Zeitschrift EE

nt 03 | 2020: Innovative Demonstrationsgebäude

Nationaler Energie- und Klimaplan und Erneuerbare Energiegemeinschaften

Johannes Schmidl

Die Österreichische Regierung hat Ende 2019 fristgerecht den „Nationalen Energie- und Klimaplan“ (NEKP) gemäß Governance-Verordnung der Europäischen Kommission vorgelegt. Mit ihren Nationalen Energie- und Klimaplänen sollen alle Mitglieder der Europäischen Union darstellen, wie sie in der Periode 2021 bis 2030 die Nachhaltigkeitsziele in den Bereichen erneuerbare Energie, Energieeffizienz und Treibhausgas-Reduktion im Einklang mit den Zielen der Gesamtunion erreichen wollen. Leider zeigt der österreichische NEKP klar die Zurückhaltung jener Übergangsregierung des zweiten Halbjahres 2019, die in ihrem Selbstverständnis eher verwalten und überbrücken als weitreichende Entscheidungen fällen wollte. Dass der NEKP deutlich nachgebessert werden muss, hat die zuständige Ministerin Leonore Gewessler inzwischen klar gemacht, und das spiegelt sich auch im Regierungsprogramm wider.

Foto: privat

Bekanntlich gibt es im Clean Energy Package1 der EU ja keine Ziele der einzelnen Mitgliedsstaaten, sondern Gesamtziele der Union. Die EU-Kommission wird voraussichtlich noch im Herbst 2020 ausführliche Länderanalysen der einzelnen NEKPs kommunizieren und überprüfen, ob die einzelnen Pläne der Mitgliedsstaaten zusammen jenes Ziel erreichen, das sich die Union als Ganzes gesetzt hat. Andernfalls müssen die NEKPs verbessert werden.

Im österreichischen NEKP wird die zukünftige Entwicklung der heimischen Energielandschaft mit einem WAM-Szenario simuliert. „WAM“ steht für „With Additional Measures“, was bedeutet, dass auch einige derzeit noch nicht realisierte Maßnahmen simuliert werden.

Der Österreichische NEKP ist unzureichend

Trotz dieser „zusätzlichen Maßnahmen“ würde Österreich seine Klimaziele klar verfehlen. Von der bis 2030 angestrebten Senkung der Treibhausgas-Emissionen (Effort Sharing, (EU) 2018/842) um 36 Prozent werden nur 27 Prozent erreicht, es verbleibt eine Lücke von 5,2 Millionen Tonnen CO 2 . Dabei hält die Klimawissenschaft sogar eine Reduktion um 50 Prozent für notwendig, um mit den Pariser Klimazielen kompatibel zu sein.

Sehr dürftig fallen im NEKP auch die Ziele im Bereich der Energieeffizienz und im Gebäudebereich aus: Als Energieeffizienzziel für 2030 wird lediglich ein Intensitätsziel vorgeschlagen und keine absoluten Einsparziele, was nicht sicherstellt, dass der Energieverbrauch überhaupt sinkt. Die „Long Term Renovation Strategy“,2 welche den Energieverbrauch im Gebäudebereich bis 2050 darstellt, bleibt überhaupt jegliche Verbrauchsreduktion im Gebäudebereich schuldig. Der endgültige österreichische NEKP muss also besser werden. Wesentlich für das Gelingen der Energiewende wird es sein, die Akzeptanz bei der Bevölkerung zu stärken, damit beim Ausbau der erneuerbaren Energien involvierte Österreicher und Österreicherinnen hinter der Energiewende stehen.

Bürgerenergie- und Erneuerbare-Energie- Gemeinschaften

Mit diesen „Energiegemeinschaften“ reagiert die Europäische Union auf die zunehmend dezentrale Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern: Die Konsumenten und Konsumentinnen wandeln sich zunehmend zu „prosumern“,3 die in Zukunft eine aktivere Rolle im Energieversorgungssystem einnehmen. Eine Erwartung geht dahin, dass Regionalisierung und Dezentralisierung des Energiesystems auch die Versorgungssicherheit und die Robustheit des Gesamtsystems stärken.

Beide Formen der Energiegemeinschaften stellen freiwillige Zusammenschlüsse von natürlichen Personen, öffentlichen Stellen, lokalen Behörden, Gemeinden oder Kleinunternehmen dar. Ihr Hauptzweck stellt nicht die Gewinnerzielung im betriebswirtschaftlichen Sinn dar, sondern die Schaffung ökologischer, wirtschaftlicher oder gemeinschaftlicher Vorteile für die Mitglieder oder das Tätigkeitsgebiet.

Bürgerenergiegemeinschaften und Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften haben in ihrer grundsätzlichen Ausprägung Ähnlichkeiten, in den Details unterscheiden sie sich aber.

Tabelle: Energiegemeinschaften im Clean Energy Package. Quelle: Stiftung Umweltenergierecht

Bürgerenergiegemeinschaften können grundsätzlich in sämtlichen Wertschöpfungsbereichen für ihre Anteilseigner oder Mitglieder tätig sein, also neben Energieerzeugung und -speicherung auch in der Verteilung und Versorgung sowie als Anbieter von Energieeffizienzdienstleistungen oder Ladedienstleistungen für Elektrofahrzeuge. Demgegenüber sind die Tätigkeiten von Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften darauf beschränkt, die produzierte erneuerbare Energie gemeinsam zu nutzen, die Aktivitäten umfassen keine Energiedienstleistungen. Mitglieder von beiden Gemeinschaften können den von ihnen erzeugten Strom gemeinsam nutzen, wobei der von einer Energiegemeinschaft erzeugte Strom auch über das öffentliche Netz unter ihren Mitgliedern verteilt werden kann. Beide Richtlinien müssen noch in österreichisches Recht umgesetzt werden, was im Rahmen des „Erneuerbaren-Ausbaugesetzes“ geschehen soll 4. Die Schwerpunkte beider Energiegemeinschaften liegen im Strommarkt, doch sind sie nicht notwendig auf diesen begrenzt.

Man erkennt Absichten der Kommission, die sich zum Teil mit der österreichischen Tradition der regionalen Energieversorgung treffen: von den ersten „Lichtgenossenschaften“, die vor über hundert Jahren Kleinwasserkraftwerke errichtet haben, bis zu den Betreibergenossenschaften von Biomasse-Heizwerken gibt es in Österreich langjährige Erfahrungen mit derartigen Strukturen. Österreich hat demnach eine gute Ausgangsposition für die erfolgreiche Etablierung von Energiegemeinschaften. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die in den nächsten Monaten geschaffen werden, müssen diese Möglichkeiten ambitioniert nutzen und dürfen sich bei der Ausgestaltung des Rechtsrahmens nicht nur an den Mindestanforderungen der EU orientieren.

Fußnoten

  1. Legislativpaket zur Energie- und Klimapolitik, das am 19.5.2019 vom EU-Ministerrat verabschiedet wurde.
  2. Die Long Term Renovation Strategy gemäß Art. 2a der EU-Gebäuderichtlinie ist ein Anhang des NEKP.
  3. Unter "prosumern" versteht man Konsumenten, die gleichzeitig auch Prduzenten sind.
  4. Die Erneuerbare-Energien-RL ist bis 30.06.2021, die Elektrizitätsbinnenmarkt-RL bis 31.12.2020 in österreichisches Recht überzuführen

Autor

Dipl.-Ing. Johannes Schmidl ist für den Dachverband Erneuerbare Energie Österreich & proPellets Austria mit den Schwerpunktthemen erneuerbare Wärmeversorgung und Energieeffizienz tätig.

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