nt 04 | 2021 Gebäudesimulation
Auf jedes Detail kommt es an
Bei der Planung nachhaltiger Projekte steckt der Teufel oft im Detail. Denn es gilt, Gebäude oder Überbauungen als Gesamtsysteme zu betrachten, bei denen – frei nach Isaac Newton – jede Aktion eine Reaktion nach sich zieht. Wie die einzelnen Faktoren und Elemente zusammenhängen und wie man ein Projekt energetisch optimiert, wissen die Experten von Transsolar Energietechnik GmbH.
Ein Projekt nicht nur oberflächlich, sondern konzeptionell nachhaltig umzusetzen, ist eine enorme Herausforderung: Universelle Lösungen, die bei jedem Projekt anwendbar sind, gibt es nicht. Und bei allen Nachhaltigkeitsüberlegungen dürfen auch die Finanzierbarkeit und die Wirtschaftlichkeit der veranschlagten Massnahmen nicht aus den Augen verloren werden.
Drei Jahrzehnte Erfahrung
Um ganzheitlich nachhaltige Projekte realisieren zu können, müssen die Zusammenhänge aller relevanten Faktoren analysiert werden, vom Standort über die klimatischen Verhältnisse bis zur Sonneneinstrahlung und dem Nutzerverhalten. Transsolar beschäftigt sich seit der Gründung 1992 mit all diesen Zusammenhängen und verfolgt dabei den Ansatz der integralen Planung. Dafür ist die Expertise aller nötigen Fachrichtungen und jahrzehntelange Erfahrung notwendig. Es entsteht ein dynamischer Prozess, bei dem alle Beteiligten in ständigem Austausch miteinander stehen, weil Änderungen an einer Stelle unmittelbare Auswirkungen auf andere Elemente haben. Um einen solchen Grad an Komplexität bewältigen zu können, verwenden die Spezialisten verschiedene Tools, allen voran TRNSYS. Die Weiterentwicklung des flexiblen Tools für die Simulation dynamischer Systeme wird seit seiner Entwicklung 1975 mit Beteiligung von Transsolar Energietechnik stetig vorangetrieben.
Vier Schritte zur Transparenz
Jeder Projektauftrag durchläuft vier Phasen. Zunächst wird der Masterplan des Gesamtprojekts analysiert. Dabei werden Faktoren wie die Sonneneinstrahlung, erschattung oder die Tageslichtversorgung untersucht. In einem zweiten Schritt geht es darum, den Verbrauch von Nutzenergie zu reduzieren. Hier untersuchen die Experten von Transsolar den Gebäudestandard und die energetische Effizienz der einzelnen Bauteile. Der dritte Schritt beschäftigt sich mit der Gebäudetechnik. Zum Schluss wird versucht, den ermittelten Energiebedarf so weit wie möglich mit erneuerbaren Energien zu decken, typischerweise mit Photovoltaik. Mit den Simulationen werden tatsächliche und wahrscheinliche Verhältnisse abgebildet. Der Einsatz von TRNSYS erlaubt es, bei den Analysemodellen fast beliebig in die Tiefe zu gehen und damit Auftraggebern fundierte Empfehlungen zu liefern. Dank jahrzehntelanger Erfahrung, laufend kalibrierter Modelle und einer Fülle von verwendeten Datensätzen werden die Simulationen immer exakter und treffender.
Zonierung und Randbedingungen
Am Beispiel einer Quartierentwicklung im bayerischen Bad Aibling zeigt sich die enorme Bandbreite der Analysen und Simulationen mit der Methodik von Transsolar Energietechnik. Um den gewünschten Detaillierungsgrad zu erhalten, wird die gesamte, aus drei Baukörpern bestehende Überbauung zunächst in Zonen aufgeteilt. In einem nächsten Schritt werden die äusseren Rahmenbedingungen für die Simulation festgelegt. Die Wetterdaten werden vom Deutschen Wetterdienst, der für jeden Standort verschiedene Referenzdatensätze anbietet, bezogen. Auch die Sonneneinstrahlung, die Bodentemperatur und der Wassergehalt der Luft werden als Parameter in die Simulation eingesetzt. Diese wird durch die Eingabe von baulichen Parametern wie Raumhöhe, U-Werte von Bauteilen und sogar Infiltration durch Undichtigkeiten und Wärmebrücken weiter verfeinert. Auf diese Weise wird ein Modell des späteren Quartiers in seiner tatsächlichen Umgebung erhalten.
