Zeitschrift EE

nt 03 | 2020: Innovative Demonstrationsgebäude

Innovatives Eisspeicherprojekt für IKEA-Logistikzentrum in Wien

Christoph Urschler

Der schwedische Einrichtungskonzern und größte Möbelhersteller Europas IKEA errichtete 2019 ein neues Logistikzentrum im 21. Wiener Bezirk mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 70 Millionen Euro. Das Lager mit einer Nutzfläche von insgesamt 47 500 m 2 wird der neue Knotenpunkt, über den der Wiener Bereich auslieferungsmäßig abgewickelt wird. In weiterer Folge soll auch der Versand der Online-Bestellungen von diesem Zentrum aus durchgeführt werden. Als innovativem Unternehmen war es IKEA von Beginn an wichtig, bei diesem Neubau den Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung zu legen.

Neu errichtetes IKEA Logistik-Zentrum in Wien mit hybridem Energieversorgungskonzept. Foto: IKEA

Für das TGA-Konzept ist die TBH Ingenieur GmbH verantwortlich, die sich mit ihrem Konzept zur Nutzung eines großen Anteils erneuerbarer Energien gegen elf Mitstreiter durchsetzte. Beim Projektierungsansatz wurde darauf geachtet, alle Einzeltechnologien zu einem ganzheitlichen System zu verbinden. Das bedeutet für den Kunden in der Betriebsführung und Bewirtschaftung einen optimalen Nutzen hinsichtlich Betriebskosten und Umweltschonung, wie der Reduktion von CO2 -Emissionen.

Das hybride Energiekonzept basiert auf einer Wärmepumpenanlage im Kellergeschoß des Gebäudes. Für die Wärmepumpenanlage sind zwei Wärmequellen vorgesehen: Einerseits wird Hydrothermie genutzt, bei der das relativ konstante Temperaturniveau des Grundwassers als Wärmequelle für die Wärmepumpenanlage dient. Andererseits wird ein im Erdreich platzierter Groß-Eisspeicher in Kombination mit unverglasten thermischen Kollektoren eingesetzt. Beide Wärmepumpen versorgen einen zentralen Energiespeicher, der als Spitzenlastreduktion und als Lastausgleichspeicher dient.

All-In-One: Heizen und Kühlen in einem

Mit dem patentierten Groß-Eisspeichersystem der Firma Viessmann kann nicht nur geheizt, sondern auch gekühlt werden. Das Volumen des Eisspeichers fungiert als Wärmequelle für eine Sole/Wasser-Wärmepumpe, die das Temperaturniveau des Eisspeichers zur Beheizung nutzbar macht. Möglich macht das das Phänomen der Kristallisationsenergie. Wärme wird freigesetzt, wenn das Wasser gefriert. Erstarren 126 Liter Wasser zu Eis, wird eine Energiemenge frei, die einem Liter Heizöl entspricht. Der Unterschied: Das Heizöl kann nicht regeneriert werden – im Gegensatz zum Eisspeichersystem. Der Wärmeentzug führt zu einer Vereisung des Speichervolumens, wobei eine Regeneration einerseits durch Solarabsorber und andererseits durch das den Speicher umgebende Erdreich erfolgt. Die Kühlung wiederum erfolgt über einen Plattenwärmetauscher im Eis-Energiespeicher. Gekühlt werden kann sowohl durch Natural Cooling als auch durch Active Cooling.

Der Eisspeicher hat ein Fassungsvermögen von ca. 1,5 Millionen Liter Wasser – das entspricht ungefähr der Füllmenge von 30 Pools.

Die Beheizung des gesamten Lagerbereichs im Erdgeschoß erfolgt über eine Industriefußbodenheizung, deren Vorteil in der großen Wirtschaftlichkeit durch absolute Raumfreiheit liegt. Ein gleichmäßiges Temperaturprofil, geringe Luftbewegung und dadurch fehlende Staubaufwirbelungen sowie hohe thermische Behaglichkeit sorgen für ein arbeitsförderndes Umfeld. Im Sommer wird die Industrieflächenheizung zur Kühlung der Halle verwendet.

Blockschaltbild des Energieversorgungskonzepts, IKEA Logistikzentrum Wien. Quelle: AEE INTEC

Bau des 1500 m³ großen Eisspeichers im Zuge der Errichtung des IKEA-Logistikzentrums in Wien. Foto: IKEA

