Kontinuierliche Proteinextraktion
Judith Buchmaier
In Österreich fallen jährlich 1,3 Millionen Tonnen organischer Nebenprodukte aus der Lebensmittelverarbeitung an. Diese werden primär als Tierfutter und zur Biogaserzeugung genutzt. Allerdings schöpfen die derzeitigen Nutzungswege der Nebenprodukte nicht das volle wirtschaftliche Potenzial aus. Der Wert von Treber kann zum Beispiel durch Proteinextraktion und Vermarktung um ein Vielfaches gesteigert werden.
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Neue Wertschöpfung aus Reststoffen
Die gezielte Nutzung von Nebenprodukten und Reststoffen hat eine gesellschaftspolitische Bedeutung und spielt eine entscheidende Rolle für die Schaffung bzw. die Erweiterung neuer Wertschöpfungsketten. Zudem sind produktseitige Trends wie beispielsweise die verstärkte Nachfrage nach pflanzlichen Proteinquellen in den letzten Jahren zu verzeichnen. Werden neue Substrate (pflanzliche Proteinquellen) zur Herstellung der gefragten Proteinisolate/Extrakte herangezogen, bedarf es oftmals der Adaption bestehender Prozesse oder der Entwicklung neuartiger innovativer Verfahren, um eine nachhaltige, effiziente Prozessierung der biobasierten Stoffe zu gewährleisten.
Im Projekt HIPSTERS wurde mit der TU Graz ein Prozess zur kontinuierlichen Biomassevalorisierung in einem oszillierenden Reaktor entwickelt. Kontinuierliche Verfahren haben im Allgemeinen verschiedene Vorteile gegenüber Batch-Verfahren. Dazu gehören höhere Produktionsraten durch Wegfallen von Startund Endphasen, gute Reproduzierbarkeit und Konsistenz durch Kontrolle der Prozessparameter, Ressourceneffizienz durch geringe Stillstandzeiten und reduzierten Energie- und Materialverbrauch, hohe Qualität, Sicherheit, Platzanforderungen und Skalierbarkeit usw. Die Verarbeitung von Biomasse mit hohem Feststoffgehalt in einem konventionellen Setup in kontinuierlicher Betriebsweise ist jedoch eine Herausforderung. Daher wurde an einer potenziellen Schlüsseltechnologie für unterschiedliche energieeffiziente Wertstoffvalorisierungsansätze in der Kreislaufwirtschaft geforscht: dem kontinuierlichen oszillierenden Durchfluss-Bioreaktor (Continuous Oscillatory Flow Bioreactor - COFB)
Neuartiger Bioreaktor
Der Continuous Oscillatory Flow Bioreactor ist das Herzstück des Valorisierungsprozesses. Wie in der Abbildung dargestellt, erreicht der Rohrreaktor bei hohem Feststoffgehalt und viskosen Medien bei niedriger Energieintensität eine gute Durchmischung. Die durch die angelegte Oszillation in Verbindung mit den Einbauten (Baffles) erzeugte Turbulenz führt zu einer Entkopplung von Verweilzeit und Netto-Durchflussgeschwindigkeit. Daher sind COFBs auch interessante Reaktoren für das Upscaling, da die Reaktorlänge nicht direkt mit der Reaktionszeit zusammenhängen muss.
In HIPSTERS wurde sowohl die Batch- (Oscillatory Flow Bioreactor - OFB) als auch kontinuierliche (COFB) Verfahrensweise im Labormaßstab realisiert. Ein modularer Aufbau ermöglicht den Einsatz verschiedener Reaktorlängen (0,9 m - 4,5 m) jeweils mit spiralförmigen Baffles im Inneren der Reaktorrohre. Ein oszillierender Kolben induziert sinusförmige Schwingungen mit Frequenzen zwischen 0,5 und 2,5 Hz und einer Amplitude von 22 mm.
Grundsätzlich können biobasierte Reststoffe unterschiedlichster Art (Zusammensetzung, Partikelgröße, Feuchtegehalt etc.) in einem solchen Reaktoraufbau diversen Reaktionen (Extraktion, Fraktionierung, Hydrolyse etc.) unterzogen werden. In HIPSTERS war die Zielsetzung die Proteinextraktion aus Neben- und Reststoffströmen. Die extrahierten Proteine können je nach Quelle und Eigenschaften für verschiedene Anwendungen genutzt werden (Lebensmittel, Getränke, Tierfutterzusätze, Nutraceuticals, Biokunststoffe und biologisch abbaubare Materialien, Pharmazeutika, Kosmetika). Als Substrat wurde der im Brauprozess anfallende Biertreber eingesetzt, da sowohl die Verfügbarkeit (ca. 20 kg Treber pro 100 Liter Bier) als auch der Proteingehalt des Trebers (mit bis zu 30 Prozent bezogen auf das Trockengewicht) für eine wirtschaftliche Verwertung interessant sind.
