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Diversifizierung von Nah- und Fernwärmeanlagen

Fernwärme ist seit vielen Jahrzenten eine effiziente und bewährte Wärmeversorgungstechnologie im urbanen Raum. Die Wärme wurde bislang zu einem großen Teil durch Wärmeauskopplung aus kalorischen Kraftwerken in Kombination mit fossil befeuerten Heizwerken bereitgestellt. Daneben entstanden vor mehr als 35 Jahren in Österreich die ersten Biomasse-Nah- und Fernwärmeanlagen, die auch für kleinere Städte und Gemeinden eine leitungsgebundene Wärmeversorgung ermöglichen. Getrieben von hohen Fossilenergiepreisen, einem zunehmenden Umwelt- und Klimabewusstsein und dem Streben nach mehr Unabhängigkeit bei der Energieversorgung wurde die Technologie in Österreich (> 2.000 Anlagen) und vielen anderen Ländern zum Trend. Ein österreichweites Qualitätsmanagementprogramm für Biomasse-Nahwärmeanlagen (qm heizwerke) sorgt für eine qualitativ hochwertige Planung und technische Ausführung, um einen langfristig effizienten Anlagenbetrieb, niedrige Betriebs- und Wartungskosten und eine lange Anlagenlebensdauer bei gleichzeitig geringen Emissionen sicherzustellen. Das ursprünglich in der Schweiz konzipierte Qualitätsmanagementsystem wird von der Arbeitsgemeinschaft QM Holzheizwerke (Ch, DE, AT) laufend weiterentwickelt. AEE INTEC ist im Rahmen von „klimaaktiv“, einer Initiative des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus für das Management und die Umsetzung in Österreich zuständig. Die EU sieht die Fernwärme- und -kälteversorgung als eine der Schlüsseltechnologien der Energiewende und definiert entsprechende Szenarien dafür [1]. Fernwärme zählt auch zu den Eckpunkten der Energiestrategie Österreich [2] und der dort definierten Strategiesäulen - Steigerung der Energieeffizienz, Ausbau Erneuerbarer Energien und langfristige Sicherstellung der Energieversorgung.

Foto: aste Energy/Christoph Aste

Technologie im Wandel

Die primäre Anforderung an Nah- und Fernwärme ist die Bereitstellung einer leistbaren, sicheren und für aktuelle und zukünftige technische, wirtschaftliche und politisch/gesellschaftliche Rahmenbedingungen geeignete (resiliente) Energieversorgung, die auch ökologisch vertretbar und klimaschonend ist. Aktuelle Herausforderungen betreffen insbesondere die Forcierung erneuerbarer Wärmequellen in städtischen Fernwärmenetzen, den sinkenden Wärmebedarf von Neubau- und thermisch sanierten Bestandsobjekten und die daraus resultierende Versorgung von Gebieten mit niedrigen Wärmedichten und die Reduktion von Übertragungsverlusten. Um dem gerecht zu werden, ist eine Weiterentwicklung der klassischen Nah-und Fernwärmetechnologie hin zu flexibleren und intelligenten Systemlösungen inklusive der Kopplung mit anderen Ver- und Entsorgungsnetzen (Strom, Gas, Abwasser) zur Steigerung der Gesamteffizienz und Wirtschaftlichkeit sowie zur Reduktion von CO2- Emissionen zukünftiger Energiesysteme erforderlich. Eine Vielzahl an F&E-Projekten und die zunehmende Umsetzung innovativer Demonstrationsprojekte zeugen davon, dass der Wandel längst im Gange ist.

