2006-02: Neue Wege in der Solarthermie
Kollektorentwicklungen
Wie Entwicklungen in anderen Industriesektoren (z. B. Elektro- und Elektronik-, Automobil-, Bau- und Verpackungsindustrie) eindrucksvoll belegen, ist auch in der Solarindustrie ein hohes Potenzial für innovative Weiterentwicklungen von Komponenten und Systemen durch den verstärkten Einsatz von Kunststoffen zu erwarten.
Kunststoffe
Neue Möglichkeiten in der Solarthermie
Von Gernot M. Wallner und Reinhold W. Lang*
Kunststoffe
Kunststoffe sind makromolekulare, organische Werkstoffe bestehend aus einer Vielzahl gleicher oder gleichartiger monomerer Einheiten, meist aus Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Sauerstoff- und Stickstoffatomen. Während um 1950 weltweit etwa 1 Mio. t Kunststoffe produziert wurde, kam es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem rasanten Anstieg der Weltproduktion auf 202 Mio. t im Jahre 2003. Bei volumsbezogener Betrachtung wurden 2003 etwa 1,7 mal mehr Kunststoffe als Rohstahl hergestellt und verarbeitet [1].
Je nach maximaler Dauergebrauchstemperatur und Materialpreis werden Massenkunststoffe, technische Kunststoffe und Hochleistungskunststoffe unterschieden. Während Massenkunststoffe mit einem Materialpreis von etwa 1 bis 2 €/kg bei Temperaturen bis zu 80°C dauernd einsetzbar sind, liegen der Materialpreis und die maximale Dauergebrauchstemperatur der technischen Kunststoffe bei etwa 3 bis 10 €/kg und etwa 150°C und der Hochleistungskunststoffe bei über 10 €/kg und bis etwa 260°C.
Stand der Technik
In passiv-solarthermischen Systemen sind Kunststoffe im Bereich der transparenten Wärmedämmung von zentraler Bedeutung [2,3]. Kunststoffe in aktiv-solarthermischen Systemen werden vornehmlich für Schwimmbadkollektorsysteme eingesetzt. Bis 2003 entfielen etwa 24% der installierten solarthermischen Kapazität auf Schwimmbadkollektoren aus EPDM-, PE- oder PP-Absorbern und PP-, ABS- oder PA-Sammlern und -Verrohrung [4] (EPDM...Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk, PE...Polyethylen, PP...Polypropylen, ABS...Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer, PA...Polyamid). Je nach Einsatzgebiet solarthermischer Systeme werden vier Betriebstemperaturbereiche unterschieden [5]. Während für die Schwimmbadvorwärmung Maximaltemperaturen von etwa 35°C erreicht werden, sollten die Betriebstemperaturen von Kollektoren für die Warmwasserbereitung und die solare Raumheizung bis zu etwa 80°C betragen, für die Einspeisung in Fernwärmenetze und das solare Kühlen bis zu etwa 100°C und für industrielle Prozesse über 100°C [5].
Abbildung 1: Kollektorwannen und -rahmen aus Kunststoff
Quellen: links: Roth-Werke; rechts: Buderus
Abbildung 2: Kunststoffkollektoren
Quellen: links: Solartwin; rechts: Solarnor
Einsatzbereiche
Was Flachkollektoren anlangt, sind Dichtungen aus EPDM bereits seit Jahren Standard. Aufgrund des besseren Wärmedämmvermögens, des geringeren Gewichtes und der einfacheren Installation verwendet der dänische Kollektorhersteller ARCON (www.arcon.dk) Stegplatten aus Polycarbonat für die Verglasung seiner Flachkollektoren. Im Bereich der Kollektorwannen und -rahmen wurden von den Firmen Roth-Werke (D) (www.roth-werke.de) und Buderus (D) (www.buderus.de) Kunststofflösungen (Kollektorwanne aus ABS und Rahmen aus glasfaserverstärktem Kunststoff) entwickelt und in kommerzielle Produkte übergeführt (Abbildung 1). Ein Vorteil der Kunststoffwannen und -rahmen liegt in der Montagefreundlichkeit. Als Absorbermaterial kommen Kunststoffe nur in drucklosen Systemen zum Einsatz. Während von Solartwin (UK) (www.solartwin.com) ein Flachkollektor mit Absorberverrohrung aus frostsicherem Silikonkautschuk und PC-Stegplattenverglasung angeboten wird, besteht der Solarnor-Vollkunststoffkollektor (N) (www.solarnor.com) aus einem Absorber aus PPO/PS-Blend (Polyphenylen-oxid/Polystyrol) und einer PC-Stegplattenverglasung (Abbildung 2).
Kunststoffe kommen auch bei Speichern und Pumpen zum Einsatz. Während für die Wärmedämmung von Speichern Kunststoffschäume Stand der Technik sind, sind Kunststoffe im Bereich der Behälter nur in geringem Ausmaß im Einsatz (Abbildung 3). Hervorzuheben sind die Kunststoff-Speicherbehälter der Fa. Consolar (D) (www.consolar.de), der Fa. Schüco (D) (www.schueco.de) und der Fa. Haase (D) (www.haase-energietechnik.de) und die Low-Flow-Schichtladelanze und -Pumpe der Fa. Solvis (D) (www.solvis.de). Besondere Bedeutung haben Kunststoffe bei Speicherkollektoren oder Thermosyphonsystemen erlangt (Abbildung 4). Diese werden beispielsweise von Herstellern in Deutschland (Solarmaxx oder Solartrap, www.solarpower-gmbh.de), USA (SunCache, www.davisenergy.com) oder Australien (Solco, www.solco.com.au) in Vollkunststoffbauweisen gefertigt.
