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Herausforderungen in der Abwasserreinigung

4. Reinigungsstufe auf Kläranlagen zur weitergehenden Behandlung kommunaler Abwässer

Die Anforderungen an die Reinigungsleistung von Kläranlagen ergeben sich direkt aus den Anforderungen des Gewässerschutzes. Der hohe Stand der Abwasserreinigung in Österreich hat durch die Verringerung der Gewässerbelastungen mit Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor ganz wesentlich zum heutigen guten Zustand der Gewässer beigetragen. Neben dem  Gewässerschutz sind heute Themen wie Energieeffizienz und die Betrachtung des Abwassers als wertvolle Ressourcenquelle (NEW–Ansatz: Nährstoff – Energie – Wasser Recycling aus Abwasser) ebenso wichtig wie das traditionelle Vorsorgeprinzip und die Minimierung des ökologischen Fußabdrucks durch weitergehende Entfernung anthropogener Verunreinigungen mit potentiell adversen Effekten im Gewässer. Speziell die beiden letztgenannten Aspekte und der Schutz von Trinkwasserressourcen sind die Ausgangspunkte für die Diskussion zur Implementierung einer 4. Reinigungsstufe auf Kläranlagen.

Projekt KomOzAk (Weitergehende Reinigung kommunaler Abwässer mit Ozon sowie Aktivkohle  für die Entfernung organischer Spurenstoffe), TU Wien, Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft

Entfernung organischer Spurenstoffe

Ausgehend von der Thematik hormonell wirkender Substanzen beschäftigt sich die Forschung etwa seit dem Jahr 2000 mit verfahrenstechnischen Möglichkeiten zur Entfernung organischer Spurenstoffe aus dem Abwasser. Zu Beginn wurde der Frage nachgegangen, inwieweit bestehende Kläranlagen nach dem Stand der Technik diese Substanzen bereits entfernen. Die in Österreich umgesetzten Schwachlastanlagen mit Nitrifikation und Denitrifikation entfernen etwa natürliche weibliche Sexualhormone sowie synthetische Hormone zu 90%. Die emittierten Rest-Konzentrationen liegen trotzdem noch über den definierten Wirkkonzentrationen und auch zahlreiche andere organische Spurenstoffe, wie im Haushalt eingesetzte Industriechemikalien und pharmazeutische Wirkstoffe , entziehen sich den klassischen Abbaumechanismen auf Kläranlagen und verlassen in unveränderten Konzentrationen die Kläranlage.

Verfahrenstechnische Möglichkeiten für eine 4. Reinigungsstufe

Die Forschung konzentrierte sich zunächst auf das Entfernungspotential von Verfahren, die aus der Trinkwasseraufbereitung bekannt sind. Membransysteme, Ozonung und Aktivkohlefiltration standen dabei im Mittelpunkt der Betrachtungen. Eine hohe zeitliche Variabilität, Schwankungen der Abwasserzusammensetzung sowie Verdünnung bei Regenereignissen führen jedoch zu einer starken qualitativen und quantitativen Dynamik, sodass eine direkte Umlegung der Verfahren aus dem Trinkwassersektor nicht möglich ist.

Da die in der Abwasserreinigung eingesetzten Membranverfahren (Mikrofiltration) nicht geeignet sind, die organischen Spurenstoffe zurückzuhalten, hat sich die Forschung in den letzten Jahren auf oxidative (Ozonung und AOP - Advanced Oxidation Processes) sowie adsorptive Verfahren (Aktivkohleanwendung) fokussiert. Bei den oxidativen Verfahren kommt es zu einer Zerstörung der Zielsubstanzen, wogegen sich bei den adsorptiven Verfahren die Zielsubstanzen an die Aktivkohle anlagern und so aus dem Wasserstrom entfernt werden. Heute werden die in Abbildung 1 (Varianten einer 4.Reinigungsstufe auf Kläranlagen) skizzierten Verfahren für großtechnische Umsetzungen der 4. Reinigungsstufe herangezogen.

Pulveraktivkohle – PAK

Bei der PAK-Anwendung wird pulverförmige Aktivkohle (Partikelgröße im µm Bereich) dem Reinigungsprozess zugegeben. Die Zugabe der Aktivkohle kann etwa direkt in das Belebungsbecken erfolgen (PAK-V1). Die Kohle wird dabei in den Belebtschlamm eingelagert und weitgehend mit dem Überschussschlamm entfernt. Auf Grund der geringen Partikelgröße der PAK erfolgt jedoch kein quantitatives Absetzen der Kohle im Nachklärbecken und es muss durch einen nachgeschalteten Filter (Sand- bzw. Anthrazitfilter) verhindert werden, dass mit Spurenstoffen beladene Kohle ins Gewässer ausgetragen wird. Die Zugabe der Aktivkohle kann auch unmittelbar vor diesem Filter erfolgen (PAK-V2) oder in einem separaten Kontaktor mit anschließender Sedimentation (PAK-V3).

