Zeitschrift EE

nt 01 | 2023 Datengesteuerte Intelligente Gebäude

Intelligente Gebäudesteuerung im Zentrum für Umweltbewusstes Bauen

Intelligente Gebäudesteuerungen reduzieren nicht nur kurzfristig den Energieverbrauch eines Gebäudes, sondern sind auch in der Lage, die am Standort vorhandenen erneuerbaren Energiequellen effektiv zu nutzen. Dabei stellen besonders wechselnde Wetterverhältnisse und das individuelle Nutzer*innenverhalten eine große Herausforderung für die optimale Steuerung der Gebäudetechnik dar. In mehreren Forschungsprojekten wurden die Potentiale einer intelligenten Gebäudesteuerung anhand des Zentrums für Umweltbewusstes Bauen (ZUB) untersucht. Das dreistöckige ZUB-Gebäude befindet sich in Kassel (Deutschland). Die Hauptausrichtung ist 20°- SO, wodurch die Effekte der Glasfassade, welche fast hundert Prozent der Fassade einnimmt, in Bezug auf die äußeren Wetterbedingungen besonders relevant sind. Insbesondere die Steuerung der direkten solaren Gewinne, die eine Überhitzung im Frühling, Sommer und Herbst verhindern, ist wichtig. Das Energiekonzept (siehe nachfolgende Abbildung) des Gebäudes umfasst eine Konstruktion mit sehr niedrigem U-Wert, dreifach verglaste Fenster und die vorrangige Nutzung natürlicher Beleuchtung und natürlicher Belüftung. Da der Heizwärmebedarf einen Großteil des Gebäudewärmebedarfs ausmacht, wurde der jährliche Heizwärmebedarf bei der Planung auf weniger als 20 kWh/m2 geschätzt. Der Energiebedarf im Betrieb lag bei 16,5 kWh/m2 und erreichte damit die bestmögliche Einstufung nach der deutschen "Wärmeschutzverordnung 95". Solare Gewinne decken einen Großteil des Heizbedarfs über die nach Süden ausgerichtete Fassade. Zusätzlich benötigte Wärme wird über ein kommunales Fernwärmenetz bereitgestellt. Der Kühlbedarf wird durch eine Erdsondenwärmepumpe gedeckt, die unter dem Keller des ZUB installiert ist. Da das Gebäude luftdicht ist, wird eine mechanische Lüftungsanlage mit 80 Prozent Wärmerückgewinnung eingesetzt.

Gebäude des Zentrums für Umweltbewusstes Bauen (ZUB) in Kassel, Deutschland. Foto: Constantin Meyer

Das charakteristische Merkmal ist das hohe Trägheitsverhalten aufgrund des Gewichts der Gebäudewände und der installierten massiven Strahlungssysteme. Die Wärmebereitstellung durch die thermische Masse ermöglicht die Verwendung von Wassertemperaturen, die nahe an den internen Umgebungstemperaturen liegen, wodurch die internen Temperaturschwankungen minimiert werden. Während der Heizperiode wird so eine niedrige Wassertemperatur verwendet und während der Kühlperiode eine relativ hohe, wodurch der Energieverbrauch minimiert und der exergetische Nutzen der Klimatisierungssysteme maximiert wird.

Das ZUB-Gebäude beherbergt im Erdgeschoss öffentliche Räume, die für die Durchführung von Veranstaltungen benötigt werden, wie z. B. das in zwei Teile trennbare Auditorium, eine Küche und zwei kleine Büros. In den beiden anderen Stockwerken befinden sich fast identische, übereinanderliegende Büros. Im Kontext von Forschungsprojekten wurden verschiedene Gebäudesteuerungen umgesetzt und verglichen.

Energiekonzept des ZUB-Gebäudes. Quelle: Fraunhofer IEE

Grundlegende Steuerung

Eine regelbasierte Logik auf der Grundlage von Heizkurven wurde verwendet, um die Wassertemperatur zu bestimmen. Der Regler ging von der Annahme aus, dass die äußeren Bedingungen am kommenden Tag ähnlich sein würden, wie die am aktuellen Tag. Abgeleitet aus dieser Annahme wurde ein laufender Durchschnitt der letzten 13 Stunden (ungefähre Zeitkonstante des Gebäudes) verwendet, um die Wasservorlauftemperatur über die Heizkurve zu bestimmen. Zudem verfügte jede Zone des Gebäudes über ein unabhängig gesteuertes Thermostat, auf dessen Grundlage das TABS-System in der jeweiligen Zone aktiviert werden sollte. Das Regelsystem berücksichtigte weder die tageszeitlichen Schwankungen der Sonneneinstrahlung noch die thermische Masse. Die Heizstrategie war daher für den Betrieb von November bis Februar sinnvoll - allerdings nicht, wenn sich die Umgebungsbedingungen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Tagen stark änderten. In den anderen vier Heizmonaten überhitzte das Gebäude folglich regelmäßig.

