nt 01 | 2021 Neue Impulse für die Energieraumplanung
Energie MEETS Raumplanung – Praxisbericht aus Salzburg
Stefan Zenz, Alexander Rehbogen
Seit 1. Jänner 2018 sind Energie und Klimaschutz im Salzburger Raumordnungsgesetz als Aufgaben der Raumplanung verankert. In den räumlichen Entwicklungskonzepten hat sich seither eine gelebte Praxis etabliert und energie- und klimaschutzbezogene Fragen werden konsequent berücksichtigt.
Salzburg verfolgt mit der Klima + Energiestrategie Salzburg 2050 ambitionierte Ziele im Klimaschutz. Eine tragende Säule der Maßnahmen bildet der Bereich räumliche Energieplanung. Ziel ist es, das sich in den letzten Jahren neu manifestierende öffentliche Interesse an nachhaltiger Energieversorgung und Klimaschutz in bestehende Verwaltungsprozesse sinnvoll zu integrieren. Dementsprechend war einer der ersten Schritte zur Implementierung die detaillierte Analyse von bestehenden Planungsprozessen, in denen energie- und klimaschutzbezogene Fragestellungen von Relevanz sind. Als Ergebnis haben sich die Erstellung räumlicher Entwicklungskonzepte (REKs) und die Planung von Neubauprojekten als Schlüsselprozesse in der Verwaltung herauskristallisiert. In beiden Prozessen ist in den letzten Jahren die Berücksichtigung von energie- und klimaschutzbezogenen Fragestellungen in der Praxis angekommen. Mit der Etablierung des Prozesses im REK wurde ein Meilenstein erreicht, der in diesem Artikel näher betrachtet werden soll.
Räumliche Entwicklungskonzepte
Gemeinden legen in den sogenannten REKs alle 15-20 Jahre ihre langfristigen Entwicklungsziele fest. Seit der Novellierung des Raumordnungsgesetzes im Jahr 2017 sind sie verpflichtet, in neuen REKs „energierelevante Gegebenheiten“ in der Bestandsanalyse abzubilden (vgl. S-ROG 2009, § 24 Abs.1 z2) und „grundsätzliche Aussagen (...) zur angestrebten Energieversorgung“ zu treffen (vgl. ebd., § 25 Abs.2 z5). Zahlreiche gute Beispiele aus der Praxis belegen seither, wie in der Entwicklungsplanung wichtige Weichenstellungen für eine nachhaltige Entwicklung gesetzt werden können. Eine zukunftsfähige Raumentwicklung durch kompakte und nutzungsgemischte Siedlungsstrukturen, eine effiziente Energieversorgungsinfrastruktur mit Forcierung netzgebundener Wärmeversorgung und die Nutzung lokal vorhandener erneuerbarer Energieressourcen werden in die Planung als Ziele übernommen.
3x3 der Energie im räumlichen Entwicklungskonzept (REK) Quelle: SIR
Zukunftsfähige Raumentwicklung
- Kompaktheit / Bebauungsdichte und Nutzungsmischung forcieren und damit
- den durch die Mobilität induzierten Energiebedarf reduzieren
- die Energieeffizienz der Gebäude erhöhen
- eine nachhaltige netzgebundene Wärmeversorgung ermöglichen
- Alle Entwicklungen außerhalb der Siedlungsschwerpunktbereiche vermeiden
Effiziente Infrastruktur
- Bestehende nachhaltige Energieinfrastruktur (v.a. Fernwärmenetze) beachten, deren Nutzung stärken und bei Standortentwicklungen Potenziale für die Errichtung nachhaltiger Energieinfrastruktur beachten
- Doppelte Infrastruktur und gegenseitige negative Beeinflussung von Infrastruktur (Umgebungswärmenutzung) vermeiden
- Ausbau der Gasinfrastruktur unterbinden
- Infrastrukturkosten der Erschließung generell einbeziehen
Optimale Nutzung von lokalen Ressourcen
- Bestehende Potenziale (insbesondere Sonne, Biomasse, Wind, Wasser, Umgebungswärme) maximal nutzen
- Verschwendung lokaler Energiepotenziale (v.a. Abwärme Industrie, Gewerbe, Reinhaltung) vermeiden
- Importe von Energie minimieren - lokale Wertschöpfung maximieren
Service für Gemeinden
Von Beginn an war es eine wichtige Bedingung, die Gemeinden mit dem neuen Materienkomplex nicht zu überfordern. Der zusätzliche Ressourcen- und Kompetenzbedarf muss in den ohnehin hoch komplexen Raumordnungsprozessen auf ein Minimum beschränkt werden, um im gegebenen Rahmen darstellbar zu bleiben. Gemeinden werden deshalb in den energiebezogenen REK Aktivitäten im gesamten Prozess individuell unterstützt. Das Amt der Salzburger Landesregierung bietet dafür die folgenden (kostenlosen) Services:
- Bestandsanalyse Energie als Grundlage für die Gemeinden und OrtsplanerInnen
- Individueller Besprechungstermin für jede Gemeinde zur Interpretation der Ergebnisse
- Dauernde Ansprechstelle für Umsetzungsfragen
Im Herbst 2020 wurden zudem alle OrtsplanerInnen des Landes in die neuen Inhalte eingeschult und können die Gemeinden nun optimal in der Umsetzung unterstützen. Um diese Services für die Gemeinden bereitstellen zu können, war jahrelange Aufbauarbeit und eine intensive und gute Zusammenarbeit zwischen insgesamt sechs Referaten des Amtes der Salzburger Landesregierung erforderlich
Prozessinnovation statt Revolution
Zentral ist neben dem Service die Tatsache, dass man sich mit dem neuen Materienkomplex in bestehende Planungsprozesse eingliedert. Es war weder möglich noch notwendig, einen neuen Verwaltungsprozess „zu erfinden“. Vielmehr wird die Entwicklung eines REK an relevanten Stellen an den etablierten Planungsprozess angekoppelt. Und auch die Struktur der Inhalte wurde nicht neu entwickelt. So besteht ein REK aus einem Planteil und einem Textteil, wobei sich letzterer in die Bestandsanalyse, die Umweltprüfung sowie die Maßnahmen und Ziele gliedert. Die Berücksichtigung von energie- und klimaschutzbezogenen Inhalten ist an diese Struktur angepasst.
