der Rückseite des Spaltes statt. Diese wird über den Kondensatorkanal gekühlt. In diesem Fall kann als Kühlmedium Rohwasser verwendet werden, das dabei durch die Aufnahme der Latentwärme vorgewärmt wird. Das Produkt wird gravimetrisch aus dem Spalt abgeführt. Nachteil des AGMD Verfahrens ist, dass die Dampfmoleküle zusätzlich zur Membran noch den Diffusionswiederstand der Luftmoleküle im Luftspalt überwinden müssen. Eine deutliche Optimierung lässt sich hier durch ein Evakuieren des Luftspaltes, das gleichzeitig eine Evakuierung der Membranporen mit sich bringt, erreichen (Vakuum-Air-Gap-MD (V-AGMD)). Weitere kombinierte Konfigurationen bestehen, bei denen z.B. der Spalt zwischen Membranrückseite und Kondensationsfolie vollständig mit flüssigem Permeat gefüllt ist (Permeat-Gap-MD –PGMD).

Wärmerückgewinnung zur Reduzierung des thermischen Energiebedarfs

Während die beschriebenen Optimierungsmaßnahmen wie bei jedem Membranverfahren darauf abzielen den flächenspezifischen Ertrag zu steigern, ist in der Membrandestillation als thermisch getriebenem Trennverfahren ein zweiter Aspekt sehr wichtig, die Reduzierung des thermischen Energiebedarfs. Hierzu ist eine effektive Wärmerückgewinnung erforderlich.

Abbildung 4: AGMD oder PGMD Anordnung mit langen Kanälen zur Wärmerückgewinnung [Quelle: J.Koschikowski Fraunhofer ISE]

In Abbildung 4 ist zu erkennen, wie das Rohwasser im Verdampfer und das Kühlwasser im Kondensatorkanal über lange Strecken im Gegenstrom aneinander entlang geführt werden. Dadurch wird eine Vorwärmung des Rohwassers erreicht und es muss nur ein relativ geringe Temperaturerhöhung TVE-TKA extern erfolgen. Der zuzuführende, auf den Permeatmassenstrom bezogene spezifische thermische Energiebedarf qHeiz berechnet sich aus der spezifischen Wärmekapazität cp, dem Rohwassermassenstrom mRohw und dem Permeatmassenstrom mPermeat wie folgt:

Berechnung des spezifischen thermischen Energiebedarfs q


Gleichzeitig geht der flächenspezifische Ertrag mit zunehmender Wärmerückgewinnung zurück, da die lokalen Triebkräfte mit sinkender Temperaturdifferenz abnehmen. Der Gain Output Ratio (GOR) ist ein Maß für die Wärmerückgewinnung und beschreibt das Verhältnis der Verdampfungsenthalpie ΔH(Wasser=627kWh/m³) zur tatsächlich für die produzierte Permeatmenge aufgewandten Energie qHeiz.

Berechung des Gain Output Ratio

Abbildung 5 zeigt als Ergebnis einer umfangreichen Simulationsstudie für verschiedene MD-Verfahren in der Meerwasserentsalzung, welcher Zusammenhang zwischen Flux und thermischem Energiebedarf besteht.

Abbildung 5: Parameterstudie zur Optimierung verschiedener MD-Modulkonfigurationen unter Berücksichtigung verschiedenster geometrischer- und Betriebsführungsgrößen (Kanallänge, Kanaldicke, Massenströme,…) [Quelle: J. Koschikowski Fraunhofer ISE]

Fazit

Eine Optimierung von MD-Modulen muss entsprechend den Randbedingungen erfolgen. Steht z.B. Abwärme unbegrenzt kostenfrei zur Verfügung, dann können die Module kostengünstig mit einer kleinen Membranfläche (kleiner GOR) ausgestattet werden und hohe flächenspezifische Erträge liefern. Sind die Kosten für Wärme relevant bzw. ist die Wärmemenge im Verhältnis zur angestrebten Produktmenge begrenzt, sind kostenintensivere MD-Module mit längeren Kanälen und guter Wärmerückgewinnung (hohe GOR) erforderlich.

Autorenbeschreibung

Dr.-Ing. Joachim Koschikowski ist am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE als Gruppenleiter „Water Treatment and Separation“ tätig.
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