Zeitschrift EE

nt 02 | 2022 Wärmenetze im Wandel

Modernisierungskonzepte für das Biomasseheizwerk Saalfelden

Biomassebasierte Fernwärmenetze und -systeme spielen eine zentrale Rolle in der nachhaltigen Wärmeversorgung und umfassen rund 2 400 in Betrieb befindliche Systeme in Österreich (Basisdaten Bioenergie 2021, Österreichischer Biomasse-Verband, Wien, 2021). Laufende technische Innovationen, die Digitalisierung sowie systemische Veränderungen in der Wärmeversorgung bieten weiteres Potenzial zum Ausbau und zur Stärkung dieser Marktposition. Aktuell und in naher Zukunft besteht bei den in Betrieb befindlichen Wärmenetzen, insbesondere der ersten und zweiten Generation, ein erhöhter Nachrüstungs- und Modernisierungsbedarf, um den zukünftigen technischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Herausforderungen sowie einem nachhaltigen und zielgerichteten Betrieb gerecht zu werden. Dies betrifft sowohl technische Maßnahmen, die fortschreitende Digitalisierung mit intelligenter Sensorik und neuen Regelungskonzepten, als auch nicht-technische und organisatorische Maßnahmen. Während technische Maßnahmen z. B. die Optimierung von Biomassekesseln, Speicherintegration, Sekundärund Effizienzsteigerungstechnologien betreffen, zählen zu den organisatorischen Maßnahmen z. B. die strategische Planung der Netzerweiterung und -verdichtung, Kopplung mit der Energieraumplanung oder die Integration lokal verfügbarer erneuerbarer Energieträger und/oder Abwärme. Diese Maßnahmen beeinflussen in weiterer Folge ökonomische Aspekte wie Wärmegestehungskosten, Geschäfts- und Abrechnungsmodelle.

Foto: Klimafonds / Krobath

Ausgangssituation

Im Zuge des Forschungsprojektes ThermaFLEX wurde für das Biomasseheizwerk in Saalfelden, welches von der Salzburg AG betrieben wird, ein 2-stufiger Prozess zur Modernisierung entwickelt. Das 1997 errichtete Biomasseheizwerk Saalfelden versorgte im Jahr 2019 bzw. vor Implementierung der Modernisierungsmaß- nahmen über ein 5,3 km langes Fernwärmenetz rund 50 Abnehmer, unter anderem die Wallner Kaserne, ein Altenheim und die Höhere Technische Lehranstalt Saalfelden. Die dafür notwendige jährliche Wärmeaufbringung betrug rund 13,1 GWh.

Diese Wärme wurde primär durch einen Biomassekessel mit einer Nennleistung von 2,5 MW mit nachfolgendem Economiser (0,3 MW) erzeugt. Als Ausfallsreserve und zur Abdeckung von Spitzenlasten sind ein Gaskessel (5 MW) sowie eine Power-2-Heat Anlage (ausgeführt als elektrischer Durchlauferhitzer mit 0,4 MW) im Heizhaus installiert. Als zusätzliche Ausfallsreserve ist eine weitere dezentrale Gaskesselanlage (0,4 MW) in der örtlichen Volksschule verfügbar. Um den Anteil der erneuerbaren Energieerzeugung im Wärmenetz in Saalfelden weiter zu erhöhen und die Effizienz der bestehenden Systeme zu steigern, wurden im Rahmen von ThermFLEX neue technische Konzepte zur Modernisierung und Effizienzsteigerung ausgearbeitet und in einer ersten Stufe zur Umsetzung gebracht. Weiter wurde das Potential zur Integration alternativer Wärmequellen bzw. einer nachhaltigen Abwärmenutzung aus Niedertemperaturquellen untersucht und ein entsprechendes technisches Konzept zur Integration einer Wärmepumpe entwickelt.

