Zeitschrift EE

nt 03 | 2020: Innovative Demonstrationsgebäude

Energieeinsparungen durch die Digitalisierung in Wohnbauten

Jörg Lorenz

Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels benötigen die Einbindung breiter Bevölkerungsschichten, damit die gesteckten Ziele erreicht werden können. Wohnungs- und Immobilienunternehmen aus Berlin, Lübben und Eisleben haben in vier Wohnprojekten digital gestütztes Einsparmanagement auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) für datensichere und mietergesteuerte Einzelraumregelungen, autarker Monitoring-Gateways, Smart-Meter-Gateways und einer Heizwärme-App für und mit den MieterInnen ausprobiert.

Digitalisierungs-Pilotprojekt der Arbeiter-Baugenossenschaft Paradies e.G. Quelle: green with IT e.V.

Best Practice - Heizwärmeeinsparpotenzial

Kernthema des Projekts waren die Heizwärme und die mit geringen Investitionen erzielbaren Einsparpotenziale.

Bei den Pilotprojekt-Baukörpern handelt es sich um drei mehrgeschossige Wohnbauten samt Referenz-Baukörpern gleicher Bauart, sowie um ein mehrge- schossiges Bürogebäude. Im Bürogebäude wurde ein Sektor des Erdgeschosses untersucht und ein Sektor des darüberliegenden Stockwerks als Referenz herangezogen. Detaillierte Gebäudesimulationen zeigten die jeweiligen theoretischen Einsparpotenziale auf. Die ProjektteilnehmerInnen wurden umfassend über den Projektablauf informiert. Die Information der MieterInnen über die technischen Maßnahmen erfolgte in einer für die MieterInnen verständlich aufbereiteten Weise in Form von Anschreiben und Flyern. Außerdem fanden MieterInnenversammlungen statt, in denen kritische Fragen zu Datenschutz und Einsparpotenzialen beantwortet wurden. Ein dreijähriges Monitoring des Wärmeverbrauchs zeigte Einsparquoten der Wohnobjekte zwischen 13 bis 58 Prozent. Die Einsparung im Bürogebäude lag bei ca. 30 Prozent.

Digitalisierungskonzept

Eine zentrale Maßnahme war die Installierung von Einzelraumregelungssystemen mit selbstlernenden Algorithmen. Das System lernt dabei das Nutzungsverhalten und erstellt dadurch ein sinnvolles Heizprofil. Bei Abwesenheit wird die Temperatur automatisch um max. 4K verringert. Verwendet wurde eine drahtlose Funktechnologie, die durch ihren offenen Standard leicht erweitert werden kann.

Für die Vermieter war die Skalierung der Maßnahmen wichtig. Die Einzelraumregelung kann auf die gesamte Wohnung unter einem elektronischen Wohnungsassistenten erweitert werden und es besteht weiters die Option zu einer Übergabe der Daten über ein Smart Meter Gateway in eine Cloud. Somit können z. B. Heizverbrauchsdaten übergeben werden. Ziel war eine effiziente Fernauslesung der abrechnungsrelevanten Wärmeverbrauchsaufteilung im Rahmen der Betriebskostenabrechnung. Außerdem sollte der Heizwärmeverbrauch tagesaktuell und raumbezogen für die MieterInnen per App zugänglich gemacht werden. Dadurch sollten die MieterInnen stärker zur Verbrauchsoptimierung motiviert werden, als dies derzeit mit jährlichen Abrechnungen erfolgen kann.

Darüber hinaus geht es im Hinblick auf das Internet der Dinge (IoT) auch darum, technische Lösungen für eine effiziente Nutzung von medienübergreifenden Inhaus-Gateways und gemeinsamen Übertragungswegen und Datenbanken sowie darauf aufbauender, intelligenter Dienstleistungen zu untersuchen (Big Data). Die folgende Abbildung zeigt einen Überblick über das Digitalkonzept.

Digitalkonzept für Energieeffizienz in Wohnquartieren

Die Daten der Einzelraumregelungen werden an ein Gateway übertragen und über ein BSI1-konformes Speditionsnetz auf das Webportal des Energieanbieters übertragen. Das Speditionsnetz ermöglicht einen Datentransfer über ein geschlossenes und vom Internet unabhängiges Netzwerk. Dadurch ist eine Übertragung von Daten geschlossener Benutzergruppen unabhängig von den klassischen Kommunikationsanbindungen öffentlicher Provider möglich und erhöht die Datensicherheit.

Für die Visualisierung der Verbräuche (Heizkosten, Stromverbrauch, Wasserverbrauch) wurde eine App entwickelt, die außerdem die Möglichkeit einer Anbindung an Licht- oder Heizungssteuerung, Kontaktmöglichkeiten mit dem Vermieter (Handwerkerkopplung, Chat, Ticketsystem, o. ä.) oder Terminplaner (Ankündigungen & Veranstaltungen, Leerung der Mülleimer, etc.) bietet.

Monitoringergebnisse

Drei Jahre lang wurde ein Monitoring des Wärmeverbrauchs in den Pilotgebäuden durchgeführt. Die Einsparquoten der Wohnobjekte lagen bei 13 bis 58 Prozent. Die Einsparung im Bürogebäude lag bei ca. 30 Prozent. Dieses Ergebnis motivierte die Geschäftsführung des Büro-Campus zur Planung des Aufbaus eines campusweiten Energiemanagementsystems.

