nt 03 | 2022 Speicheroption Bauteilmasse
Qualitätsmanagement für Biomasse-Nahwärmeanlagen im internationalen Kontext
Ein verstärkter Einsatz nachhaltiger BiomasseNahwärme ist zur weiteren Dekarbonisierung und Steigerung der Versorgungssicherheit der Wärmeversorgung in Europa unumgänglich. Darüber hinaus werden Fragen hinsichtlich lokaler Emissionen und Luftreinhaltung für Gemeinden immer wichtiger. Gut konzipierte Anlagen mit hoher Ressourceneffizienz und geringen Emissionen sind entscheidend für eine verbesserte lokale Akzeptanz und einen erfolgreichen langfristigen Ausbau der Biomasse-Nahwärmeversorgung. In vielen europäischen Ländern gibt es aber immer noch nur wenige repräsentative Beispiele, da Nachhaltigkeit von Nahwärmeanlagen sowohl aus ökologischer, technischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht nur unter Einhaltung von strikten Qualitätskriterien gewährleistet ist. Außerdem wird in Zukunft ein zusätzlicher Fokus auf Kombinationen aus Biomasse und weiteren alternativen erneuerbaren Wärmequellen für die Nahwärmeversorgung notwendig sein, um neben dem Wärmesektor auch andere Sektoren auf Basis regional verfügbarer Biomasse-Potenziale dekarbonisieren zu können.
Österreich als Vorbild
Wirksame nationale und regionale politische Regelungen zur Förderung von nachhaltiger BiomasseNahwärmeversorgung sind in Österreich zu finden, wo derzeit mehr als 2 500 Biomasse-Nahwärmeanlagen in Betrieb sind. Österreich gilt als eines der Vorreiterländer in Europa für die nachhaltige Nutzung von Biomasse entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Forstwirtschaft bis zur Wärmeversorgung für Haushalte und Gewerbe. Im Bereich der Nahwärmeversorgung wird die hohe Qualität der Anlagen nicht zuletzt durch klimaaktiv QM Heizwerke (www.klimaaktiv.at/qmheizwerke), der österreichischen Umsetzung eines Qualitätsmanagement(QM)systems für Biomasse-Heizwerke und Nahwärmenetze gewährleistet. Dieses ursprünglich aus der Schweiz stammende QM-System wird von einer internationalen Arbeitsgemeinschaft, der ARGE QM Holzheizwerke ständig weiterentwickelt und an veränderte Rahmenbedingungen – zum Beispiel hinsichtlich der Möglichkeiten zur Integration von alternativen erneuerbaren Energiequellen in Nahwärmenetzen zusätzlich zur Wärmebereitstellung aus Biomasse - angepasst. Im kürzlich abgeschlossenen Interreg Central Europe - Projekt „ENTRAIN“ gab es neben dieser Weiterentwicklung unter anderem auch einen sehr erfolgreichen Schwerpunkt zur weiteren internationalen Verbreitung des QM-Systems über die deutschsprachigen ARGE Partnerländer und -regionen Schweiz, Baden-Württemberg, Bayern und Österreich hinaus. Die besonders erfolgreiche Anwendung von QM Heizwerke in Österreich dient international als Vorbild, um Nachhaltigkeitsprobleme bei Nahwärmeanlagen zu überwinden.
Solarthermieanlage für ein Nahwärmenetz in Randegg, Deutschland. Foto: SOLITES
Ziele der Internationalisierung
Übergeordnetes Ziel des Projekts „ENTRAIN“ war die verstärkte Umsetzung nachhaltiger Nahwärmeanlagen auf Basis lokaler erneuerbarer Energiequellen in fünf Zielregionen in den Ländern Italien, Deutschland, Kroatien, Slowenien und Polen.
Um die sorgfältige Umsetzung von Nahwärmeprojekten in den Zielregionen zu gewährleisten, wurde ein zweifacher Ansatz gewählt. Einerseits wurden umfangreiche Maßnahmen für die Förderung der strukturellen Zusammenarbeit zwischen den Hauptakteur*innen, Behörden und Entscheidungsträger*innen, sowie zur Verbesserung des Know-hows lokaler Expert*innen in den Zielregionen ergriffen. Andererseits wurde die Implementierung von an die lokalen Rahmenbedingungen angepassten Qm-Systemen, nach dem österreichischen Vorbild von QM Heizwerke, forciert. Die Anwendung des durch diese Maßnahmen aufgebauten Know-hows führt neben der Reduktion des Einsatzes von fossilen Brennstoffen und CO 2-Emissionen auch zu einer Verbesserung der Luftqualität und zu sozio- ökonomischen Vorteilen für die lokalen Gemeinden in diesen Regionen. AEE INTEC konnte durch den breiten Erfahrungsschatz der vergangenen Jahre und durch die persönlichen Kompetenzen sowohl hinsichtlich der Verbesserung der strukturellen Zusammenarbeit und des Know-how-Aufbaus, als auch für die Implementierung von angepassten QM-Systemen in den Zielregionen wertvolle Beiträge liefern.
