Zeitschrift EE

 nt 01 | 2022 Flexibilisierung industrieller Energiesysteme

Transformation, die uns alle betrifft

Um den Klimawandel aufzuhalten, ist sie unumgänglich: Die Energiewende hin zu 100 Prozent erneuerbarer Energieerzeugung in den Bereichen Wärme, Strom und Mobilität. Daher müssen die Ziele des Pariser Klimavertrags rasch erreicht werden, um die Auswirkungen des Klimawandels noch im Griff zu behalten. Die Umsetzung einer vollständigen Dekarbonisierung des gesamten Wirtschafts- und Energiesystems bis 2040 gilt unter ExpertInnen als Schlüssel zum Erfolg.1

Foto: Salzburg AG

Stehen beim Umbau des Energiesystems unter Zeitdruck

Die sich aus den Dekarbonisierungszielen des Pariser Klimagipfels ergebende gesellschaftliche Veränderung ist eine sozio-ökonomische, ökologische und technische Transformation, die alle Lebensbereiche betrifft und gesellschaftspolitisch eine enorme Herausforderung darstellt. Die Vision, wie unser klimaneutrales Leben ohne fossile Brennstoffe aussieht, wird aber noch auf vielen Ebenen teils lebhaft diskutiert. Die technologischen sowie ökonomischen Möglichkeiten, um die Dekarbonisierung voranzutreiben, sind bereits heute schon vorhanden. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist der Umbau des Energiesystems hin zu 100 Prozent erneuerbarer Energieerzeugung in den Bereichen Wärme, Strom und Mobilität. Die Salzburg AG und die gesamte Energiebranche haben sich die Umsetzung der Energiewende zum höchsten Ziel gesetzt. Dafür müssen bis 2030 beispielsweise erneuerbare Strom-Erzeugungskapazitäten im Ausmaß von 27 TWh in Österreich errichtet werden. Laut Gesetz soll in nur mehr acht Jahren beispielsweise die PV-Kapazität in Österreich um 1000 Prozent gesteigert werden. Um bei Windkraft die verlangten 10 TWh zu erreichen, müsste man alle zwei Tage ein neues Windrad in Betrieb nehmen. Diese Beispiele zeigen deutlich, dass wir hier enorm unter Zeitdruck stehen. Die Dekarbonisierung des Wärmesektors ist hier noch gar nicht berücksichtigt.

Eine gemeinsame Vision

Seit Jahren fordert die gesamte Branche den Ausbau von Wasser-, Windkraft, Biomasse und Sonnenenergie und den damit verbundenen notwendigen verstärkten Netzausbau, um dem neuen Erzeugungsmix gerecht zu werden. Grundsätzlich treffen diese Initiativen auf breite Zustimmung. Wenn es dann aber um konkrete Projekte geht, stößt man leider sehr oft auf Widerstand. Um die Dekarbonisierung des Energiesystems voranzutreiben, braucht es dringend ein Umdenken in der Gesellschaft. Die ‚not in my backyard‘-Einstellung bringt uns dem Ziel, unseren Kindern eine saubere, nachhaltige, lebendige und sichere Umwelt zu hinterlassen, keinen Schritt näher. Es braucht das Bekenntnis der Bürgerinnen und Bürger dazu.

Lösungen aufzeigen, Veränderung leben

Die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in die Energiewende ist daher zentral und führt nicht nur zu einer potenziell schnelleren Abwicklung der Bauvorhaben. Es braucht weitere Mechanismen und großflächige Anstrengungen, um die Gesellschaft an der Energiewende teilhaben zu lassen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist durch die EU-Strombinnenmarkt-Richtlinie und das Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) in Österreich geschaffen worden. Sie sieht neue Rollen für Verbraucherinnen und Verbraucher vor. Stromkundinnen und Stromkunden haben so die Möglichkeit, Strom selbst zu erzeugen und unter Nutzung des öffentlichen Netzes gemeinsam zu teilen und zu verbrauchen. Die Nutzung lokal erzeugter Energie steht dabei im Vordergrund. Die Salzburg AG hat sich von Beginn an intensiv mit dem Thema Energiegemeinschaften befasst und kann ihren Kundinnen und Kunden jetzt schon derartige Plattform-Lösungen anbieten. Auch die innovative Finanzierungsform des Crowdinvestings bietet der Gesellschaft eine Möglichkeit, Teil der Energiewende zu werden. Durch die finanzielle Beteiligung an erneuerbaren Energieerzeugungsformen wird die Akzeptanz für zukunftsrelevante Techniken gestärkt. Denn jedes Windrad, jeder Zusammenschluss von Solardächern macht Bürger*innen ein Stück weit unabhängiger.