Über Stellungnahmen an insgesamt drei Punkten im Laufe des Verfahrens zur Neuauflage eines REKs haben Fachdienststellen die Möglichkeit und Aufgabe, die ihren Kompetenzbereich betreffenden Inhalte zu bewerten. Dieser Ablauf erlaubt es, die neue Materie „Energie und Klimaschutz“ schrittweise und mit der notwendigen Sensibilität gegenüber den ressourcenmäßigen Möglichkeiten der Gemeinden einzuführen.
Inhalte Bestandsanalyse Energie
Die Anforderungen im Bereich Energie wurden im Zeitverlauf an die jeweils verfügbaren Informationen gekoppelt. Da 2018 für die Energie nur Basisinformationen zur Verfügung gestellt werden konnten, waren die Anforderungen an die Bestandsanalyse gering. Über das Projekt GEL S/E/P (siehe auch Artikel Digitale Planungsgrundlagen für die Energieraumplanung) konnten schrittweise mehr Informationen verfügbar gemacht und die Anforderungen angehoben werden. Ab April 2021 werden die automatisierten „Bestandsanalysen Energie“ auf 50 Seiten alle relevanten Informationen für den Bereich der Wärme umfassend abbilden. Die Darstellungen erlauben den Gemeinden und OrtsplanerInnen eine umfassende Integration energie- und klimaschutzbezogener Fragestellungen in die REKs. Entsprechend besteht die Möglichkeit, die Mindestanforderungen zur Berücksichtigung energieund klimaschutzbezogener Fragestellungen auf dieses Niveau anzuheben. Inzwischen wird jährlich eine zweistellige Zahl an Verfahren erfolgreich und in einer positiven Zusammenarbeit mit den Gemeinden, OrtsplanerInnen und anderen Fachdienststellen begleitet.
Ablauf Neuauflage REK (Räumliche Energiekonzepte) und Berücksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte
- Sondierung
- Bestandsanalyse Energie (Erstanalyse)
- Individuelles Beratungsgespräch mit der Gemeinde (optional)
- Mitteilung der unerlässlichen Untersuchungen
- Anforderungen in Bezug auf Berücksichtigung energie- und klimaschutzbezogener Inhalte werden in Stellungnahmen dargelegt
- Bestandsanalyse Energie (Update)
- Vorbegutachtung und Umweltprüfung
- Kommentierung Text- und Planteil
- Kommentierung der geplanten neuen Siedlungsgebiete im Hinblick auf Eignung und Energieversorgungsoptionen aus der Perspektive "Klimaschutz"
- Prüfbehördliche Genehmigung
- Finale Kommentierung zur Umsetzung der Anmerkungen
Fazit und Ausblick
Im Verlauf von drei Jahren konnte der neue Materienkomplex „Energie und Klimaschutz“ reibungsfrei in die REKs integriert werden. Die Basisanalysen für Energiekonzepte befinden sich in einigen Gemeinden ebenfalls bereits in Anwendung. Die gute Zusammenarbeit mit den anderen Fachdienststellen, das Serviceverständnis und die Rücksichtnahme auf die Möglichkeiten der Gemeinden durch die Entwicklung eines digitalisierten Systems sowie der notwendige Rechtsrahmen waren die zentralen Erfolgsfaktoren. Der erfolgreich eingeschlagene Weg soll nun konsequent weiterverfolgt werden. Auf Grundlage der breiten Datenbasis und des entwickelten Informationssystems sind zahlreiche Vertiefungen, inhaltliche Erweiterungen und weitere Anwendungen denkbar. Mit der Ausdehnung auf die Sektoren Strom und Mobilität und der EnergieApp für Häuslbauer befinden sich spannende neue Ideen bereits in der Pipeline.
Statement
"Klimaschutz ist ein Schwerpunkt der Salzburger Landesregierung. Mit unserer Klima + Energiestrategie SALZBURG 2050 soll unser Bundesland bis zum Jahr 2050 klimaneutral, nachhaltig und energieautonom sein. Unsere politische Verantwortung dabei ist, die Möglichkeiten zu schaffen, damit
sich alle beim Klimaschutz aktiv beteiligen können. Nur gemeinsam kommen wir voran. Auch die
Gemeinden sind wichtige Klimaschutz-Verbündete. Daher schaffen wir notwendige Rahmenbedingungen und Services, damit Gemeinden ihre Verantwortung wahrnehmen und einen direkten Beitrag
leisten können. Mit der Bestandsanalyse Energie werden kostenfrei alle notwendigen Informationen
bereitgestellt, damit der Umstieg auf erneuerbare Energien und Klimaschutz in der Raumplanung
erleichtert und ermöglicht wird."-- Landeshauptmann Stellvertreter Dr. Heinrich Schellhorn, zuständig für Energie, Umwelt und Klimaschutz
AutoreInnen
Stefan Zenz, MSc ist Experte für die Klima- und Energiestrategie SALZBURG 2050 im Referat 4/04 Energiewirtschaft und -beratung des Amtes der Salzburger Landesregierung. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Mag. Alexander Rehbogen, MBA ist Experte für die Bereiche Energie und Smart City Salzburg am Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen (SIR). Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!