Zeitschrift EE

 04 | 2023 Serielles Sanieren

Pioniere der Fassadensanierung mit Fertigteilen

Erste Ansätze

Foto: AEE INTEC

Unser Büro Nussmüller Architekten ZT GmbH arbeitet seit mindestens 20 Jahren an Konzepten für Fassadensanierungen von Bestandsobjekten. Dies entweder im Auftrag von gemeinnützigen Bauträgern oder im Rahmen von Forschungsprojekten. Wir haben dies als logische Konsequenz unserer Beschäftigung mit Fassaden bei Neubauten gesehen, wo wir in Zusammenarbeit mit AEE INTEC Beispiele von transparenter Wärmedämmung verwirklichen oder uns bei Forschungsprojekten mit färbigen thermischen Kollektoren befassen konnten.

Erste Konzepte für Fassadensanierungen von Bestandsobjekten 2005 Abbildung 1, Abbildung 2, Abbildung 3. Quelle: Nussmüller Architekten ZT GmbH

2005 wurden wir zwar wegen unserer Ansätze gelobt, umgesetzt wurde aber weder der Entwurf in der Algersdorferstrasse in Graz noch einige andere Projekte, wie z. B. ein durchgeplantes Projekt in Eisenerz (Europasiedlung – SG Ennstal). Grund dafür war unter anderem der Mehraufwand, der mit Fassadensanierungen mit Fertigteilen verbunden ist. Sowohl für die Bauträger, als auch für Architekt*innen und Planer*innen bedeutet Sanierung ein Mehr an Arbeit, das derzeit nicht extra honoriert wird. Befundungen sowie Bestandsanalysen mit Ausführungsvarianten sind Vorarbeiten, die der Bauträger bezahlen muss. Dafür fehlen nach wie vor Anreize. Weiters müssen sich die Bauträger im Rahmen von Sanierungen mit den Mieter*innen auseinandersetzen. Hausverwaltungen haben meist Schwierigkeiten, mit den Mieter*innen oder Eigentümer*innen zu reden und sie von der Sinnhaftigkeit eines umfassenden Sanierungsvorhabens zu überzeugen. Dafür wären Soziolog*innen zur Begleitung des Vorhabens notwendig, was wiederum einen aufwändigeren Prozess bedeutet.

Konzeptstudie zu Sanierung mit vorgefertigten Fassadenelementen Abbildung 1, Abbildung 2. Quelle: Nussmüller Architekten ZT GmbH

Prototypen und Grundlagenstudien

Um das Jahr 2010 wurden in ganz Europa die ersten größeren Fassadensanierungen geplant und auch veröffentlicht. Die 2009 fertiggestellte Tes Solar Energiefassade von Frank Lattke und Stefan Winter ging genauso durch die Fachpresse wie die Fassade von Gap Solution, in Graz von GIWOG am Dieselweg verwirklicht (Planung Hohensinn Architektur).

Transparente Wärmedämmfassade von Gap Solution an einem Demonstrationsprojekt in Graz Dieselweg. Foto: AEE INTEC

Trotz Bearbeitung der Projekte mit hohem Engagement und Know-how der Initiator*innen kamen diese Ansätze nicht über den Prototypenstatus hinaus. Unser Architekturbüro hatte die Gelegenheit, im Rahmen eines Forschungsprojektes - wieder in Zusammenarbeit mit AEE INTEC und dem Soziologen Rainer Rosegger (Büro Scan) – an einer Grundlagenstudie zum Thema Fassadensanierung mit Fertigteilen mitzuarbeiten.

Nach einer umfassenden bautechnischen Analyse von typischen Wohnbauten aus den 50ger bis 80ger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde am Beispiel eines Gebäudes in der Johann-Böhmstraße in Kapfenberg die Umsetzung mit einer innovativen Fertigteilsanierung umgesetzt. Der Bauträger SG Ennstal beauftragte Nussmüller Architekten ZT GmbH mit der Planung und bautechnischen Begleitung. Die Umsetzung erfolgte 2013/14 und wurde neben vielen anderen Preisen vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) als erste Plusenergiesanierung eines Wohnhauses in Österreich ausgezeichnet.