Diversifizierung der Wärmebereitstellung

Im Hinblick auf eine CO2-Reduktion und den ressourcenschonenden Einsatz von Energieträgern ist auch eine Diversifizierung der Wärmebereitstellung, d. h. die bestmögliche Nutzung regional verfügbarer und nachhaltiger (Niedertemperatur-) Wärmequellen, notwendig. Bereits bekannte und bewährte Technologien wie die Einbindung thermischer Solaranlagen in Nah- und Fernwärmenetze, die aktuell zu Big-Solar-Konzepten mit saisonalen Speichern und Wärmepumpenunterstützung weiterentwickelt werden, bieten weitere interessante Möglichkeiten. Die Integration von Abwärme auf direkt nutzbarem Temperaturniveau wird seit einigen Jahren nicht nur in den großen Fernwärmenetzen sondern auch in kleineren Wärmenetzen oder Wärmenetzverbünden forciert und ist ein wesentlicher Bestandteil zukünftiger Wärmebereitstellungsportfolios. Hier sind als Beispiele u. a. die Bioenergie Aichfeld (Abwärme aus der Zellstoffindustrie), Bruck/Mur (Abwärme aus der Papierindustrie), St. Johann/Tirol (Abwärme aus der Holzindustrie) oder Amstetten (Industrieabwärme) zu nennen. Durch die konsequente Reduktion der Vor- und Rücklauftemperaturen in Wärmenetzen und die Unterstützung durch Kompressions- oder Absorptionswärmepumpen können auch nicht direkt nutzbare Niedertemperatur-Abwärmequellen aber auch Abwasser, oberflächennahe Geothermie oder Oberflächengewässer als potentielle Wärmequellen erschlossen werden. Forscher von AEE INTEC arbeiten aktuell an innovativen Konzepten für kommunale Abwasserreinigungsanlagen, sodass diese zukünftig zu einem fixen Bestandteil regionaler Wärmebreitstellungsportfolios werden können.

Nicht nur die Großen

Sowohl im wissenschaftlichen als auch öffentlichen Diskurs über den Wandel der Fernwärme stehen die großen Fernwärmenetze im Fokus. Aber auch bei den die vielen kleineren und größeren Biomasse-Nah- und Fernwärmeanlagen besteht die Notwendigkeit der Effizienzsteigerung und Diversifizierung der Energieträger, um Biomasseressourcen zu schonen, neue Kunden und Versorgungsgebiete mit niedrigeren Wärmedichten zu erschließen und die Wirtschaftlichkeit der Anlagen zu erhöhen. Zudem ist auch hier davon auszugehen, dass der Wärmeabsatz aufgrund der Klimaentwicklung und thermischer Sanierung von Bestandskunden mittelfristig sinken wird. Aufgrund der Altersstruktur des österreichischen Heizwerksparks ist von einem zunehmenden Bedarf an Reinvestitionsmaßnahmen zur Erneuerung von Kesselanlagen oder der Modernisierung bzw. Optimierung von Regelungssystemen und der Anlagenhydraulik auszugehen. Dementsprechend erscheint die Zeit günstig, sich verstärkt für eine technologische Weiterentwicklung und die Einbindung alternativer Energiequellen zu öffnen. Neben dem Trend zur Nachrüstung von Rauchgaskondensationsanlagen mit oder ohne Wärmepumpenunterstützung, gibt es bereits eine Reihe an interessanten Beispielen zur Diversifizierung der Wärmebereitstellung von Biomassenahwärmeanlagen. Vorreiter für aktive Rauchgaskondensationsanlagen waren u. a. die Anlagen in Tamsweg und Flachau. Flachau kann damit im Vergleich zu einer Kesselanlage ohne WPunterstützte Kondensation rund 22 % mehr Energie aus dem Brennstoff gewinnen. Weiters zu erwähnen sind die innovativen Heizwerke der Regionalwärmegruppe in Krumpendorf und Ebenthal mit einer Kombination aus Biomasse, Rauchgaskondensation mit Wärmepumpenunterstützung, Solarthermie und Photovoltaik. Die Wärmepumpe in Kombination mit einem Niedertempertur-Pufferspeicher sorgt hier ebenfalls für hohe Effizienz der Rauchgaskondensation. Gleichzeitig zeigt das Beispiel, dass sich Rauchgaskondensation, Solarthermie und PV bei einer geeigneten Anlagenkonfiguration und Regelungsstrategie sinnvoll ergänzen können [3].

