Zeitschrift EE

03 | 2023 Integrationsvielfalt Wärmepumpe

Dampf ohne Gas - Demonstration einer dampferzeugenden Wärmepumpe

Die Industrie ist einer der zentralen Hebel für das Erreichen der europäischen und nationalen Klimaziele. Für die Dekarbonisierung müssen aber sowohl bestehende Prozesse effizienter, neue Technologien entwickelt als auch neue Prozesse auf der Basis erneuerbarer Energien implementiert werden. Im Bereich der industriellen Prozesswärme wurden im Jahr 2021 weltweit insgesamt 121 EJ1 verwendet: davon entfielen 20 Prozent auf Prozesse, die Temperaturen unter 100 °C benötigen und 16 Prozent auf Prozesse mit Temperaturen zwischen 100 °C und 200 °C. Nach dem „Announced Pledges“-Szenario der IEA wird der Prozesswärmebedarf bis 2030 weiter auf 136 EJ ansteigen, die Temperaturverteilung jedoch ähnlich bleiben (IEA, 2022). Die Studie von Marina et al. (2021) untersucht den Prozesswärmebedarf und die Verfügbarkeit von Abwärme in den Sektoren Papier, Chemie, Raffinerie und Lebensmittel und zeigt, dass der Prozesswärmebedarf unter 150 °C in den Ländern der EU28 ungefähr 745 PJ/a2 beträgt. Bei Temperaturen über 100 °C steigt der Wärmebedarf in allen Sektoren deutlich an, was auf den Bedarf an Prozessdampf zurückzuführen ist. Außerdem wurden in der Studie 1039 PJ/a an Abwärme unter 150 °C ermittelt. In allen Sektoren fallen etwa 70 Prozent der Abwärme im Temperaturbereich von 40 °C bis 100 °C an. Zudem soll nach dem REPowerEU-Plan der Gasbedarf der europäischen Industrie durch Energieeffizienz- und Elektrifizierungsmaßnahmen um 12 Milliarden m3 verringert werden. Eine der Maßnahmen dieses Plans ist die Nutzung von industrieller Abwärme mit Wärmepumpen. (Europäische Kommission, 2022).

Blick in die Energiezentrale von Takeda. Foto: Takeda Manufacturing Austria AG

Hochtemperaturwärmepumpen für Prozesswärme

Diese Entwicklungen und Rahmenbedingungen unterstreichen, dass Hochtemperaturwärmepumpen, die Wärmenutzungstemperaturen über 100 °C liefern, für die Industrie von großem Interesse sind. Denn sie können ungenutzte Abwärme in hochwertige Prozesswärme umwandeln, erhöhen so die Energieeffizienz von Prozessen und tragen zur Elektrifizierung bei. Dadurch können die CO2-Emissionen und der Primärenergieverbrauch erheblich gesenkt werden. Hochtemperaturwärmepumpen stehen kurz vor der Kommerzialisierung und werden derzeit im Rahmen von Demonstrationsprojekten im industriellen Umfeld getestet. Im Bereich von 100 °C bis 140 °C gibt es bereits erste kommerzielle Anwendungen dieser Art in der Papier-, Lebensmittel- und chemischen Industrie. Bis 160 °C gibt es vorkommerzielle Demonstrationen, z. B. in Trocknungsprozessen und zur Dampferzeugung. Bis 200 °C werden spezielle Kältemittel und Kompressoren benötigt, die sich noch im Prototypenstadium befinden. Nur bei der Nutzung von Wasserdampf als Kältemittel sind bereits geeignete Verdichter verfügbar. (IEA, 2022). Eine rasche Verbreitung dieser Technologie in der Industrie würde die Nutzung von erneuerbarem Strom ermöglichen und die Abhängigkeit von Erdgas verringern sowie zur Dekarbonisierung der industriellen Produktion beitragen.