Im Kühlbetrieb reichte die geringe Leistung der geothermischen Anlage nicht aus, um den erforderlichen Kühlbedarf zu decken. Eine optimierte Steuerung der solaren Gewinne wurde als die beste Strategie zur Senkung des Bedarfs gewertet. Dies konnte dadurch erreicht werden, dass die Jalousien der nach Süden ausgerichteten Fenster automatisch gesteuert werden, um die solaren Gewinne zu reduzieren sowie das Gebäude nachts zu kühlen, wenn die Außentemperaturen niedriger sind.

Modellbasierte Steuerung

Die Erprobung einer modellbasierten Steuerung wurde in drei EU-Forschungsprojekten durchgeführt, in denen Ansätze für den automatischen Betrieb steuerbarer Systeme zur Verbesserung des Komforts, zur Minimierung des Energiebedarfs und der natürlichen Beleuchtung untersucht wurden.

Vollständiges Gebäudesimulationsmodell des ZUB. Quelle: Fraunhofer IEE

Im ersten Projekt wurden Offline-Gebäudesimulationen mit einem digitalen Zwilling (siehe Abbildung des Gebäudesimulationsmodells) durchgeführt, um potenzielle Einsparstrategien zu bewerten. Die erzielten Ergebnisse fielen aufgrund der vielen installierten Sensoren bei einer Online-Gebäudesimulation im zweiten Projekt besser aus als erwartet. Hier wurden die Gebäudedaten "in Echtzeit" im Simulationsmodell implementiert. Im letzten Projekt wurde alles online gestellt, vom BIM-Design und der Systemdefinition bis hin zur SPS-Gebäudesignalkommunikation. Die Modelle wurden für die Fehlererkennung und -bewertung erstellt. Die Steuerungsalgorithmen basierten auf einer Kostenfunktion, welche die Komfortbedingungen im Raum maximiert und den Energieverbrauch minimiert. Einschränkungen wurden hierbei in Bezug auf die maximale Anzahl von Stunden, in denen an einem Tag keine komfortablen Umgebungsbedingungen herrschen dürfen und der zulässigen maximalen Anzahl von Jalousiebewegungen pro Stunde berücksichtigt. Es wurden Abwägungsfaktoren definiert, die ein Gleichgewicht zwischen Komfort und Energieeinsparung herstellen. Die Co-Simulationen wurden minütlich durchgeführt und die Steuerpositionen alle drei Stunden an das Gebäude übermittelt.

Im Projektkontext gewonnene Erkenntnisse

  1. Der Algorithmus fand logische Steuerungsstrategien, die ohne Simulationssoftware programmiert werden konnten. Die Heizungsanlage für ein träges, hocheffizientes Bürogebäude konnte am Freitagmorgen früher abgeschaltet werden, da die Nutzer*innen die Änderungen, bedingt durch die hohe thermische Masse des Gebäudes, nicht wahrnahmen.
  2. Fußbodenheizungen sollten aus gesundheitlichen Gründen nicht mit höheren Wassertemperaturen als ca. 37 °C betrieben werden. Wenn jedoch Temperaturen über 37 °C zur Aufheizung von leeren, nicht besetzten Räumen angesetzt werden, können die Bauteile schneller erwärmt und ein größerer Energieaustausch erreicht werden. Diese Betriebsstrategie ermöglicht eine schnellere und effizientere Aufheizung des Gebäudes am Montagmorgen.
  3. Wenn nicht alle Sensorinformationen verfügbar oder "open-source" sind, ist die Installation der Betriebslogik für ein Gebäude auf Grund der hohen Kosten für notwendige Ingenieursarbeitsstunden unwirtschaftlich.
  4. Der Abgleich mit einem digitalen Zwilling kann nicht nur zur Steuerung, sondern auch zur Identifizierung von Modellabweichungen, Gebäudefehlern und Systemverschmutzungen eingesetzt werden, sofern genügend Daten verfügbar sind.
  5. Die Akzeptanz von Sollwertvariationen der Gebäudeparameter ist meist hoch, wenn die Nutzer*innen sie nicht bemerken sie nicht bemerkt. Wenn die Veränderung allerdings beispielsweise Motorgeräusche verursacht oder sich etwas unerwartet bewegt, wird dies von den Nutzer*innen als unangenehm wahrgenommen.
  6. Systeme, die variieren, den Nutzer*innen eine physische Eingriffsmöglichkeit zugeben, werden nicht akzeptiert. Falls eine Hardware-Option vorhanden ist, um in den Vorgang einzugreifen, wird die Steuerung in den meisten Fällen außer Kraft gesetzt.

Autor*innen

Dr.-Ing. Juan Rodríguez Santiago ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE, Abteilung: Thermische Energiesystemtechnik. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr.-Ing. Michael Krause ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE, Abteilung: Thermische Energiesystemtechnik. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Lina Wett, M. Sc. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE, Abteilung: Thermische Energiesystemtechnik. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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