Außerdem wurde die Reaktion der MieterInnen erfasst und die Einordnung der Evaluation in Bezug auf die folgenden Fragestellungen untersucht:

  • Wie wirken sich die Ergebnisse auf Energiebilanzen in Quartieren, Städten, Klimabilanzen aus und welche Handlungsoptionen haben Immobilienunternehmen?
  • Kann die MieterInnenbindung mit klaren Erfolgsmeldungen verbessert werden?
  • Lassen sich Handlungs- und Investitionsrahmen erkennen?
  • Welche Effekte haben autarke Prozesse, speziell der neuen Gateways?

Die hauptsächlich umgesetzten Prozesse und die Ergebnisse sind als „Leiter des digitalen Erfolges“ auf einzelnen „Leitersprossen“ zusammengefügt (siehe Abbildung). Die wichtigsten Kennzahlen sind nachstehend zusammengefasst:

Stufe 1: Gateway-unabhängige „Künstliche Intelligenz“ für Einzelräume in Form selbstlernender Einzelraum-Algorithmen ergibt durchschnittlich 25-30 Prozent Heizwärme-Einsparung bei regelmäßiger Tagesabwesenheit der Mietparteien durch Arbeitsverhältnisse. Bei häufiger Anwesenheit der Mietparteien ergeben sich 0-5 Prozent Einsparung, da die Abwesenheits-Absenkung von 4 °C hier nicht greift. Nach Etablierung der dann folgenden Stufe 2 wurden alle Prozesse auf Basis eines Gateways geführt. Solche Gateways sind in vielen Anlagen bereits vorhanden. Deren Leistung wird aber häufig durch proprietären Nutzungsanspruch von Submetering- Dienstleistern gehemmt. Daher wurde konsequent auf die Herstellung der kompletten Autarkie für die Immobilienunternehmen gesetzt.

Stufe 2: Die Verwendung autarker Gateways stellt die Grundlage zur Etablierung eines voll autarken Submetering-Systems mit Visualisierung aller Heizverbrauchs-Daten auf einem zentral geführten Energie-Management-System (EMS) dar. Gleichzeitig können den MieterInnen individuelle Wärme-Verbrauchsdaten als Grafiken für Smartphone-Apps zur Verfügung gestellt werden. Dadurch kommt es zu Einsparung von Datenintegration aus externen Verbrauchsdaten, sowie Entlastung der Verwaltung in Bezug auf die MieterInnenkonten. Die Profite schwanken stark je Unternehmen.

Stufe 3 stellt die Früchte der Digitalisierung dar: Monitoring, Smart Meter und Energie-Management-Systeme zur bidirektionalen Steuerung aller Hausanlagen durch den technischen Leiter, eine 15-Minuten-Taktung der Heizerzeuger-Impulse und Neu-Einstellung aller Brenner und Sekundär-Kreisläufe der Haus-Anschluss-Stationen2 unter Verwendung vorausblickender (prädiktiver) Algorithmen inklusive wetterprognostischer Zukunftsdaten ermöglichen eine Absenkung der Heizlast um 5-15 Prozent und damit eine Absenkung der Wärmeverträge oder die Verringerung der Dimensionen des Heizerzeugers.

Stufe 4: Die Verwendung von Smart Meter Gateways (SMGW) stellt als BSI-konforme Sicherheitsgrundlage auch den Schutz der MieterInnen bei der Nutzung von Quartiersoftware sicher. Dabei fungiert eine CLS (Controllable-Local-System)-Schnittstelle als hochsichere Infrastruktur. Die Datenübertragung erfolgt durch telemetrische Speditionsnetze. Durch den Entfall des Datensammelns in Treppenhäusern sowie des Wegfalls von Zweidraht/GSM3 /LORA4 -Prozessen kommt es zu Kostenentlastung. Ein weiterer Vorteil ist die Autarkie gegenüber externen Infrastruktur-Lieferanten.

Stufe 5: EU-Datenschutschgrundverordnung-konforme sichere telemetrische Sammel-Apps, bilden auf ERP-Daten5 aufbauend alle MieterInnenbelange aus dem Quartier und dem quartiersnahen Bereich ab: AAL (Active and Assisted Living), E-Health, Kalender- und Lieferdienste, Sicherheits- und Komfortfunktionen nehmen MieterInnen mit. Die Sammel-App bietet eine wohnungswirtschaftliche Alternative zu ausländischen Serverdiensten mit werbezentrierten Inhalten. Die Wohnungswirtschaft demonstrierte ihre Anerkennung des Projekts durch die Auszeichnung mit dem BBU (Verband Berlin-Brandenburgische Wohnungsunternehmen e.V.)-Zukunfts Award 2019.

Darstellung der Einsparungspotenziale durch eine „Leiter des digitalen Erfolges“

Fußnoten

  1. Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
  2. Mit „Brenner“ ist die Flamme bzw. der Regler für die Flamme gemeint, die Wärme erzeugt. Sekundärkreisläufe sind die gebäudeinternen Verteilsysteme der zugelieferten Heißwasser-Kontingente aus dem Wärme-Verteilnetz (Primärkreislauf ).
  3. GSM Global System for Mobile Communications
  4. Die LoRa®-Technologie wurde speziell für die Anforderungen des Internets der Dinge entwickelt (sichere bidirektionale Kommunikation, Lokalisierung und Mobilität von Dienstleistungen, End-zu-End-Verschlüsselung)
  5. ERP: Geschäftsressourcenplanung

Danksagung

Das Projekt erhielt Förderungen im Rahmen eines Berliner GRW (Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur”)-Projekts, das durch Mittel des Bundes kofinanziert wird.

Autor

Jörg Lorenz ist Netzwerkmanager des green with IT-Netzwerks. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen

Ergebnisbericht Pilotprojekte der Digitalisierung durch die Wohnungswirtschaft https://green-with-it.de/wp-content/uploads/2020/08/GwIT-Abschlussbericht_Digital.pdf

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