Zeitschrift EE

 nt 03 | 2022 Speicheroption Bauteilmasse

Lastmanagement von Gebäuden in Wärme- und Kältenetzen

In den letzten Jahren wurden verstärkt Maßnahmen ergriffen, um mehr erneuerbare Energiequellen in Fernwärme- und Fernkältenetze (FWK) zu integrieren und so die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu verringern - ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einem vollständig dekarbonisierten Wärme- bzw. Kältesektor bis 2050. Im herkömmlichen Betrieb von FWK-Netzen werden Erzeugungsanlagen so betrieben, dass sie den aggregierten Bedarf aller Kunden decken können. Der große Nachteil dieser Betriebsweise ist, dass es unvermeidlich Perioden mit hoher Spitzennachfrage gibt, die die Erzeugungsseite belasten bzw. erneuerbare Überschüsse nicht genutzt werden können, weil in Zeiten der Verfügbarkeit kein Bedarf besteht.

Foto: shutterstock/tostphoto

Demand Side Management (Lastmanagement) zur Reduktion von Verbrauchsspitzen

Demand Side Management (DSM) zielt darauf ab, diese Lastspitzen durch Reduktion oder Verschiebung der Kundenverbräuche abzuflachen, indem die Lastprofile der an das Netz angeschlossenen Gebäude verändert werden. Es hat sich gezeigt, dass viele Gebäude ausreichende Energiemengen in den Gebäudemassen selbst speichern können, sodass die thermische Trägheit des Gebäudes genutzt werden kann, indem vor vorhergesagten Spitzen- bzw. Schwachlastzeiten gezielt überheizt bzw. weniger geheizt wird. Durch die Nutzung der Gebäude als eine Art thermischer Energiespeicher dienen sie als flexibles Element im Wärmenetz und glätten so die Lastspitzen. DSM kann entweder durch direkte Maßnahmen erreicht werden, bei denen der Betreiber des Wärme- bzw. Kühlnetzes die thermischen Stellglieder in der Unterstation des Gebäudes manipuliert, um seine thermische Lastkurve zu ändern, oder durch indirekte Maßnahmen, bei denen z. B. variable Tarife eingeführt werden, um die Gebäudeeigentümer zu einer Änderung ihrer Verbrauchsgewohnheiten zu bewegen. Während DSM im Stromsektor bereits in großem Umfang eingesetzt wird, sind Anwendungen im Wärmesektor noch sehr selten.

Projekt der Internationalen Energieagentur

Das Projekt „Demand Management in Buildings Connected to Thermal Networks“ des EBC (Energy in Buildings and Communities)-Programms der Internationalen Energieagentur (IEA EBC Task 84) zielt darauf ab, Wissen zur Ermöglichung von Lastmanagement in Gebäuden, die an Fernwärme- und Fernkältenetze angeschlossen sind, zu sammeln. Ein starker Fokus liegt dabei auf Fallstudien, Technologieintegration, Algorithmen sowie Kooperationsmodellen zwischen Betreibern von Fernwärme- und Fernkältenetzen und Verbrauchern.

Das Projekt IEA EBC Task 84 der Internationalen Energieagentur stellt Wissen für die an der Energiekette von Fernwärme- und Fernkältenetzen beteiligten Akteure bereit, beschäftigt sich mit der für effizientes Lastmanagement notwendigen Hardund Software und demonstriert die Entwicklungen an Fallstudien. Quelle: AEE INTEC

Bei der Einbindung von Bewohnern und Gebäuden in Fernwärmesysteme ist das Wissen um den Energiebedarf von Bedeutung. Für die Bewohner ist Energie meist unsichtbar und wird im Alltag einfach verbraucht. Experimente mit dem Stromnetz haben gezeigt, dass die Bewohner in gewissem Maße flexibel in ihrem Stromverbrauch sind und zum Beispiel auf eine zeitabhängige Preisgestaltung reagieren. Die Situation in Bezug auf Heiz- und Kühlbedarf ist jedoch anders und ergibt sich aus den eigenen Komfortansprüchen, der Steuerung der Raumheizung oder -kühlung, des Warmwasserverbrauchs sowie dem aktuellen Wetter. Das Wissen darüber, wie die Bewohner eingebunden werden können, ist entscheidend für die Verbesserung des Managements von Heizung, respektive Kühlung, und einer möglichen Bedarfsanpassung beziehungsweise einer zeitlichen Verschiebung zum Beispiel durch die Integration von Speichern.