Technische Modernisierung des Biomasseheizwerkes

Im Zuge der ersten Modernisierungsstufe, welche zwischen Juni und Oktober 2020 durchgeführt werden konnte, wurden vielschichtige Maßnahmen bei der bestehenden Heizzentrale sowie im Wärmenetz durchgeführt. In der Heizzentrale wurden Adaptierungen an der bestehenden Biomassefeuerung und Hydraulik, Installation von Rauchgasrückführungen, Implementierung eines Rauchgasreinigungssystems (E-Filter) in Kombination mit einer Leistungssteigerung der Rauchgaskondensation (von 300 kW auf 550 kW), Erneuerung der Leittechnik, Implementierung eines thermischen Speichers mit einem Volumen von 150 m³ und entsprechendem Speichermanagement durchgeführt. Maßnahmen in Bezug auf das Wärmenetz waren ein gezielter Netzausbau sowie die Optimierung der Netztemperaturen. Während der Modernisierungsmaß- nahmen wurde das Wärmenetz mit einer mobilen Wärmeerzeugungsanlage betrieben. Aktuell versorgt das Wärmenetz 67 Abnehmer bei einer Wärmeaufbringung von 14,9 GWh und einer Trassenlänge von 6,1 km.

Begleitendes wissenschaftliches Monitoring

Die Modernisierungsmaßnahmen wurden einem umfassenden Monitoring unterzogen und die gewonnenen Daten evaluiert und validiert. Die Modernisierung führte zu einer nachgewiesenen Erhöhung der Energieeffizienz des bestehenden Biomassekesselsystems sowie einer wesentlichen Reduktion des fossilen Anteils im Energiemix. Der fossile Gasanteil konnte im Jahresschnitt von 11,3 Prozent im Jahr 2019 auf 3,7 Prozent im Jahr 2021 reduziert werden. Dies führte zu einer direkten Substitution von rund 920 MWh Gas und einer damit verbundenen CO2-Einsparung von rund 230 Tonnen CO2, bei gleichzeitig gesteigerter Wärmeaufbringung von über 1,8 GWh. In einzelnen Monaten, speziell in den Wintermonaten, konnte der Gasanteil sogar auf 1 Prozent und darunter gesenkt werden. In Summe konnten 2021 somit rund 2,72 GWh Wärme zusätzlich durch das Biomassekesselsystem erzeugt werden und die gesamte Wärmeaufbringung durch Biomasse stieg von 11,58 GWh 2019 auf insgesamt 14,31 GWh 2021.

Durch Modernisierungsmaßnahmen konnte der fossile Gasanteil im Jahresschnitt im Biomasseheizwerk Saalfelden von 11,3 Prozent im Jahr 2019 auf 3,7 Prozent im Jahr 2021 reduziert werden. Quelle: ThermaFLEX (Datenquelle: Salzburg AG)

Abwärmenutzung aus Niedertemperaturquellen

Basierend auf den Ergebnissen und Erkenntnissen aus Stufe 1 wurden in einer zweiten Modernisierungsstufe ergänzende technische Konzepte zur Integration einer Wärmepumpe zur weiteren Effizienzsteigerung und zur Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energie im Energiemix entwickelt. Neben der Dimensionierung der Wärmepumpe spielt auch die hydraulische Einbindung eine relevante Rolle für die Gesamtsystemintegration. Dabei wurden zwei verschiedene Varianten evaluiert:

  1. die Integration in den Wärmespeicher und
  2. die Integration in den Rücklauf des Biomassekessels.

Auf Basis einer technisch-wirtschaftlichen Bewertung wurde die Wärmepumpenintegration in den Rücklauf des Biomassekessels für eine Detailplanung vorgeschlagen. Durch die Wärmenutzung der Rauchgaskondensationsanlage bzw. die weitere Abkühlung des Rücklaufs der Rauchgaskondensation auf ca. 35 °C (von derzeit ca. 52 °C) wird der Temperaturhub für die Wärmepumpe signifikant reduziert und eine erhebliche Effizienzsteigerung der Rauchgaskondensation erreicht. Der Fernwärmerücklauf dient als Wärmesenke und die Energie wird zur Vorwärmung des Kesselkreises genutzt.