Simulation des Heizenergiebedarfs

Beim IKEA-Projekt wurde der Heizenergiebedarf aufgrund der Gebäudeplanung und standortbezogener Klimadaten mit dem Programm Polysun vorab simuliert. Vom simulierten Heizenergiebedarf (2820 MWh) werden rund 2259 MWh von der Wärmepumpen-/Eisspeicheranlage bereitgestellt und rund 570 MWh durch den zweiten Wärmeerzeuger, einen Spitzenlast-Gaskessel, abgedeckt. Der durch die Wärmepumpe erzeugte Heizenergiebedarf setzt sich aus 420 MWh Eisspeicherbetrieb, 1325 MWh Solar-Direktbetrieb und 505 MWh Antriebsenergie der Wärmepumpe zusammen. Somit entsteht eine Quellenenergiemenge von 1745 MWh. Abzüglich der aufgewandten Primärenergie ergibt das eine jährliche Einsparung von 275 Tonnen CO2 gegenüber der Erzeugung mit Gas. Die Brutto-Kollektorfläche der unabgedeckten Absorbermatten (Viessmann SLK-600) zur Regeneration des Eisspeichers beträgt 1342 m². Durch die Photovoltaik-Anlage mit einer Leistung von 1 MWp, die aus 3350 Modulen mit einer Fläche von rund 20 000 m 2 besteht, wird der Primärenergieeinsatz noch weiter gesenkt. Im Rahmen des Projektes werden zwei Anlagen mit einer Gesamtleistung von ca. 1095 kWp errichtet: Anlage 1 läuft mit einer Leistung von ca. 965 kWp und einem Ertrag von rund 1080 MWh pro Jahr und Anlage 2 mit ca. 130 kWp und einem Ertrag von rund 133 MWh pro Jahr.

Die unverglasten Solarabsorber am Dach des Logistikzentrums sorgen für die Regeneration des Groß-Eisspeichers. Die Brutto-Kollektorfläche der unabgedeckten Absorbermatten (Viessmann SLK-600) beträgt 1342 m². Die Photovoltaikanlagen haben eine Gesamtleistung von 1095 kWp. Foto: IKEA

Derzeit größtes Eisspeichersystem Europas

Ein Eisspeicher vereint die Vorteile effizienter Heizsysteme mit einer innovativen Speichertechnologie. Es ist keine spezielle Genehmigung für den Bau notwendig, da er komplett unter der Erdoberfläche vergraben wird. Außerdem besteht durch die geringe Oberflächeneindringtiefe im Gegensatz zu Tiefenbohrungen keine Gefahr, das Grundwasser zu verschmutzen. Ein Eisspeicher ist individuell adaptierbar und in vielen Bereichen einsetzbar – egal ob Einfamilienhaus, Mehrparteienhaus oder Gewerbefläche. Bestenfalls wird er beim Neubau mitgeplant, eine Nachrüstung ist in den meisten Fällen jedoch auch kein Problem. Ein Eisspeicher ist auf jeden Fall eine Speicherform mit hohem Potenzial für die Zukunft. Der Eisspeicher der IKEA-Logistikzentrale in Wien ist der derzeit größte umgesetzte Eisspeicher Europas. Das Projekt wurde im Förderprogramm „Solarthermie – Solare Großanlagen 2018“ des Klima- und Energiefonds in der Kategorie „Solaranlagen in Kombination mit Wärmepumpen“ eingereicht und auch bewilligt. Aufgrund des hohen Innovationsgrades wurde es von einer internationalen Jury für die einjährige wissenschaftliche Begleitforschung ausgewählt, welche im Auftrag des Klima- und Energiefonds von AEE – Institut für Nachhaltige Technologien durchgeführt wird. Zum aktuellen Zeitpunkt wird am Einbau der Messtechnik bzw. an der Umsetzung der Datenübertragung gearbeitet.

Mehrfach ausgezeichnet

Die TBH Ingenieur GmbH wurde für das TGA-Konzept des neuen Wiener IKEA-Logistikzentrums im Mai 2019 im Rahmen des steirischen Landespreises Energy Globe Styria Award aus insgesamt 57 Einreichungen ausgewählt und in der Kategorie weltweit mit einer Urkunde prämiert. Im Juni 2019 wurde das Eisspeicher-Projekt auch beim TRIGOS Steiermark in der Kategorie „Vorbildliche Projekte“ gewürdigt.

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Christoph Urschler, gewerberechtlicher Geschäftsführer Installationstechnik, Prokurist, Geschäftsfeldleiter „Erneuerbare Energien“, Leiter des Geschäftsfelds Forschung und Entwicklung und Energieauditor nach §17 EEffG für Gebäude und Prozesse in der TBH Ingenieur GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Statement

"Wir haben beim IKEA-Großprojekt auf ein holistisches Energiekonzept gesetzt, mit dem Fokus auf maximaler CO2- und Betriebskostenreduktion. Herzstück ist ein im Erdreich platzierter Groß-Eisspeicher, der sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen verwendet werden kann. Diese vielversprechende alternative Energiespeicherung steht für Effektivität, Zuverlässigkeit und Umweltbewusstsein und hat großes Potenzial, weil sie die Vorteile effizienter Heizsysteme mit einer innovativen Speichertechnologie vereint."

Ing. Robert Pichler, Geschäftsführer TBH Ingenieur GmbH

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