Arbeitsschwerpunkte und der Beitrag Österreichs

Task 84 besteht aus vier Arbeitsschwerpunkten, sogenannten Subtasks:

Subtask A konzentriert sich auf die Entwicklung von Kooperationsmodellen zur Verbesserung der Kommunikation zwischen allen relevanten Akteuren, sodass Netzbetreiber und Verbraucher gleichermaßen von DSM-Maßnahmen profitieren können. Die Erhebung und Nutzung von Verbraucherdaten kann eine Herausforderung darstellen und hängt stark von der sozialen Akzeptanz ab. Daher ist es wichtig, die Gebäudenutzer*innen bereits in einem sehr frühen Stadium in den Planungsprozess einzubeziehen. Subtask B befasst sich mit der gesamten Hardware, die erforderlich ist, um DSM in Gebäuden zu ermöglichen, das heißt mit den Wärmeübergabestationen, der Mess- und Regelungstechnik, den Heiz- und Kühlaggregaten sowie mit den Gebäuden selbst. Subtask C zielt darauf ab, den Stand der Technik bei den Steuerungssystemen und der Optimierungssoftware zu verbessern, um auf der Grundlage hochauflösender Überwachungsdaten Energiebedarfsprofile effektiv vorherzusagen und die Spitzenlastverschiebung zu optimieren. Schließlich wird Subtask D eine Reihe von Fallstudien sammeln und analysieren, in denen thermisches Demand Side Management implementiert wurde, und die wichtigsten Hindernisse, die daraus gezogenen Lehren und Best-Practice-Beispiele für zukünftige Implementierungen zusammenfassen.

Demand Side Management-Maßnahmen wurden bereits in begrenztem Umfang in einigen kleinen Netzen in Österreich demonstriert. Eine flächendeckende Umsetzung hätte enorme Vorteile für Netzbetreiber und Kunden gleichermaßen, da eine erhöhte Netzflexibilität mit relativ geringen Investitionskosten erreicht werden kann. Beitragende Partner aus Österreich sind AEE INTEC und das Austrian Institute for Technology (AIT). AEE INTEC leitet Subtask B und ist verantwortlich für die Sammlung und Bewertung bestehender und in Entwicklung befindlicher technologischer Optionen für DSM in Gebäuden, die an Wärme- bzw. Kältenetze angeschlossen sind. Außerdem koordiniert AEE INTEC alle Aktivitäten auf nationaler Ebene.

Lastmanagement erlaubt den Betreibern von Fernwärme- und Fernkälteanlagen, Spitzenlasten zu verringern, indem sie Wärme in den Gebäuden speichern und in Zeiten geringerer Wärmeanforderungen an das Netz verschieben Quelle: AEE INTEC

Erste Arbeiten in Subtask B befassen sich mit Möglichkeiten zur Kategorisierung neuer und bestehender Gebäude, die an verschiedene Arten von Wärme- bzw. Kältenetzen angeschlossen sind, je nach ihrer Eignung für Lastmanagement durch passive Speicherung in den Gebäudemassen selbst. Der Subtask befasst sich außerdem mit bestehenden und in Entwicklung befindlichen Technologien zur Verbesserung der Wärmekapazität der Gebäude wie thermisch aktivierte Fassaden, Betonkernaktivierung und Phasenwechselmaterialien. AEE INTEC bringt hier viel Erfahrung durch einige laufende Demonstrationsprojekte ein, darunter HybridLSC und EXCESS (siehe Artikel „Energieaktive Fassaden und außenliegende Bauteilaktivierung – Zukunftstechnologien für den Gebäudebestand“ auf Seite 12 in dieser Ausgabe), bei denen thermisch aktivierte Fassaden und Betonkernaktivierungstechnologien im Mittelpunkt stehen.

Weiterführende Informationen

https://task64.iea-shc.org/

Autor

Keith O’Donovan, M.Eng. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Städte und Netze“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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