Zeitschrift EE

2019-04: Wärmespeicher

Kompaktwärmespeichertechnologien für Gebäude, Mobilität und Industrie

Wim van Helden, Rebekka Köll

In den Jahren 2014 bis 2018 leitete AEE INTEC ein nationales Leitprojekt mit 18 Projektpartnern aus Industrie, Forschung und Entwicklung. Ziel des Projektes war es, Kompaktwärmespeichertechnologien für die Anwendung in Gebäuden, der Industrie und Mobilität zu entwickeln. Einige Beispiele illustrieren nachfolgend die Arbeiten, wobei auf die Entwicklung eines Solarkollektors mit eingebautem Sorptionsspeichermaterial näher eingegangen wird.

Abbildung 1: Neu entwickelter Sorptionskollektor. Foto: AEE INTEC

Kompaktwärmespeicher für die Industrie

Den größten Anteil des Wärmebedarfs in der Industrie macht Wärme im niedrigen Temperaturbereich bis 100 Grad aus. Der zweitgrößte Anteil betrifft Wärme mit Temperaturen zwischen 100 und 200 Grad, meistens in Form von Dampf. In der Praxis werden in diesem Bereich Dampfspeicher als Wärmespeicher genutzt. Eine vielversprechende Alternative sind Speicher auf Basis von Latentspeichermaterialien (PCM, Phase Change Materials), mit deren Hilfe Wärme auf kompakte Weise und mit geringen Verlusten gespeichert werden kann. Im Projekt wurden dazu neue Materialklassen auf Basis von Polymerwerkstoffen untersucht. Tests in Bezug auf Speicherdichte und Zyklenstabilität wurden in Zusammenarbeit zwischen Technischer Universität Wien, Austrian Institute of Technology (AIT) und Südzucker AG durchgeführt.

Kompaktwärmespeicher für Mobilität

Schienenfahrzeuge besitzen Kühlanlagen, damit der Innenraum auf angenehme Temperaturen gebracht werden kann. Es gibt jedoch Situationen, in denen die Abwärme der Kühlanlage nicht an die Umgebung abgegeben werden kann und die Kühlanlage abgeschaltet werden muss. Das betrifft z. B. Tunnelstrecken oder Abschaltung der Kühlanlage zur Lärmreduktion. Ein PCM-Speicher, entweder im Kühl- oder Wärmesenkenkreis integriert, kann eine kontinuierliche Abgabe von Kälte gewährleisten. Liebherr entwickelte dazu in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Graz und der i2m Unternehmensentwicklung einen PCM-Speicher, der im Labor getestet wurde. Das Speichermaterial auf Basis eines Phasenwechselmaterials mit einer Übergangstemperatur von 5-6 Grad wurde in einen Wärmetauscher aus Aluminiumschaummatrix mit Kupferrohren eingefüllt.

Abbildung 2: Wärmebild des Prototyp PCM-Speichers für Schienenfahrzeuge während des Entladens der Wärme aus dem Speicher. Quelle: Projekt Tes4seT

Sorptionskollektor für Gebäude

Solarthermische Kollektoren sind aufgrund ihrer hohen Effizienz und geringen Kosten eine ideale Technologie für die klimafreundliche Erzeugung von Warmwasser und zur Heizwärmebereitstellung für Gebäude. Hohe saisonale Schwankungen, die zu einem deutlichen Wärmeüberschuss im Sommer und Wärmedefizit im Winter führen, sind jedoch eine große Herausforderung. Die Kombination von solarthermischen Anlagen mit Langzeitspeichern ermöglichen hohe solare Deckungsgrade über das ganze Jahr hinweg sowie eine effiziente Nutzung von Zusatzheizsystemen wie z. B. Wärmepumpen.

In den vergangenen Jahren konnte die vielversprechende Anwendung von Sorptionsspeichern als Langzeitspeicher in diversen Forschungsprojekten gezeigt werden. Durch ihre quasi verlustfreie Speicherung, hohen Energiespeicherdichten und lange Lebensdauer erfüllen Sie die Anforderungen an Langzeit-Wärmespeicher sehr gut.