Zonierung Energetische Quartiersimulation. Quelle: Transsolar Energietechnik GmbH
Den Nutzer einberechnen
Auch der menschliche Faktor fliesst in die Simulation mit ein – über Belegungsprofile, die angeben, wann wie viele Personen potenziell aktiv sind. Ähnliche Belegungsprofile werden für die elektrischen Geräte, die zum Einsatz kommen, festgelegt. In Verbindung mit Daten wie dem Warmwasserverbrauch und der Luftwechselrate sowie Rahmenbedingungen wie der Temperaturkomfortzone lassen sich Klimakonzepte für die verschiedenen Nutzungsbereiche ausarbeiten. Der Ansatz ist dabei immer, mit möglichst wenig technischem Aufwand möglichst viel Effizienz und Komfort zu erreichen. Das ist langfristig nachhaltiger und oft auch wirtschaftlicher, als alles nur Mögliche zu automatisieren und dann die Systeme ständig warten zu müssen
Resultate bis ins Detail
Sind alle Daten erfasst, erfolgt die Auswertung. So kann zum Beispiel für jede der zuvor definierten Zonen die Raumtemperatur über das ganze Jahr hinweg ermittelt und grafisch aufbereitet werden.
Auf diese Weise wird zum Beispiel schnell ersichtlich, ob die geplanten Klimakonzepte über alle Zonen hinweg so funktionieren, dass die Benutzer stets angenehme Temperaturen vorfinden. Ebenso aufgezeigt werden die dadurch benötigten Heizleistungen sowie der Energiebedarf für Heizung, Kühlung und Elektrizität. Werden die Resultate der einzelnen Zonen zusammengefasst, zeigt sich der Energiebedarf für Heizung, Kühlung und Elektrizität für die Gesamtüberbauung. Spätestens jetzt offenbaren sich die energetischen Stärken und Schwächen der Projektplanung. An diesem Punkt spielt der Detailgrad der Simulation erneut seine Stärken aus. Relativ einfach werden Elemente des Projekts manipuliert, um zu sehen, wie sich diese Veränderungen auf die untersuchten Faktoren auswirken.
Heiz- und Kühlleistung Gesamtgebäude. Quelle: Transsolar Energietechnik GmbH
Die Frage des Energieträgers
In einem letzten Schritt wird die effizienteste, nachhaltigste und wirtschaftlichste Form der Energieversorgung eruiert. Erst wird die benötigte Nutzenergie berechnet, zusammen mit den Erzeugerverlusten ergibt sich daraus die Endenergie – die Energiemenge, die ans Gebäude geliefert werden muss. Dieser Wert plus die Energie für vorgelagerte Produktionsprozesse ergibt die benötigte Menge Primärenergie, aus der sich wiederum die verursachten CO2-Emissionen für die verschiedenen Energieträger berechnen lassen. Nachdem Wirkungsgrade, Investitionskosten, Wartungsansätze, Energiepreise und absehbare Änderungen der politischen Rahmenbedingungen in die Simulation eingespeist sind, lassen sich verschiedene Varianten für die Wärme- und Kälteversorgung des Projekts durchspielen und auswerten. Zudem wird untersucht, welche Rolle der Einsatz von Solarenergie für die jeweiligen Varianten spielen kann.
Auf der Grundlage dieser Resultate erfolgt eine energetische Optimierung des jeweiligen Projekts.
Nutzenergiebedarf Gesamtkomplex. Quelle: Transsolar Energietechnik GmbH
Systemsimulationen zur Optimierung
Damit die einmal gewählten Systeme ideal aufeinander abgestimmt werden können, kommen dynamische Systemsimulationen zum Einsatz, die mit der Gebäudesimulation gekoppelt werden. So lassen sich Dimensionen, Steuerungen und Regelkriterien der Gebäudetechnik perfektionieren, noch bevor die Systeme tatsächlich installiert sind, und die Auswirkungen auf Systemeffizienz und Raumkomfort untersuchen. Solche Simulationen sind auch sehr nützlich, wenn sich bei fertigen Bauprojekten herausstellt, dass gewisse Elemente nicht wie geplant funktionieren. Anhand von Simulationen lässt sich dann herausfinden, welche Veränderungen nötig sind, um das zu beheben. Aus «Trial and Error» wird so «Simulieren und Optimieren».
Autor
Daniel Kiehlmann ist Projektleiter bei Transsolar Energietechnik GmbH, München. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!