Zeitschrift EE

03 | 2023 Integrationsvielfalt Wärmepumpe

Netto-Null-Sanierung im Geschosswohnbau mit vorgefertigten Fassaden und Kleinst-Wärmepumpen

Um die vollständige Dekarbonisierung des Gebäudesektors zu erreichen, ist eine Erhöhung der jährlichen Renovierungsrate auf etwa 3 Prozent (im Vergleich zu den derzeitigen etwa 1 Prozent) erforderlich1, 2. Wärmepumpen (WP) werden ohne Zweifel eine entscheidende Rolle bei einer nachhaltigen und effizienten Wärmeversorgung von Gebäuden spielen3. Eine der größeren Herausforderungen bei der Transformation des Gebäudebestands sind die Mehrfamilienhäuser, insbesondere in innerstädtischen hochverdichteten Gebieten4, 5.

Ein bedeutender Anteil der Mehrfamilienhäuser wird wohnungsweise dezentral mit Gasetagenheizungen – häufig Durchlauferhitzer, teilweise Speichersysteme – beheizt4. Bei der Sanierung solcher Mehrfamilienhäuser ist eine vollständige Modernisierung des Heizungssystems und Umstellung auf ein zentrales System häufig nicht möglich. Es gibt dafür technische Gründe, aber häufig sind es nicht-technische Gründe wie z. B. hohe Investitionskosten und hoher Aufwand in der Wohnung im bewohntem Zustand, fehlende Zustimmung der Mieter*innen, geringe Effizienz durch hohe Verteilverluste und hohe Systemtemperaturen, Mangel an Platz für die Aufstellung der zentralen Wärmepumpe, Quellenerschließungsproblematik, Schallemissionen, etc.: Bei der Zentralisierung der Heizung wird entsprechend häufig für die Trinkwarmwassererwärmung auf ineffiziente E-Boiler zurückgegriffen.

Thermische Sanierung mit Fassadenelementen mit integrierter PV, wohnungsweiser Lüftungsanlage und Wärmepumpe. Rendering: Werner Nussmüller

Für die sehr häufig vorkommenden kleinen Wohnungen im Mehrgeschosswohnbau mit 50-70 m2 werden kompakte, z. B. wandhängende Wärmepumpen oder Split-WP-Systeme benötigt, doch gibt es derzeit keine geeigneten derartigen Lösungen auf dem Markt6. Ein (einfacher) Kesseltausch und Umstieg auf eine wärmepumpenbasierte Heizung im Mehrgeschosswohnbau wird in den meisten Fällen nicht funktionieren, sondern nur in Verbindung mit einer hochwertigen thermischen Sanierung können Lösungen erreicht werden, bei denen die Anforderungen der Effizienz und des Schallschutzes bei eingeschränktem Platzangebot für die Aufstellung der Wärmepumpe erfüllt werden7.

Projekt PhaseOut – Technologieentwicklung und Demonstration

Das Projekt PhaseOut beinhaltet die Entwicklung und Umsetzung von innovativen Wärmepumpen- und Fassaden-Technologien für die minimalinvasive serielle Sanierung und den Heizungstausch sowie die Umsetzung eines Sanierungsprojekts inklusive Umstieg von fossiler auf wärmepumpenbasierte Heizung und Integration von PV. Damit ist es ein sehr großes und ambitioniertes Projekt mit hoher Relevanz für die Umsetzung der Klimaschutzziele Österreichs. Ein wichtiger Schwerpunkt für die Umsetzung ist die Mieter*innen-Begleitung, vor, während und nach der Umsetzung.

Das ausgewählte Demonstrationsprojekt „Linzer Straße“ in Wien der VOLKSBAU bietet einige Vorteile, insbesondere die Möglichkeit an sieben baugleichen Gebäuden (siehe Abbildung) verschiedene Lösungen parallel zu testen. Allerdings stellen einige Randbedingungen eine große Herausforderung dar, wie z. B. die sehr inhomogene Situation bezüglich Bestandsheizung und Wärmeabgabesystem.

Demoprojekt in der Linzer Straße 348, Wien; Lage der sieben Gebäude8, sowie Ansicht eines der bestehenden Gebäude und Rendering der geplanten Renovierung9

Zunächst wurden nach der Bestandsaufnahme verschiedenste Varianten von Sanierungsmaßnahmen mit dem PHPP10 geplant und gegenübergestellt. Es zeigte sich, dass eine Teilsanierung der Gebäudehülle alleine nicht ausreicht, um den Heizwärmebedarf und damit die Heizlast soweit abzusenken, dass mit den bestehenden Heizkörpern ausreichend geringe Vorlauftemperaturen möglich sind. Hohe Vorlauftemperaturen von ca. 70 °C sind zwar mittlerweile mit einigen Wärmepumpen (z. B. R290 Monoblock) möglich, aber nur mit relativ geringer Effizienz (COP < 2) und mit entsprechend hoher Leistung und damit großen Geräten und relativ hohen Schallemissionen.