Dekarbonisierung durch Energieeffizienz

Der Strombranche kommt bei der Dekarbonisierung eine spezifische Rolle zu. Durch Digitalisierung und Innovation sowie durch CO2-freie Wärme, Mobilität und durch die Dekarbonisierung von Industrieprozessen wird die Strombranche an Zulauf gewinnen. Der Strombedarf steigt insgesamt, dennoch ist der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energie umsetzbar. Zu berücksichtigen ist außerdem die Tatsache, dass etwa 50 Prozent des Endenergiebedarfs im Wärmebereich verbraucht wird. Energieeffizienz spielt in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle. Auch im europäischen Green Deal wurde die Energieeffizienzrichtlinie noch weiter verschärft. Die Kommission befürwortet somit alle Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz. Sie werden als Mittel anerkannt, mit dem nicht nur die Energieversorgung nachhaltig gemacht wird, mit denen man die Treibhausgasemissionen senken kann und die Versorgungssicherheit verbessert. Auch die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU zählt zu den Vorteilen der Energieeffizienzrichtlinien.2

CO2-Bepreisung: Ein sinnvolles Instrument der Energiewende

CO2-Emissionen sind die größten Treiber des Klimawandels. Die Reduktion dieser Klimaschadstoffe ist nötig, um die Energiewende zu realisieren und den Klimawandel aufzuhalten. Weltweit gibt es bereits eine Vielzahl von CO2-Bepreisungssystemen. Auch in Österreich gilt für Teile der Wirtschaft bereits eine CO2-Bepreisung nach dem europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS). Die Energiewirtschaft, energieintensive Industrie sowie die innereuropäische Luftfahrt sind hier erfasst. 64 Prozent der in Österreich produzierten Treibhausgase fallen aber in den Non-ETS Sektor und werden daher nicht erfasst. Damit der Anreiz für den Umstieg auf dekarbonisierte Lösungen und Systeme auch in den nicht EU-ETS-regulierten Sparten steigt, braucht es CO2-Preise für alle Sektoren der Wirtschaft und Industrie. Dass es hierzu auch Bewusstsein und Verständnis aus dem Gewerbe- und Industriesektor gibt, zeigen deutlich Initiativen wie beispielsweise CEO`s for Future, die CO2-Bepreisung als zentrale Maßnahme sieht.3

Wie man aus dem Vergleich des österreichischen Wirtschaftswachstums mit dem BIP-Wachstum von Schweden, Finnland, Dänemark und der Schweiz (also Ländern mit CO2-Bepreisung) sieht, haben CO2- Preise keinen negativen Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung (siehe Abbildung). Sie wirken sich aber vorteilhaft auf den Treibhausgasausstoß aus.

Entwicklung von BIP und THG-Emissionen unterschiedlicher Länder 4. Quelle: World Bank. European Environment Agency (EEA)

Mindestens genauso wichtig wie ein starkes CO2-Preis-Signal ist die Verwendung der daraus generierten Mittel. Zweckwidmung in Projekte zur Dekarbonisierung reduzieren den CO2-Gehalt und schaffen Rahmenbedingungen für eine dekarbonisierte Wirtschaft, in der niedrige CO2-Emissionen einen Marktvorteil darstellen.5

Die Basis der Energiewende, die erneuerbaren Quellen, sind bereits vorhanden. Nun liegt es an uns, das Energiesystem zu 100 Prozent erneuerbarer Energieerzeugung zu wandeln. Es ist ein komplexes und kraftintensives Vorhaben, das nicht scheitern darf – und rasch umgesetzt werden muss. Nur wenn Wirtschaft, Politik, die gesamte Energiebranche und alle Bürgerinnen und Bürger an einem Strang ziehen und die vorhandenen Stolpersteine aus dem Weg räumen, kann dieses Vorhaben gelingen. Wir als Salzburg AG stehen zu 100% hinter den Maßnahmen und Anstrengungen, die für ein nachhaltiges und sicheres Morgen von Bedeutung sind.

Quellen

  1. vgl. CEOs FOR FUTURE, Positionspapier „Ein Preis für CO2“, September 2021, S. 5, online verfügbar unter https://ceosforfuture.at/wp-content/uploads/2021/09/c4f-positionspapier-co2-preis.pdf
  2. vgl. https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/69/energieeffizienz
  3. vgl. CEOs FOR FUTURE, Positionspapier „Ein Preis für CO2“, September 2021, S.9 ff.
  4. CEOs FOR FUTURE, Positionspapier „Ein Preis für CO2", Sept. 2021; S.8 (basierend auf Weltbank, Europäische Umweltagentur 2019, Darstellung Global 2000).
  5. vgl. CEOs FOR FUTURE, Positionspapier „Ein Preis für CO2“, September 2021, S.7 ff.

Autor*innen

Hon. Prof. Mag. Dipl.-Ing. Dr. Brigitte Bach, MSc ist seit 2021 als Vorständin bei der Salzburg AG tätig und ist im Verein CEOs for Future aktiv.

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