Abbildung 3: Kunststofftank aus PP
Quelle: Schüco
Abbildung 4: Kunststoffspeicherkollektoren
Quellen: links: Solarpower; rechts: Davis Energy Group
Künftige Entwicklungen
Die in solarthermischen Systemen für die Warmwasserbereitung und Raumheizung eingesetzten Flachkollektoren werden aus einer Vielzahl unterschiedlicher Materialien hergestellt. Wie Entwicklungen zeigen, ist es technisch realisierbar einen Solarkollektor aus Kunststoffen herzustellen (z.B. www.solarnor.com). Kunststoffkollektoren besitzen gegenüber konventionellen Kollektoren aufgrund der Reduktion des Materialmixes und dem Einsatz weitgehend automatisierbarer Fertigungsabläufe signifikante Kostenreduktions-potenziale.
Bei derzeit in Mitteleuropa für die Warmwasserbereitung und Raumheizung eingesetzten solarthermischen Systemen mit selektiv beschichteten Flachkollektoren kommt es im Stillstandsfall zu Temperaturen von etwa 200°C. Derartige Systeme weisen insbesondere für die Warmwasserbereitung und die solare Raumheizung mit Sollbetriebstemperaturen bis etwa 80°C ein eingeschränktes funktionsorientiertes Design auf, denn die höheren Temperaturen bringen keine technischen Vorteile der Anlage, sondern eine Reihe von Problemen. Die metallischen Materialien für Absorber, Verrohrung und Speicher haben eine hohe thermische Belastbarkeit. Für den Einsatz von Kunststoffen in solar-thermischen Systemen wird es allerdings unerlässlich sein, das Design von Solaranlagen an das bereitzustellende Temperaturniveau anzupassen. Hochleistungskunststoffe mit Betriebstemperaturen von bis zu 260°C bieten aufgrund der aufwändigen Herstellprozesse keine signifikanten Kostenreduktionspotenziale, sodass für die Entwicklung von solarthermischen Systemen aus Kunststoff nur technische Kunststoffe oder Massenkunststoffe in Betracht kommen.
Eine zentrale technische Herausforderung liegt bei der Realisierung von Vollkunststoff-Solarsystemen bei der Reduktion der Überhitzungsproblematik. Die Anpassung an den Sollbetriebstemperaturbereich kann entweder auf Kollektorebene oder auf Systemebene erfolgen. Prinzipiell ist eine Vielzahl von Überhitzungsschutzeinrichtungen auf Kollektorebene möglich [6].
Projekte
Diesen Entwicklungen Rechnung tragend werden an der Polymer Competence Center Leoben (PCCL) und am Institut für Werkstoffkunde und Prüfung der Kunststoffe der Montanuniversität Leoben derzeit zwei Projekte im Forschungsbereich „Kunststoffe für die Solartechnik“ abgewickelt. Der Fokus des vom Land Steiermark geförderten und in Kooperation mit der AEE INTEC und der Dr. Schobermayr Kunststofftechnik durchgeführten Projektes mit dem Titel „Solarthermische Kunststoffkollektoren mit integriertem Überhitzungsschutz“ liegt bei der Komponentenentwicklung, der Modellierung und Optimierung und der Vermessung von Kunststoffkollektoren mit integriertem Überhitzungsschutz. Das in Kooperation mit der Universität Oslo und der Fa. Solarnor abgewickelte, strategische PCCL-Projekt „Polymeric Materials for Solar Absorbers – Investigation of Ageing Behavior“ konzentriert sich auf die Untersuchung des Langzeit- und Alterungsverhaltens von technischen Kunststoffen und Massenkunststoffen für Solarabsorber und die Erarbeitung von Struktur-Eigenschafts-Beziehungen.
Das hohe Potenzial von Kunststoffen für die Solarthermie wird durch eine Initiative zur Etablierung eines International Energy Agency Tasks im Solar Heating & Cooling Programm mit dem Titel „Polymeric Materials for Solar Thermal Applications“ unterstrichen. Dazu wurde von einem internationalen Konsortium mit derzeit etwa 15 Forschungspartnern und etwa 20 Firmenpartnern ein Forschungskonzept aus-gearbeitet, das von der IEA positiv evaluiert und zur Detailkonzeption empfohlen wurde. Durch die Vernetzung der Werkstoff- und Solarenergieforschung auf internationaler Ebene sind erhebliche Potenziale für innovative Weiterentwicklungen von solartechnischen Komponenten und Systemen zu erwarten.
Literatur /1/ Wirtschaftsdaten und Grafiken zu Kunststoffen, Verband Kunststofferzeugende Industrie e.V., VKE Arbeitsausschuss Statistik und Marktforschung, 2004 (www.plasticseurope.org). |
*) Dipl.-Ing. Dr. mont. Gernot M. Wallner ist Universitätsassistent und O. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Mont. Reinhold W. Lang ist Leiter des Instituts für Werkstoffkunde und Prüfung der Kunststoffe, Montanuniversität Leoben und Polymer Competence Center Leoben GmbH (PCCL), Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, http://www.iwpk.at [^]