Erstes Demonstrationsprojekt mit dampferzeugender Wärmepumpe bei Takeda in Wien

Im Rahmen der Vorzeigeregion NEFI – New Energy for Industry wurde im Dezember 2022 das Wärmepumpendemonstrationsprojekt AHEAD Advanced Heat Pump Demonstrator gestartet. Im Projekt AHEAD arbeiten das AIT Austrian Institute of Technology, das biopharmazeutische Unternehmen Takeda Manufacturing Austria AG und der Wärmepumpenhersteller SPH Sustainable Process Heat an der Demonstration eines fortschrittlichen Wärmepumpensystems an einem Produktionsstandort von Takeda in Wien. Es besteht aus einer dampferzeugenden Wärmepumpe von SPH Sustainable Process Heat GmbH, die mit Dampfverdichtern kombiniert wird, um Dampf mit 11 bar(a) und einer Kondensationstemperatur von 184 °C zu liefern. Die Wärmequelle ist die Energiezentrale am Takeda-Standort in Wien, in der die Abwärme der Kältemaschine von einer Wärmepumpe für die Erzeugung von 70 °C heißem Wasser für die Raumheizung genutzt wird. Da die Raumheizung nur im Winter benötigt wird, steht Wärme zur Dampferzeugung zur Verfügung. Sowohl die Kältemaschine als auch die Wärmepumpe werden mit Ammoniak NH3 (R717) betrieben.

Natürliches Kältemittel Butan im Einsatz

Zu den Innovationen des Projekts gehört die dampferzeugende Wärmepumpe, die das natürliche Kältemittel Butan (R600) nutzt. Für alle Komponenten wie Kältemaschinen, Wärmepumpen und Dampfverdichter wird eine optimierte Gesamtregelungsstrategie auf der Grundlage eines umfassenden Systemmodells entwickelt, um den Strombedarf zu minimieren und ein Maximum an CO2-Einsparungen zu realisieren. Da das AHEAD-System Wärme und Kälte auf der Versorgungsebene von Industrieprozessen liefert, handelt es sich um ein generisches Konzept, das an zahlreichen Industriestandorten mit ähnlichen Randbedingungen repliziert werden kann. Ein Rollout-Konzept für andere Takeda-Standorte in Wien und weltweit ist in Ausarbeitung. Außerdem wird das Dekarbonisierungspotenzial der Technologie für die wichtigsten Industriesektoren in Österreich untersucht.

Das AHEAD-System wird voraussichtlich Ende 2024 in Betrieb gehen und dann mindestens ein halbes Jahr lang wissenschaftlich begleitet und optimiert. Es hat eine Heizleistung von rund 1,7 MW, wird mit erneuerbarem Strom versorgt werden und soll 1 900 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen.

Danksagung

Das Forschungsprojekt wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen der Forschungsinitiative „NEFI – New Energy for Industry“ als Teil der österreichischen Innovationsoffensive „Vorzeigeregion Energie“ durchgeführt.

Stellungnahme

"Seit 2020 arbeiten wir bei Takeda CO2-neutral. Unser nächstes Ziel ist, CO2-Emissonsfreiheit an unseren Standorten zu erreichen. AHEAD ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg und ein Vorzeigeprojekt für andere Takeda-Standorte, die gesamte Arzneimittelindustrie sowie weitere Branchen. Wir fördern daher den branchenübergreifenden Wissensaustausch, denn Nachhaltigkeit ist eine gemeinsame Aufgabe."

Maria Löflund, Vorstandsmitglied und Leiterin der Wiener Produktionsstandorte bei Takeda

Foto: Takeda / Gregor Schweinester

Autor*innen

Dipl.-Ing.in Dr.in Veronika Wilk ist Thematic Coordinator bei AIT Austrian Institute of Technology GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

MMst. Dipl.-Ing. Harald Erös, BSc arbeitet als Lead of Refrigeration, Cooling and Heat Pump Technologies bei Takeda Manufacturing Austria AG. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Tim Hamacher ist Managing Director von SPH Sustainable Process Heat GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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