Granuläre Aktivkohle – GAK

Die Anwendung von granulärer Aktivkohle (Partikelgröße im mm Bereich) erfolgt als Filtrationsstufe, in der das zu behandelnde Rohwasser durch einen mit GAK gefüllten Filter fließt. Die Filter können als offene Filter (GAK-V1) oder geschlossene Druckfilter (GAK-V2) ausgeführt sein und orientieren sich am Konzept, wie es auch in der Trinkwasseraufbereitung zum Einsatz kommt. Vorhandene, nachgeschaltete Sandfilter können relativ einfach auf einen Betrieb mit GAK umgerüstet werden. Die GAK-Filter werden rückgespült und benötigen keine nachgeschaltete Stufe zum Rückhalt von feinen Kohlepartikeln, wie dies bei der PAK-Anwendung der Fall ist.

Ozonung

Bei der Ozonung wird vor Ort aus Sauerstoff gasförmiges Ozon hergestellt, das über ein geeignetes Eintragssystem (Injektoren oder Diffusoren) in den Abwasserstrom eingeblasen wird. Ozon und die entstehenden OH-Radikale zerstören die organischen Spurenstoffe. Dabei entstehen auch unspezifische Nebenprodukte, die gemeinsam mit eventuell vorhandenem Restozon in einer anschließenden Abklingeinheit entfernt werden. Als Abklingeinheit eignet sich etwa ein Sand-, Hydroanthrazit oder Aktivkohlefilter. Bei der Ozonung kommt es im Gegensatz zur Aktivkohleadsorption auch zu einer Abtötung von Bakterien und somit zu einer Teildesinfektion des Abwassers um mehrere Zehnerpotenzen.
Abbildung 1 Varianten einer 4. Reinigungsstufe auf Kläranlagen zur weitergehenden Behandlung kommunaler Abwässer: Pulveraktivkohleanwendung (PAK) direkt im Belebungsbecken (PAK – V1), vor einem nachgeschalteten Filter (PAK –V2) oder in einem Kontaktor mit nachgeschalteter Sedimentation (PAK-V3); Granuläre Aktivkohle (GAK) in der Filtrationsstufe (offen  -  GAK – V1, geschlossener Druckfilter- GAK – V2); Ozonung und für Österreich entwickeltes Mehrbarrierensystem mit Ozonung und Aktivkohlefilter.

Beide heute als geeignet angesehene Verfahren (Ozonung und Aktivkohle) können aufgrund ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften für sich alleine nicht alle organischen Spurenstoffe entfernen. Beide weisen Vor- und Nachteile auf, sodass keine der beiden Technologien a priori zu präferieren ist. Zusätzlich zu verfahrensimmanenten Aspekten spielen länderspezifische Rahmenbedingungen eine wesentliche Rolle bei der Verfahrensauswahl. Im Projekt KomOzAk - „Weitergehende Reinigung kommunaler Abwässer mit Ozon sowie Aktivkohle für die Entfernung organischer Spurenstoffe“ wurden Verfahrensvarianten und -kombinationen näher untersucht, welche die in Österreich gegebenen Rahmenbedingungen auf Kläranlagen berücksichtigen. Für Österreich wird eine aus Ozonung und nachgeschalteter, biologisch aktivierter granulärer Aktivkohlefiltration bestehende Verfahrenskombination als sinnvollste Lösung erachtet. Diese Kombination kompensiert die Nachteile der Einzelverfahren und stellt zudem ein Multibarrierensystem dar, das neben einer Maximierung der Spurenstoffentfernung vor allem in Hinblick auf die Investitionssicherheit für die Betreiber als nachhaltige Lösung erachtet wird.

Realisierte Anlagen in der DACH-Region und Rahmenbedingungen

Die Schweiz ist mit der Implementierung einer 4. Reinigungsstufe zur gezielten weitergehenden Entfernung organischer Spurenstoffe weltweit am weitesten fortgeschritten. In den letzten Jahren wurden die diesbezüglichen gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen. Seit Anfang 2014 ist in der Schweiz auf der Kläranlage Neugut (Zürich) mit einer Ozonung die erste großtechnische 4. Reinigungsstufe in Betrieb. Auch in Deutschland gibt es bereits großtechnische Umsetzungen bzw. konkrete Planungen. Abbildung 2 zeigt die mit Stand Sommer 2016 in Betrieb bzw. in Umsetzung befindlichen 4. Reinigungsstufen in der DACH-Region.