Andererseits zeigt sich, dass die hochwertige thermische Sanierung der Gebäude und der Umstieg auf eine wärmepumpenbasierte Heizung so geringe Verbräuche ermöglichen, dass durch die Integration von PV eine (jahresbilanzielle) Netto-Null Sanierung erreicht werden kann. Dafür ist ein sehr guter thermischer Standard (HWB ca. 30 kWh/(m²*a )) sowie eine große PV-Anlage (Südfassade und Süd-Dach) notwendig. Um diesen Standard zu erreichen, ist geplant, die Ost-, sowie die Süd- und Nordfassade mit Fertigteilfassadenelemente in Holzkonstruktion mit neuen Fenstern zu sanieren sowie die Loggien mit Fassadenelementen zu versehen, während die Westfassade mit einem Standard-Wärmedämmverbundsystem saniert wird. Eine fassadenintegrierte wohnungsweise Lüftung mit Wärmerückgewinnung sorgt für eine weitere Reduktion des Heizwärmebedarfs und der Heizlast sowie für garantierte Raumluftqualität und Feuchteschutz auch mit den neuen dichten Fenstern.

Wärmepumpen-Konzepte

Im Rahmen des Projekts PhaseOut werden drei verschiedene Konzepte für Wärmepumpensysteme entwickelt, zentral, semi-zentral und dezentral, die in den Demogebäuden umgesetzt und vermessen werden (siehe Abbildung). Für das semi-zentrale System, ein Konzept mit Booster-Wärmepumpe, und für die dezentralen Trinkwarmwasser-Wärmepumpen werden zudem im Rahmen dieses Projekts von den Partnern iDM bzw. drexel und weiss (duw) neue Wärmepumpen entwickelt.

Konzept des zentralen, semi-zentralen und dezentralen Wärmepumpensystems (TWW-WP...Trinkwarmwasser-Wärmepumpe). Quelle: Projet PhaseOut

Für beide innovativen Wärmepumpen-Lösungen wur- den verschiedene Konfigurationen von hydraulischen Kreisläufen analysiert und Konzepte entwickelt. Sie erlauben, die Systeme flexibel, modular und skalier- bar zu gestalten und so den Platzbedarf in der Woh- nung zu minimieren.

Die Booster-Wärmepumpeneinheit (semi-zentrales System) von iDM ist so kompakt, dass sie bei Tür- höhen von ca. 2 m und Raumhöhen von mindestens 2,5 m über den Türen beispielsweise in Bad oder WC installiert werden kann. Sie wird mit einer Leistung von 1 KW bis 4 kW modulierbar sein, so dass der klei- ne kompakte Speicher für Trinkwarmwasser in etwa 1 Stunde nachgeladen werden kann. Der 100 l Speicher wird den Gaskessel in der Wohnung ersetzen, damit geht kein zusätzlicher wertvoller Raum in der Wohnung verloren.

Die kompakte Trinkwarmwasser-Wärmepumpe (dezentrales System) wird von duw auf Basis des FFG Projekts FiTNeS als Split-WP mit fassadenintegrierter Außeneinheit entwickelt. Der Kältekreislauf muss so optimiert werden, dass der Grenzwert von maximal 150 g R290-Kältemittel bei einer Leistung von ca. 1,5 kW nicht überschritten wird. Zur weiteren Reduktion des Platzbedarfs in den Wohnungen wird die Möglichkeit geprüft, die Wärmepumpe komplett in die Fassade zu integrieren. Damit wird auch bei diesem System in der Wohnung nur der Platz des ehemaligen Gaskessels benötigt. Darüber hinaus übernahm duw auch die Entwicklung des Lüftungsgerätes, das in die vorgefertigte Fassade eingebaut wird.

Testfassade

Eine Testfassade wurde von der Firma Kulmer Holz-Leimbau in Zusammenarbeit mit Architekt Nussmüller entwickelt und in der sogenannten Passys Testzelle im Außenlabor der Universität Innsbruck montiert, um die Prototypen der dezentralen Wärmepumpen und des fassadenintegrierten Lüftungsgerätes zu testen. Die Errichtung der Testfassade diente auch dazu, das Konzept der vorgefertigten Fassade und den bauphysikalisch problemlosen Betrieb zu bestätigen. Die vorgefertigte Fassade hat eine Dämmstärke von 24 cm. Hinter dem Lüftungsgerät und hinter der Wärmepumpenaußeneinheit wurde aus Platzgründen eine hocheffiziente Dämmung (Aerogel) verwendet. Dadurch werden Kondensationsprobleme auf der Rückseite der in die Fassade integrierten Geräte vermieden und der Einfluss der Geräte auf die thermischen Verluste reduziert. Besondere Aufmerksamkeit wurde auf die Installation der Luftkanäle gelegt, um Geräusche in der Wohnung zu vermeiden und das Lüftungssystem mit geringstmöglichem Eingriff in die Wohnung integrieren zu können. Insbesondere ist der Schallschutz durch die Telefonschalldämpfer gewährleistet und die Erschließung der Nassräume (Abluft) wurde über den Fenstersturz realisiert. Daher sind keine zusätzlichen Bohrungen in der Bestandswand erforderlich.