Die Effizienz der Wärmepumpe mit einem COP (Coefficient of Performance) von 4,5 bis 5 ergibt eine potenzielle Leistung der Rauchgaskondensation bei Kesselvolllastbetrieb von ca. 680 kWth. Simulationen und Berechnungen führten zu einer weiteren Leistungsund Effizienzsteigerung sowie zu einer Optimierung der Wärmerückgewinnung aus der Rauchgaskondensation. Dadurch ist die Bereitstellung zusätzlicher Leistungskapazität für den Netzausbau im Bereich von 1,5 – 2 MW sowie die Reduzierung des Einsatzes fossiler Energie zur Spitzenlastabdeckung möglich. Weiters wurde die Nachrüstung einer modularen CO-Lambda-Regelung für den Biomassekessel untersucht, deren Implementierung für die Zukunft angedacht ist. Diese wird den Betrieb der Biomassefeuerung hinsichtlich Schadstoffemissionen und Wirkungsgrad weiter optimieren und wirkt sich nachfolgend durch einen verringerten Brennstoffverbrauch ebenfalls positiv auf den wirtschaftlichen Heizwerkbetrieb aus.

Ausblick und wesentlichste Erkenntnisse

Aktuell wird das Konzept zur Implementierung des Wärmepumpen- und Regelungskonzeptes im Detail validiert und eine Umsetzungsentscheidung seitens der Salzburg AG ist für heuer angestrebt. Zusätzlich werden weitere zukünftige Ausbau- und Modernisierungsschritte mit dezentralem Speicher und dezentralen Wärmepumpensystemen, etc. hinsichtlich Gesamtsystemoptimierung angedacht, um einem Netzengpass bei zusätzlich geplanter Netzerweiterung entgegenzuwirken. Außerdem wird die Integration weiterer erneuerbarer Erzeugungseinheiten wie z. B. eines zweiten Biomassekessels für einen noch effizienteren Sommerlastbetrieb geprüft.

Biomassekesselsystem mit Rauchgaskondensationsanlage. Foto: Klimafonds / Krobath

Durch den gewählten systemischen und mehrstufigen Modernisierungsansatz ergaben sich hohe Synergiepotenziale, um das bestehende Wärmenetz an zukünftige Anforderungen anzupassen und weiterzuentwickeln, gesteckte Klimaziele zu erreichen und den wirtschaftlichen Nutzen einschließlich der lokalen Wertschöpfung zu stärken. Die Modernisierungskonzepte ermöglichten die Realisierung eines nachhaltigen Gesamtenergiesystems mit erhöhter Gesamteffizienz und Flexibilität, mit bestmöglicher Nutzung erneuerbarer und lokaler Energieträger und mit der Schaffung eines zukunftssicheren und resilienten Systems. Für die Modernisierungskonzepte gibt es ein hohes Multiplikationspotenzial in vielen österreichischen und europäischen Nah- und Fernwärmesystemen. Die genutzte Wärmequelle für die Wärmepumpe ist generell für jede Art von Erzeugungsanlage, unabhängig von der Primärenergie (Abfall, Gas, Biomasse etc.) mit entsprechender Rauchgasreinigung gegeben.

Stellungnahme

"Für die Salzburg AG ist die Dekarbonisierung und Zukunftsfähigkeit unserer Fernwärmeanlagen ein zentrales Anliegen, welches aktuell noch stärker in den Fokus gerückt ist. Die untersuchten Fragestellungen in Saalfelden im Rahmen von ThermaFLEX sind ein Schlüsselfaktor zur Erreichung dieses Ziels. Die Konzepte und das Know-how aus ThermaFLEX ermöglichen es uns, die Ergebnisse auch auf unsere weiteren Fernwärmesysteme im Land Salzburg zu übertragen und so eine sichere, nachhaltige und kosteneffiziente Wärmeversorgung für unsere Privat- und Industriekunden in ganz Salzburg zu gewährleisten."

Thomas Herbst, Fachabteilungsleiter Fernwärmenetz, Energietechnik, Salzburg AG für Energie, Verkehr und Telekommunikation. Foto: Salzburg AG

Autor*innen

Ing. Günther Seifter arbeitet bei der Salzburg AG im Bereich der Energietechnik als Projektleiter für Erneuerbare. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Thomas Herbst ist im Bereich Energietechnik Fachabteilungsleiter für das Fernwärmenetz der Salzburg AG für Energie, Verkehr und Telekommunikation. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Dr. Matthias Theissing arbeitet als assoziierter Professor an der FH JOANNEUM Gesellschaft mbH im Bereich Energie-, Mobilitäts- und Umweltmanagement. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. (FH) Joachim Kelz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Städte und Netze“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen

Projekt ThermaFLEX https://thermaflex.greenenergylab.at/

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