Ergebnisse der Versuchsreihen
Zu Beginn des Projekts wurde an der Technischen Universität Graz ein "Condition-Screening" durchgeführt, um die Extraktion mit ionischen Flüssigkeiten, Basen und Enzymen zu evaluieren. Die erzielten Extraktionsraten nach Vorbehandlung des Trebers durch Trocknung und Mahlen konnten die zusätzlichen Prozessschritte nicht rechtfertigen. Letztlich wurde der Extraktionsprozess für den verfahrenstechnischen COFB-Ansatz auf eine basische Extraktion mit einer 0,2-molaren Natriumhydroxid-Lösung bei einer Temperatur von 50 °C festgelegt und ohne Vorbehandlung durchgeführt. Versuchsreihen mit Reaktionszeiten von 0,5 bis 6 Stunden wurden unter Anwendung von Design of Experiments1 durchgeführt, wobei die Probeentnahme alle 0,5 bzw. 1 Stunden erfolgte, um die Proteinkonzentration im Hydrolysat mittels Bradford-Analysen2 zu bestimmen. Der Einfluss von Verweilzeiten, Netto-Fließgeschwindigkeiten, Feststoffgehalt und Reaktorlänge wurde untersucht. Nach der Hydrolyse wurde der Biomasse-Slurry einer Fest-Flüssig-Trennung unterzogen, um eine Massenbilanz zu erstellen. Der verbleibende Treber (Feststoff) wurde für eine Biogaspotenzialanalyse verwendet.
Die Versuche haben gezeigt, dass im oszillierenden Reaktor zufriedenstellende Hydrolyseraten (hydrolysiertes Protein bezogen auf Proteingehalt des Eingangssubstrats) von bis zu 90 Prozent (durchschnittlich 65 Prozent) erzielt werden können. Die kontinuierliche Verarbeitung konnte erfolgreich umgesetzt werden mit ähnlich guten Hydrolyseraten wie im Batch Betrieb. Bei unterschiedlichen Einstellungen ergaben sich folgende Trends: Bei einem höheren TS (total solids)-Gehalt im Ausgangssubstrat konnten schon nach kurzer Verweilzeit hohe Hydrolysatkonzentrationen erreicht werden, während bei einem niedrigeren TS-Gehalt (10 Prozent) längere Verweilzeiten zu einer höheren Hydrolyserate führten. Aufgrund der Verwendung von realer inhomogener Biomasse (Treber der Brauerei Puntigam) sind die Ergebnisse jedoch gewissen Schwankungen unterworfen. Für die hydrolysierten Treber mit 10 Prozent Feststoffgehalt (SL - Solid Loading) konnte ein verbleibendes Biogaspotenzial von etwa 400 Nm3/t organischer Trockensubstanz (oTS) ermittelt werden (BDI Bioenergy International GmbH), während es für unbehandelten Treber im Vergleich dazu bei etwa 360 Nm3/t oTS lag (Judith Buchmaier u. a., 2023).
Die Aminosäureprofile der gewonnenen Produkte wurden analysiert (BOKU) und die häufigsten Aminosäuren waren Glutaminsäure, Leucin, Asparaginsäure, Phenylalanin und Valin. Neben Anwendungen von Proteinisolaten in der Lebensmittelindustrie könnten auch phenolische Komponenten mit antioxidativen Eigenschaften in Zukunft von Interesse sein.
Eine experimentelle kombinierte Betrachtung der Wertstoffgewinnung und des verbleibenden Gärpotenzials zur Biogaserzeugung wurde nach der Proteinextraktion durchgeführt. Damit ist die Nutzung auf stofflicher und energetischer Ebene in kombinierter Weise durchaus ein vielversprechender Ansatz. Neben der energetischen Nutzung des Biogases kann die Verwertung des dabei entstehenden Gärrests als Dünger oder Bodenverbesserer in Betracht gezogen werden.
Zusammenfassend konnten sehr zufriedenstellende Ergebnisse erreicht werden und die Proteinextraktionsrate war vergleichbar mit Literaturwerten. Der COFB wurde für die Anwendung der Proteinextraktion bei hohem Feststoffgehalt von 10-15 Prozent validiert und die Projektergebnisse legen einen wichtigen Grundstein für die weitere Erarbeitung biobasierter Wertschöpfungsketten aus Lebensmittelreststoffen. Zukünftige Forschungsfragen beinhalten insbesondere die kontinuierliche Zudosierung, Reduktion der Alkalikonzentration, die Optimierung von Bedingungen für wässrige Extraktionen und die Realisierung eines 24-Stunden-Versuchsbetriebs im Labor mit In-Line-Sensorik. Das Nachfolgeprojekt CircularFood wird Lösungsansätze in diesem Kontext untersuchen.
Weitere Informationen
- Design of Experiments (DoE) oder Statistische Versuchsplanung (SVP) umfasst statistische Verfahren zur Versuchsplanung, die mit möglichst wenigen Versuchen den Wirkzusammenhang zwischen Zielgrößen und Einflussfaktoren ermitteln und somit Ressourceneffizienz ermöglichen.
- Der Bradford-Test ist eine photometrische Methode zur quantitativen Bestimmung von Proteinen.
Projekt Hipsters Zukunftsfonds Steiermark
Literatur: Judith Buchmaier, Sofia Krampl, Manuel Eibinger, Gaurav Singh Kaira, Bernd Nidetzky, und Bettina Muster-Slawitsch. 2023. „Continuous oscillatory flow as process intensification strategy in protein extraction from Brewers spent grain“. Journal Chemical Engineering and Processing - Process Intensification, under submission.
Autorin
Dipl.-Ing.in Judith Buchmaier ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe „Wasser- und Prozesstechnologien“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!