Größtmögliche Effizienz - eine der zentralen Forderungen des QM-Systems - wurde dabei nicht nur im techno-ökonomischen Sinn für die Anlagen, sondern auch im Rahmen des Know-how-Transfers zu erreichen versucht. Dazu diente ein gestuftes System der Wissensvermittlung. In einem ersten Schritt wurde relevantes Fachwissen in sogenannten „Train-the-Trainer“ Kursen an lokale Expert*innen und engagierte Trainer*innen weitergegeben. Diese konnten in lokalen Trainings dann ihrerseits dieses Wissen niederschwellig in den jeweiligen Landessprachen und auf die jeweiligen lokalen Stakeholder*innen in den verschiedenen Regionen zugeschnitten weiterverbreiten. Teil des Know-how-Transfers war außerdem die Übersetzung und Aufbereitung wichtiger Dokumente und Werkzeuge des QM-Systems (zum Beispiel der wichtigsten Bände der QM Holzheizwerke® Schriftenreihe). Neben internationalen Übersetzungen ins Englische werden auch Versionen in den Landessprachen der Zielländer bereitgestellt. Besonders die internationalen Übersetzungen bieten eine hohe Übertragbarkeit und eine wichtige Basis für die Replikation der Ergebnisse des Projekts über die Zielregionen und die Laufzeit des Projekts hinaus.
Die internationalen ENTRAIN-Projektpartner. Foto: Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg
Die Erfolge im Überblick
Ein wichtiger Teil des ENTRAIN-Projekts waren Workshops und Weiterbildungsangebote für Behörden, Entscheidungsträger*innen und lokale Expert*innen in Zielregionen in Italien, Deutschland, Kroatien, Slowenien und Polen. Durch den Wissenstransfer in „Train-the-Trainer“-Webinaren und die Förderung der strukturellen Zusammenarbeit zwischen den Hauptakteur*innen wurde der Neu- und Ausbau von nachhaltigen Nahwärmeprojekten auf Basis erneuerbarer Energiequellen unterstützt. Der erfolgreiche Wissenstransfer beruhte dabei auf dem umfangreichen Know-how und der langjährigen Erfahrung im Bereich von Biomasse-Nahwärme, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der erfolgreichen Anwendung des Qualitätsmanagement-Systems QM Heizwerke in Österreich.
Alle Schulungsmaterialien aus den „Train-the-Trainer“ Webinaren im Projekt ENTRAIN, sowie die Übersetzungen von relevanten Dokumenten und Werkzeugen des QM-Systems („QM for Biomass District Heating Plants“) stehen kostenlos zur Verfügung. Übersetzt wurden die wichtigsten Dokumente der Schriftenreihe - der Q-Leitfaden („Q-Guidelines“), das QM Holzheizwerke Planungshandbuch („Planning Handbook“), die Standardschaltungen („Standard hydraulic schemes“), sowie diverse Excel-Tools und Checklisten aus dem QM-System. Die deutschen Dokumente des QM-Systems sind auf der Webseite der ARGE QM Holzheizwerke (https://www.qmholzheizwerke.ch/downloads. html), Übersetzungen ins Englische und die weiteren Landessprachen der ENTRAIN Projektpartner Italienisch, Kroatisch, Slowenisch und Polnisch sind auf der ENTRAIN Projekt-Webseite frei verfügbar.
Das Planungshandbuch enthält in der nunmehr dritten, vollständig überarbeiteten Auflage auch wichtige Informationen zu den Möglichkeiten der Nutzung und der Integration alternativer erneuerbarer Wärmequellen, wie Solarthermie und Abwärme in Nahwärmeanlagen. Dieser Themenbereich ist einer der wichtigsten Bestandteile der aktuellen Weiterentwicklung des QM-Systems durch die internationale ARGE, welche in dieser Hinsicht parallel zum ENTRAINProjekt gestartet wurde.
An der Implementierung des QM-Systems wird besonders im Zielland Italien - in der Region Friaul-Julisch-Venetien - intensiv und erfolgreich gearbeitet. Die lokale Energieagentur, Agenzia per l'Energia del Friuli Venezia Giulia, wurde als neues Mitglied der internationalen ARGE QM Holzheizwerke aufgenommen. Erste italienische "Q-Manager", welche von AEE INTEC nach dem Vorbild von klimaaktiv QM Heizwerke-Qualitätsbeauftragten ausgebildet wurden, sind jetzt auch mit der Umsetzung der QM-Standards für Heizwerke und Nahwärmenetze in Italien tätig.
AEE INTEC und QM Heizwerke arbeitet an der weiteren Internationalisierung und Verwertung der wertvollen Projektergebnisse. Der Know-how-Transfer von der technischen bis hin zur legislativen Ebene bleibt dabei weiterhin essentiell, zum Beispiel im Bereich der Energieraumplanung als wichtige Voraussetzung für eine nachhaltige Einordnung der netzgebundenen Wärmeversorgung in das Energiesystem, bis hin zum Technologie-Export erprobter österreichischer Lösungen in Partnerländer.
Weiterführende Informationen
Projekt ENTRAIN www.interreg-central.eu/ENTRAIN
klimaaktiv QM Heizwerke www.klimaaktiv.at/qmheizwerke
Englische Website der ARGE QM Holzheizwerke www.qm-biomass-dh-plants.com
Autor*innen
Dipl.-Ing. Christian Ramerstorfer ist Leiter von klimaaktiv QM Heizwerke und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Städte und Netze“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Mag.a Sabrina Metz ist Teil des klimaaktiv QM Heizwerke-Teams und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bereichs „Städte und Netze“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Dipl.-Ing. Dr. Ingo Leusbrock ist Leiter des Bereichs „Städte und Netze“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!