Zeitschrift EE

nt 01 | 2023 Datengesteuerte Intelligente Gebäude

Künstliche Intelligenz für Vorhersage und Regelung im Energiemanagement

Zwei Drittel der Kosten im Gebäudelebenszyklus entfallen typischerweise auf die Betriebsphase. Diese Phase bietet daher ein beträchtliches ökonomisches und ökologisches Optimierungspotenzial. Ein erheblicher Anteil dieses Potenzials wiederum entfällt auf die technische Gebäudeausrüstung, da diese sowohl Kosten als auch Endenergieverbrauch und damit klimarelevante Emissionen verursacht.

Im Projekt „mAIntenance“ optimieren AIT und PKE mithilfe künstlicher Intelligenz die gebäudetechnischen Versorgungssysteme der FUTUREbase (links). Fotos: links AIT/Johannes Zinner, rechts Pixabay, Collage AIT/Jan Kurzidim

Das Projekt „mAIntenance“

Mit dem laufenden kooperativen Forschungsprojekt „mAIntenance“ (FFG 886903) nehmen sich das AIT Austrian Institute of Technology und PKE Facility Management dieser Herausforderung an. Das Projekt untersucht, inwieweit der Einsatz künstlicher Intelligenz gebäudetechnische Versorgungssysteme effizienter und zuverlässiger gestalten kann. Der Ansatz ist hierbei, im Gebäude gesammelte Sensordaten mittels Machine Learning auszuwerten und die gewonnen Informationen dem Facility Management über eine dedizierte Software zur Verfügung zu stellen. Wie in Forschungsprojekten üblich ist das Projektziel die Entwicklung eines Prototyps.

Als Entwicklungs- und Datengrundlage für diese Ambitionen dient das Büro- und Laborgebäude „FUTUREbase“, das von PKE betrieben und von AIT als Arbeitsstätte genutzt wird. Das vierstöckige Gebäude bietet Raum für etwa 300 Mitarbeiter*innen und verfügt über ein Gebäudeautomationssystem mit cloudbasiertem Anlagenmonitoring. Parallel hierzu wurde für das Projekt ein IoT-Sensoriknetzwerk installiert, das weitere Raumklimadaten in den verschiedenen Zonen des Gebäudes erfasst. Über das Gebäudeautomationssystem sind Metadaten zur physischen und logischen Organisation des Gebäudes und seines Versorgungssystems verfügbar. Die Wärme- und Kälteversorgung der FUTUREbase erfolgt über eine Wasser-Wasser-Wärmepumpenanlage mit behördlichen Auflagen bezüglich Entnahmemenge und Rücklauftemperatur des genutzten Grundwassers.

Der Anwendungsfall

Im Folgenden wird einer der drei Anwendungsfälle von „mAIntenance“ vorgestellt. Ziel dieses Anwendungsfalls ist es, die zentrale Energiebereitstellung der FUTUREbase durch die Brunnen- und Wärmepumpenanlage hinsichtlich Energieverbrauch und Kosten zu optimieren. Dies soll erreicht werden, indem für einige Tage in die Zukunft ein Betriebsfahrplan als Empfehlung an die Betriebsführung ausgegeben wird. Kernkomponente dieses Fahrplans ist eine Sequenz mehrerer Werte des „Betriebszustandes“, einer im Gebäudeautomationssystem manuell durch das Facility Management festlegbaren Steuergröße. Die Umsetzung des Anwendungsfalls befindet sich in aktiver Entwicklung, weswegen die vorgestellten Ergebnisse und Schlussfolgerungen als vorläufig zu betrachten sind. Die Umsetzung der Algorithmik erfolgt in drei Schritten: (1) Datenaufbereitung, (2) Vorhersage von Energie- und Grundwasserverbrauch und (3) Bestimmung der Steuerwerte, die den vorhergesagten Energieverbrauch minimieren. Die Ausprogrammierung der Software für das Facility Management erfolgt erst nach Abschluss der Algorithmenentwicklung.