Für die Kondensatleitungen wurde ein Konzept entwickelt, das mit den horizontalen Modulen der vor- gefertigten Fassade, die in dem Demogebäude installiert wird, umgesetzt werden kann. Insbesondere werden neben den integrierten Modulen vertikale Leitungen verlegt, die in eine Leitung mit größerem Durchmesser führen, die sich in dem darunter liegenden vorgefertigten Modul befindet.

Die Abbildung im Link zeigt die Testfassade der Passys Testzelle der Universität Innsbruck mit einem eingebauten Protoyp des entwickelten Lüftungsgeräts. Das Lüftungsgerät und die Wärmepumpenaußeneinheit sind so konzipiert, dass sie leicht von der vorgefertigten Fassade demontiert werden können, um einen schnellen Austausch und eine unkomplizierte Wartung in der Werkstatt zu ermöglichen.

Foto der Testfassade und des fassadenintegrierten Lüftungsgeräts in der Passys Testzelle. Foto: UIBK

Ausblick

Parallel zu den Vermessungsarbeiten am Prototyp wurde bereits der Baueinreichungsprozess begonnen. Außerdem laufen die Vorbereitungen für die Begleitung der Mieter*innen im Zuge des Sanierungsprojekts. Der Start der Umsetzung der drei verschiedenen Konzepte wird mit Anfang 2024 erwartet. Alle sieben sanierten Gebäude werden anschließend einem mehrjährigen Monitoring unterzogen, um die Lösungsvarianten zu bewerten, zu optimieren und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile zu vergleichen.

Stellungnahme

"Wärmepumpen spielen bei unseren energetischen Sanierungsprojekten eine tragende Rolle. Beim Forschungsprojekt in der Linzer Straße 348 kommen drei verschiedene Wärmepumpen-Systeme in Kombination mit spezifischen Fassaden-Technologien und Photovoltaik zum Einsatz. Damit wollen wir einen innovativen Beitrag zur Energiewende und mehr Wohnkomfort im Gebäudebestand leisten, so wie wir es seit geraumer Zeit mit der Zentralisierung der Wärmeversorgung durch Wärmepumpen erfolgreich machen."

Ernst Bach, Vorstandsvorsitzender und Direktor für Bestandsmanagement, Sozialbau AG. 

Foto: Sozialbau AG / Vogus

Literatur

  1. Europäische Kommission, Factsheet: Wir rüsten unsere wohnungen und gebäude für eine grünere zukunft, 2021. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/pt/fs_21_3673.
  2. Europäische Kommission, EMPFEHLUNG (EU) 2019/ 786 DER KOMMISSION - vom 8. Mai 2019 - zur Renovierung von Gebäuden, 2019. https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/4a4ce303-77a6-11e9-9f05-01aa75ed71a1.
  3. .-M. Henning, A. Palzer, Energiesystem Deutschland 2050, 2013. https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/Fraunhofer-ISE_ Energiesystem-Deutschland-2050.pdf.
  4. C. Bongs, J. Wapler, A. Dinkel, M. Miara, S. Auerswald, M. Lämmle, S. Hess, M. Kropp, R. Eberle, B. Rodenbücher, F. Schmidt, M. Ruppert, N. Carbonare, A. Wagner, LowEx-Konzepte für die Wärmeversorgung von Mehrfamilien-Bestandsgebäuden, 2023. http://www.lowex-bestand.de/wp-content/uploads/2023/03/Abschlussbericht_LiB.pdf.
  5. F. Ochs, M. Magni, G. Dermentzis, Integration of Heat Pumps in Buildings and District Heating Systems-Evaluation on a Building and Energy System Level, Energies. 15 (2022) 3889. https://doi.org/10.3390/en15113889.
  6. F. Ochs, W. Monteleone, G. Dermentzis, D. Siegele, C. Speer, Compact Decentral Façade-Integrated Air-to-Air Heat Pumps for Serial Renovation of Multi-Apartment Buildings, Energies. 15 (2022). https://doi.org/10.3390/en15134679.
  7. M. Magni, F. Ochs;, G. Dermentzis, E. Venturi, Impact of the European Building Energy Requirements on the Heat Pump Market, in: Submitted (Ed.), Heat Pump Conf. 2023 Chicago (USA), 15-18 May, IEA HPT, modified and updated from passipedia.org, Chicago, 2023.
  8. Google Maps, Google Maps, (2023). https://www.google.com/maps/@48.1990424,16.2697431,99a,35y,338.96h,63.54t/data=!3m1!1e3?entry=ttu.
  9. Rendering: Werner Nussmüller, Foto: UIBK
  10. PHPP - Passivhausprojektierungspaket

Autor*innen

Assoz.-Prof. Dr.-Ing. Fabian Ochs ist Professor an der Universität Innsbruck, Arbeitsbereich Energieeffizientes Bauen. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Mara Magni, PhD, arbeitet als Senior Researcher an der Universität Innsbruck, Arbeitsbereich Energieeffizientes Bauen.

Dipl.-Ing.in Dagmar Jähnig, MSc ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bereichs "Gebäude" bei AEE INTEC.

Arch. Dipl.-Ing. Werner Nussmüller, Nussmüller Architekten ZT GmbH.

 

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