Erste Plusenergiesanierung eines Wohnhauses in Österreich 2013/14 in Kapfenberg. Quelle: Nussmüller Architekten ZT GmbH

Ein weiteres Forschungsprojekt, finanziert von Stora Enso, befasste sich 2015/16 intensiv mit der Integration von Fensterelementen, wo auch eine kontrollierte Be- und Entlüftung integriert werden konnte.

Untersuchung von Fensterelementen mit integrierter Lüftung als Teil einer Plusenergiesanierung Abbildung 1, Abbildung 2. Quelle: Nussmüller Architekten ZT GmbH

Derzeit arbeitet unser Büro am Forschungsprojekt PhaseOut, in dem unter Leitung von Fabian Ochs, Universität Innsbruck, die Integration von Wärmepumpen, Lüftungsgeräten und Photovoltaik in Fertigteilfassaden untersucht wird. Gerade im Wiener Raum, wo die Versorgung mit Gas dominierend ist, soll mit diesem Ansatz eine Umsetzung mit erneuerbaren Energieträgern im städtischen Raum erprobt werden. Die grundsätzliche Untersuchung inklusive Probemodul ist fast abgeschlossen, umgesetzt wird dieses Projekt im Jahr 2024 in Wien vom Projektträger Sozialbau AG.

Bei diesem Demonstrator in Wien wird die Integration von Wärmepumpen, Lüftungsgeräten und Photovoltaik in die Fassade untersucht: Abbildung 1, Abbildung 2. Quelle: Nussmüller Architekten ZT GmbH

Lösungsansätze für breit ausgerollte Umsetzungen

Solche Beispiele stimmen mich hoffnungsvoll, jedoch besteht noch immer eine generelle Scheu vor umfassenden Sanierungen – sowohl bei Bauträgern, als auch bei Architektenkolleg*innen.

Der Arbeitsaufwand, beginnend bei einer umfassenden Analyse, Untersuchung und Detaillierung verschiedener Alternativen, sowie die Mitsprache der Bewohner*innen ist wie bereits oben angesprochen bei einer Wohnbausanierung natürlich wesentlich höher als im Neubau. Hinzu kommt, dass die Baukosten bei Sanierungen mit vorgefertigten Fassadenelementen derzeit doppelt so hoch sind wie der konventionelle „Vollwärmeschutz“, da die Vorteile von vorgefertigten Fassaden erst in einer spürbaren Serie von Umsetzungen zum Tragen kommen. Außerdem denkt der Bausektor in Österreich nach wie vor in Baukosten – und nicht in Lebenszykluskosten. Von seiten der Politik braucht es Anreize, die Mehrkosten der Planung zu honorieren, Lebenszykluskosten in den Förderungen zu berücksichtigen sowie die Sanierungsförderungen auf Kosten der Neubauförderung noch weiter auszubauen. Damit könnte die Politik ein klares Statement für hochwertige Sanierungen abgeben. In der Steiermark gibt es zwar bereits mündliche Zusagen in diese Richtung, aber schriftlich ist noch nichts fixiert.

Firmen für die Umsetzung von vorgefertigten Sanierungslösungen sind vorhanden, doch erst bei einer größeren Anzahl von Häusern wird die Umsetzung interessant. Die Ausschreibung eines Forschungsprojekts, in dem 20 Häuser von fünf Genossenschaften mit fünf Bauträgern systemoffen seriell saniert werden, könnte ein Anstoß für die Firmen sein, um durch die Produktion von größeren Serien attraktive Preise zu erreichen. Deutschland zeigt mit dem Energiesprong-Reallabor bereits, wie dieser Ansatz funktionieren kann (Anm.: siehe auch Artikel „Serielles Sanieren als Schlüsseltechnologie für die Wärmewende“ und „Serielle Sanierung: Dekarbonisierung des deutschen Gebäudebestands“ in dieser Ausgabe der „nachhaltigen technologien“).

Autor

Arch. Werner Nussmüller, Nussmüller Architekten ZT GmbH, Graz

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