Die Datenaufbereitung

Die Datenaufbereitung ist in der Entwicklung von Machine Learning-Anwendungen meist der zeitaufwändigste Schritt. Im vorliegenden Anwendungsfall werden zunächst Metadaten aus dem Gebäudeautomationssystem abgerufen und daraus Beschreibungen der Sensoren und die physikalischen Einheiten ihrer Messwerte gewonnen. Anschließend werden Rohdaten für die relevanten Sensoren aus dem cloudbasierten Anlagenmonitoring abgerufen und auf ein Zeitraster gebracht (derzeit 30-Minuten-Abstände). Relevant sind hierbei neben den zu optimierenden Größen und den Steuergrößen die diversen Eigenschaften (Energien, Leistungen, Volumen(ströme), Temperaturen) der Anlagen der zentralen Energiebereitstellung (Wärmepumpe, Kühlparameter, Heizparameter, Grundwasserpumpen) sowie vor Ort gemessene Wetterdaten. In der Cloud sind für alle Sensoren zweieinhalb Jahre historischer Messdaten verfügbar. Ergänzt werden die Messgrößen um separat abgerufene Wetterdaten des Anbieters Meteonorm. Nach diesen Integrationsschritten wird geprüft, ob die Daten den Anforderungen entsprechen (Exploratory Data Analysis). Von überragender Bedeutung sind hierbei visuelle Untersuchungen, denn „there is no excuse for failing to plot and look“ (Tukey). Nützlich sind darüber hinaus Größen mit überlappender Bedeutung wie z. B. Aufzeichnungen desselben Vorgangs in instantaner und kumulierter Form (z. B. Leistung und Energie), da dies direkt unplausible Daten aufzeigt und deren Bereinigung erlaubt. Abschließend werden klare Ausreißer automatisiert aus den Daten entfernt, da diesen meist lediglich IT-Fehler zugrunde liegen. Nach Abschluss aller Bereinigungsschritte umfassen die Daten 47 verschiedene Messgrößen zu knapp 44 000 Zeitpunkten.

Die Vorhersage

Veranschaulichung der Energieverbrauchsvorhersage für einen repräsentativen Zeitraum im Spätsommer 2022. Die Vorhersage (rot) setzt sich aus mehreren Einzelvorhersagen zusammen, die im Abstand von einem Tag getroffen werden und jeweils einen Tag weit in die Zukunft reichen. Die Außentemperatur (grün) ist die wichtigste Kovariante für die Vorhersage. Zu erkennen ist, dass die Vorhersage den realen Energieverbräuchen (blau) recht gut folgt.

Die Vorhersage des Energie- und Grundwasserverbrauchs erfolgt mittels datengetriebener Modelle. Aufgrund der Anforderungen typischer Machine Learning-Modelle erfordert dies weitere Datenaufbereitungen. Vor allem müssen sämtliche fehlende Werte gefüllt werden; das gewählte Vorgehen hierzu ist die Einführung von Ja-Nein-Variablen, die das Fehlen von Werten in anderen Variablen anzeigen, und das Füllen der fehlenden Werte mit einem beliebigen Algorithmus (z. B. lineare Interpolation). Anschließend werden die Größen in drei Gruppen aufgeteilt: die vorherzusagenden Größen (Energieund Grundwasserverbräuche) und die restlichen Grö- ßen (Kovariaten) in solche, die am vorherzusagenden Zeitpunkt bekannt sind (Steuerparameter, Wettervorhersagen), und solche, für die dies nicht der Fall ist (Anlagendaten). Die vorherzusagenden Größen werden zusätzlich entlang der Zeitachse in Trainingsund Validierungsdaten aufgeteilt (hier im Verhältnis 3:1). Für eine bessere Performance der Machine Learning-Modelle wird anschließend die Anzahl der Kovariaten auf etwa 30 reduziert, indem nur Kovariaten beibehalten werden, deren „Mutual Information“ mit den Zielvariablen eine bestimmte Schwelle überschreitet. So gerüstet wurden verschiedene Machine Learning-Modelle mit den Trainingsdaten trainiert und ihre Vorhersageleistung „out of sample“ mit den Validierungsdaten bestimmt. Bislang zeigten vor allem Entscheidungsbaum-basierte Modelle wie LightGBM eine gute Leistung. Die Vorhersage erfolgt für das gesamte Zeitraster der vorhergesagten Tage – vorläufig jeweils 192 Werte infolge des 30-MinutenRasters, eines Vorhersagehorizonts von einem Tag und vier vorherzusagender Variablen. Mögliche zukünftige Optimierungen der Vorhersage wären z. B. die Anwendung von Transfer Learning und/oder von Physik-informiertem Machine Learning.