Fernwärmeauskopplung aus Eindampfanlage Foto: Bioenergie Wärmeservice GmbH

Der Wärmenetzverbund der Stadtwerke Gleisdorf sticht mit einem komplexen System aus multiplen Einspeisern (Biomasse, Solarthermie, Gas), zentralen und dezentralen Speichern und einem innovativen Regelungskonzept hervor. In der Gemeinde Köstendorf in Salzburg wird die Wärme für den Sommerbetrieb des Nahwärmenetzes seit kurzem über eine Luftwärmepumpenanlage und Strom aus einer PV-Anlage bereitgestellt. In Bad Mitterndorf (Steiermark) erfolgt aktuell die Einbindung von Abwärme aus einer Weberei in das Biomasse-Nahwärmenetz – ein Beispiel das Schule machen sollte. Denn es gilt nicht nur die großen Abwärmequellen, sondern auch die vielen kleinen Potentiale z. B. von regionalen Gewerbebetrieben zu nutzen. Biomasse-Nahwärmeanlagen bieten einen idealen Ausgangspunkt, um das zu ermöglichen. Die zunehmende Umsetzung von Holzgas-KWK-Anlagen, die für Strom und für eine Grundlastabdeckung des Wärmenetzes sorgen, stellt ebenfalls eine sinnvolle Ergänzung der Wärmebereitstellung dar. Das Bio- Energiewerk Hatlerdorf (Dornbirn) hat beispielsweise neben Biomassekessel, Pflanzenölkessel und Biogas- BHKW eine innovative Holzgasanlage auf Basis österreichischer Spitzentechnologie errichtet 4. Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements Das Qualitätsmanagementsystem qm heizwerke steht für die Sicherstellung hoher Qualität und Effizienz von Biomasse-Nahwärmeanlagen, hat sich aber auch den Know-how Transfer und die Weiterentwicklung der Branche zur Aufgabe gemacht. Dementsprechend unterstützt und fördert das Programm die technologische Weiterentwicklung und Einbindung alternativer Energiequellen, um Nahwärmesysteme flexibler, effizienter und zukunftstauglich zu machen. Dazu sind aber auch eine Anpassung bestehender und die Entwicklung neuer Qualitäts- und Bewertungskriterien erforderlich, um die Sinnhaftigkeit und die Effizienz von „Neuen Wärmenetztechnologien“ und einer diversifizierten Wärmebereitstellung zielführend beurteilen und die Vielzahl an neuen Systemkonfigurationen vergleichen zu können.

Heizwerk Krumpendorf, Rauchgaskondensationsanlage Foto: AEE INTEC

Statement

"Um zukunftsfit zu sein, müssen sich Biomasseheizwerke gegenüber neuen Geschäftsideen, Technologien und einer Diversifizierung der Wärmebereitstellung öffnen. Um die vielfältigen und lokal unterschiedlichen Herausforderungen zu meistern, sind zudem ein umfassendes Hintergrundwissen und die Entwicklungsfähigkeit wesentliche Voraussetzungen für einen erfolgreichen Betrieb."

Johann Hafner, Geschäftsführer Regionalwärme Gruppe, Betreiber von 18 modernen Biomasseheizwerken in Kärnten. www.regionalwaerme.at

Literatur

  1. Connely et al. “Heat Roadmap Europe: Combining DH with heat savings to decarbonise the EU energy system”, Energy Policy, Vol 65, Februar 2014, Seite 475–489.
  2. BMWFJ, BMLFUW, 2010, Eckpunkte der Energiestrategie Österreich.
  3. ASTE Christoph 2015: Integration von solaren Großanlagen in Kärntner Heizwerke; qm heizwerke Fachtagung 2015, Gleisdorf
  4. HUBER Marcel, et al. 2016: SynCraft Holzvergaser - Erfahrungen aus Praxisanlagen in Österreich, 21.Fachtagung – Nutzung nachwachsender Rohstoffe – Bioökonomie 3.0, Dresden

Autor

Dipl.-Ing. Harald Schrammel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gruppe Netzgebundene Energieversorgung und Systemanalysen bei AEE INTEC und Leiter des klimaaktiv-Programms qm heizwerke. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Mag.a Sabrina Metz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gruppe Netzgebundene Energieversorgung und Systemanalysen bei AEE INTEC.

Weiterführende Informationen

https://www.klimaaktiv.at/erneuerbare/effiziente_heizwerke/zukunftstagung.html

 

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