Übersichtskarte Spurenstoffelimination auf Kläranlagen (PAK … Pulveraktivkohle). Quelle: Daten aus VSA Plattform „Verfahrenstechnik Mikroverunreinigungen” www.micropoll.ch; eigene Darstellung

Wie bereits oben angeführt, wirken sich länderspezifische Rahmenbedingungen  auf die Implementierung einer 4. Reinigungsstufe aus. In Deutschland und der Schweiz sind nachgeschaltete Sandfilter weit verbreitet, die historisch für einen Partikelrückhalt geplant wurden. Obwohl sich diese oftmals nicht in Betrieb befinden, ist eine Umrüstung in eine 4. Reinigungsstufe vergleichsweise einfach möglich. In Deutschland gibt es außerdem eine Abwasserabgabe, die vom Betreiber abzuführen ist und wesentlich durch die emittierten CSB-Frachten bestimmt wird. Durch den Einsatz von Aktivkohle als 4. Reinigungsstufe wird nun auch an und für sich unbedenklicher CSB (z.B. Huminstoffe) entfernt, womit sich aber für den Betreiber die Abwasserabgabe deutlich reduziert und diese Einsparungen für die 4. Reinigungsstufe herangezogen werden können. Dieser Aspekt tritt bei der Ozonung nicht auf, sodass in Deutschland die Aktivkohle einen monetären Vorteil genießt.

Ausblick

Nach der Umsetzung von Hochlastanlagen zur Entfernung leicht abbaubarer Kohlenstoffverbindungen, der Implementierung von Nitrifikation, Denitrifikation und Phosphorentfernung stellt die 4. Reinigungsstufe zur gezielten Entfernung biologisch nicht abbaubarer organischer Verbindungen die nächste qualitative Stufe in der Abwasserreinigung dar. Auch wenn gegenwärtig noch keine entsprechenden gesetzlichen Anforderungen definiert sind, so zeigen die Entwicklungen in der Schweiz und in Deutschland, dass zukünftig mit einer entsprechenden Umsetzung zu rechnen ist. Die 4. Reinigungsstufe trägt zudem einem modernen NEW–Ansatz (Nährstoff – Energie – Wasser Recycling aus Abwasser) in der Abwasserreinigung Rechnung, bei dem Abwasser nicht als zu entsorgende Verschmutzung, sondern als Ressourcenquelle betrachtet wird. Das so behandelte Abwasser kann gefahrlos z.B. für landwirtschaftliche und kommunale Bewässerung wiederverwendet werden. Dadurch werden auch in Hinblick auf Anpassungsstrategien zum Klimawandel natürliche Wasserressourcen geschont und eine kleinräumige Kreislaufschließung bei der Ressourcennutzung erreicht.

Varianten einer 4. Reinigungsstufe auf Kläranlagen zur weitergehenden Behandlung kommunaler Abwässer: Pulveraktivkohleanwendung (PAK) direkt im Belebungsbecken (PAK–V1), vor einem nachgeschalteten Filter (PAK–V2) oder in einem Kontaktor mit nachgeschalteter Sedimentation (PAK-V3); Granuläre Aktivkohle (GAK) in der Filtrationsstufe (offen - GAK–V1, geschlossener Druckfilter- GAK–V2); Ozonung und für Österreich entwickeltes Mehrbarrierensystem mit Ozonung und Aktivkohlefilter (DENI … Denitrifikation) Quelle: Norbert Kreuzinger, TU Wien, Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft

Das Projekt KomOzAk „Weitergehende Reinigung kommunaler Abwässer mit Ozon sowie Aktivkohle für die Entfernung organischer Spurenstoffe“ wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Projektnummern B202770 & 100927) gefördert. Das Projekt wurde gemeinsam mit den Projektpartnern Donau Chemie AG, Messer Austria GmbH, VA TECH WABAG GmbH und Xylem Service GmbH durchgeführt. Ein spezieller Dank für deren Unterstützung sei an dieser Stelle auch an die begleitende Kläranlage gerichtet, an deren Standort die Versuchsanlage betrieben wurde.

Weiterführende Links

Projektbericht KomOzAk: https://www.bmlfuw.gv.at/service/publikationen/wasser/KomOzAk---Langfassung.html

Themenband „Spurenstoffe in der aquatischen Umwelt“ der Fachzeitschrift "Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft" (ÖWAV); Springer Verlag; Volume 65, Issue 5-6, Juni 2013 http://link.springer.com/journal/506/65/5/page/1

ÖWAV Positionspapier „Anthropogene Spurenstoffe in der aquatischen Umwelt“ (2013) http://www.oewav.at/home/Service/Download - Positionspapiere

DWA-Themenband „Möglichkeiten der Elimination von anthropogenen Spurenstoffen - T 3/2015“ http://www.dwa.de

VSA-Plattform "Verfahrenstechnik Mikroverunreinigungen" https://www.micropoll.ch

ESSEM COST Action ES1403 New and emerging challenges and opportunities in wastewater reuse (NEREUS) http://www.nereus-cost.eu

Autor

Ass.Prof. Mag.rer.nat. Dr.rer.nat. Norbert Kreuzinger ist Leiter der Forschungsgruppe „Naturwissenschaftliche Grundlagen und weitergehende Aufbereitungsverfahren in der Wassergütewirtschaft“ des Instituts für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der Technischen Universität Wien. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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