Die Regelung

Die Bestimmung der Steuerwerte als Input für das bestehende Regelungssystem ist im Projekt bislang nicht stark optimiert. In der derzeitigen, recht einfachen Form wird zunächst für jede Steuergröße eine Reihe zugelassener Werte definiert. Diese Steuerwerte werden in Machine Learning-Vorhersagen verwendet, indem die entsprechenden Kovariaten am vorherzusagenden Tag angepasst werden. Unter Verwendung dieses Verfahrens wird für jede Kombination der Steuerwerte eine Vorhersage getroffen, und aus diesen wird diejenige identifiziert, die den geringsten Energieverbrauch repräsentiert und gleichzeitig die Auflagen zum Grundwasserverbrauch erfüllt. Die dazugehörigen Steuerwerte stellen dann die Empfehlung für die Eingabe in das Regelungssystem dar. Mögliche Verbesserungen dieses Verfahrens, je nach weiteren Erkenntnissen und Anforderungen, umfassen die heuristische Auswahl der Steuerwerte (z. B. mit genetischen Algorithmen) oder die Anwendung von Reinforcement Learning.

Die Werkzeuge

In der Entwicklung der Algorithmen kommen moderne Technologien zur Anwendung, darunter der Python Data Science Stack (Pandas, Scikit-learn), Darts (eine auf Machine Learning mit Zeitreihen optimierte Bibliothek), Jupyter-Notebooks, Git und Linux. Den Autoren steht ein Server mit 36 CPU-Kernen, 128 GB RAM und einer GeForce-3090-Grafikkarte zur Verfügung.

Veranschaulichung der Energieverbrauchsoptimierung für einen repräsentativen heißen Sommertag. Für diesen Tag führt eine reine Energieverbrauchsoptimierung (rot) zu einer Überschreitung der Grundwasserentnahmegrenze. Eine Optimierung mit Berücksichtigung der Grenzen (blau) zeigt für diesen Tag ein mäßiges Einsparungspotenzial gegenüber dem realen Energieverbrauch (grün).

Stellungnahme

"Ohne die Weiterentwicklung digitaler Tools wird die Branche nicht in der Lage sein, ihr Image als einer der weltweit größten CO2-Emittenten loszuwerden. Die traditionell stark heterogene und fragmentierte Struktur der Bauwirtschaft macht es sehr schwierig, an einem Strang zu ziehen. Nur mithilfe der Digitalisierung können durchgängige klimafreundliche sowie kreislauffähige Prozesse etabliert werden. Sie weist uns den Weg, der schlussendlich aus dieser schwierigen Situation herausführen wird – auch wenn dafür noch viele Lösungen erarbeitet und eine Reihe alter Denkmuster aufgebrochen werden müssen."

Steffen Robbi, Geschäftsführer Digital Findet Stadt GmbH. Foto: Leo Hagen

Autor*innen

Dr. Jan Kurzidim ist Research Engineer mit den Schwerpunkten Data Science, Machine Learning, Software- und Methodenentwicklung im Forschungsbereich „Digitalisation & HVAC Technologies in Buildings“ am AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Center for Energy, Competence Unit „Sustainable Thermal Energy Systems“. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Michael Schöny ist Research Engineer und Leiter des Projekts „mAIntenance“ mit den Schwerpunkten Gebäude- & Anlagenmonitoring, Gebäude- und Anlagensimulation sowie Datenmodelle im Forschungsbereich „Digitalisation & HVAC Technologies in Buildings“ am AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Center for Energy, Competence Unit „Sustainable Thermal Energy Systems“. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Top of page