Das Funktionsprinzip eines Sorptionsspeichers wird anhand eines geschlossenen Sorptionsspeichersystems mit dem Materialpaar Zeolith und Wasserdampf beschrieben. Die Hauptkomponenten eines Speichersystems sind der Sorptionsspeicher, der Verdampfer/ Kondensator und der Wassertank, welche über ein Rohrsystem miteinander verbunden sind und unter Vakuum stehen. Im Sommer wird Überschusswärme des Solarkollektorfeldes genutzt, um den Speicher zu beladen. Durch die Erwärmung des Zeoliths wird gebundener Wasserdampf freigesetzt, der aufgrund der entstehenden Druckdifferenz über die Vakuumleitung zum Kondensator strömt und dort kondensiert. Für die Entladung wird das Prozesswasser zum Verdampfer gepumpt und dort mittels Niedertemperaturquelle (Außenluft, Erdkollektor, etc.) verdampft. Durch den Vakuum-Betrieb kann die Verdampfung bei niedriger Temperatur erfolgen (5-17 °C). Der erzeugte Dampf strömt nun aufgrund des niedrigeren Drucks im Speicher zum Sorptionsmaterial, wo er adsorbiert wird. Dadurch wird Wärme freigesetzt, die zur Warmwasserund Heizwärmeversorgung des Gebäudes genutzt wird.

Abbildung 3: Schematische Darstellung eines Sorptionsspeichers: Beladung im Sommer (oben) und Entladen im Winter (unten) mit typischen Temperaturen Quelle: AEE INTEC

Im Zuge des Projektes Tes4seT wurde ein Sorptionsspeichersystem für ein Einfamilienhaus entwickelt und der Beladungsprozess mittels „Charge Boost“-Prinzip optimiert. Für den „Charge Boost“ werden zwei mit Sorptionsmaterial gefüllte Module miteinander verbunden, wobei sich der Hauptspeicher auf einem höheren Temperaturniveau als der „Charge Boost“-Speicher befindet. Durch die entstehende Druckdifferenz wird der Hauptspeicher weiter getrocknet und damit energetisch höher geladen.

Zur optimalen Integration des Charge-Boost-Prinzips wurde außerdem eine eigene Komponente entwickelt und getestet – der sogenannte Sorptionskollektor (siehe Titelbild). Dieser verbindet die Eigenschaften eines herkömmlichen thermischen Kollektors mit denen eines „Charge Boost“-Speichers. Dafür wird Sorptionsmaterial direkt in die innere Glasröhre eines Vakuumröhrenkollektors gefüllt und über ein Vakuumrohr mit dem restlichen Speichersystem verbunden. Der Vorteil dieses Systems ist, dass das Sorptionsmaterial direkt im Kollektor bei der höchsten zur Verfügung stehenden Temperatur getrocknet wird und somit die durch reine Desorption maximal erreichbare Beladung ermöglicht. In der Nacht sorgt das rasche Auskühlen des Sorptionskollektors durch die hohen Strahlungsverluste für einen raschen Temperatur- und daher auch Druckabfall, der für den „Charge Boost“-Prozess des Hauptspeichers genutzt wird. Am nächsten sonnigen Tag wird das Material im Kollektor wieder getrocknet. Somit kann ein effizienter TagNacht Zyklus die Speicherkapazität deutlich erhöhen und das System noch kompakter gestaltet werden. Gleichzeitig bleibt die Funktion eines herkömmlichen thermischen Kollektors erhalten.

Abbildung 4: Schema des neu entwickelten Sorptionsspeicher-Prototypen Quelle: AEE INTEC

Der Einfluss der Speichertemperaturen und Anzahl der „Charge Boost“-Zyklen auf den Beladungsverlauf ist in folgender Grafik dargestellt. Während nach einer herkömmlichen Beladung (0 Zyklen) erst ca. die Hälfte der möglichen Speicherkapazität des Zeoliths genutzt wird, steigt die Rate mit der Anzahl der „Charge Boost“-Zyklen (1 Zyklus = 1 Tag) deutlich an. Je nach Konfiguration können nahezu 100 % des theoretischen Potenzials genutzt werden, was einer Energiespeicherdichte von deutlich über 200 kWh/m³ entspricht.

Abbildung 5: Beladungsverlauf des Hauptspeichers mit der Anzahl der „Charge Boost“-Zyklen und unterschiedlichen Temperaturen in % der maximalen Speicherkapazität. Massenverhältnis zwischen „Charge Boost“-Speicher und Hauptspeicher ist 1 : 20. Quelle: AEE INTEC

Autor

Dr. Wim van Helden leitet die Gruppe „Thermische Speicher“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Rebekka Köll, MSc., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gruppe „Thermische Speicher“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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