nt 02 | 2021 Großwärmespeicher
Großwärmespeicher – kooperative Technologieentwicklung in Österreich
Notwendigkeit
Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 CO2 neutral zu sein, und bis 2030 eine Verringerung von 55 % zu erreichen. Damit auch der Wärmesektor CO2-neutral werden kann, ist die Integration von erneuerbaren Wärmequellen als auch Abwärmequellen notwendig. Großwasserwärmespeicher werden von großer Bedeutung sein und daher ein unverzichtbarer Baustein für eine 100 % erneuerbare Wärmeversorgung in Gemeinden, Städten und Industriebetrieben darstellen.
Ausgangslage
Die Entwicklung und Einführung von Großwärmespeichern begann vor etwas mehr als 20 Jahren in Dänemark. In seinem Beitrag beschreibt Per Alex Sørensen den Bau von immer größeren Warmwasserspeichern in Dänemark.
In Österreich oder Mitteleuropa weichen die Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Großwasserwärmespeicher von denen in skandinavischen Ländern ab. Geologie und Lage des Grundwasserpegels, Konfiguration der Fernwärmenetze sowie gesetzliche Vorgaben unterscheiden sich und erfordern sowohl angepasste als auch neue Lösungen in Entwurf, Bau und Betrieb von derartigen Speichern.
Ziele des Projektes gigaTES
Vor diesem Hintergrund wurde 2017 im Rahmen des Energieforschungsprogramms des Klima- und Energiefonds das Leitprojekt gigaTES initiiert, welches sich mit der Erforschung und Entwicklung von Materialien, der Bautechnik und den Bauweisen sowie der Systemintegration von Großwärmespeichern in Österreich befasst. Übergeordnetes Ziel des von AEE INTEC geleiteten Projekts ist die Erarbeitung von Grundlagen als Vorbereitung für die zukünftige Umsetzung in Österreich und in Mitteleuropa. Das Projekt basiert auf der kooperativen Zusammenarbeit von 18 internationalen Partnern aus Industrie und Forschung.
Materialentwicklung
Um die maximale Speicherkapazität und die Wirtschaftlichkeit von Großwärmespeichern zu erhöhen, sind kostengünstige und langzeitbeständige Abdichtungsbahnen von entscheidender Bedeutung. Im Artikel von Gernot Wallner und weiteren AutorInnen wird über die erfolgreiche Entwicklung von neuen Polymermaterialien berichtet und auch die letzten Ergebnisse von vielversprechenden Betonrezepturen präsentiert.
Bautechnik und Baumethoden
GigaTES Speicher sind als Erdbeckenspeicher konzipiert. Die an herkömmliche Tiefbautechniken angelehnten Baumethoden und -verfahren müssen mehrere Funktionalitäten erfüllen. So muss das Bauwerk Dichtheit gegenüber dem Speicherwasser garantieren, für thermische Isolierung sorgen, Stützfunktion für das Erdreich bieten sowie Grundwassereintritt verhindern. Eine innovative Lösung für die thermische Isolierung des Speichers zwischen Speicherwand und Dichtwand, welche im Rahmen des Projekts entwickelt wurde, wird im Artikel von Fabian Ochs und weiteren AutorInnen beschrieben.
Für die in Bild a und b dargestellten Geometrien sowie einer Kombination aus beiden Varianten wurden die Baumethoden und die Investitionskosten detailliert ausgearbeitet und in einem Kostentool hinterlegt. Das Tool erlaubt Berechnung der Gesamtinvestitionskosten und somit den Vergleich von Großwasserwärmespeichern für unterschiedliche Rahmenbedingungen und der damit zusammenhängenden Konzepte. Eine erste Analyse ergab spezifische Investitionskosten zwischen 100 bis 120 €/m3 für ein Volumen von rund 100.000 m3 und etwa 45 bis 60 €/m3 für 2 Millionen m3. Obwohl diese ersten ermittelten Errichtungskosten deutlich über denen von Erdbeckenspeichern dänischer Bauart liegen, stellt diese Kennzahl nicht den einzigen aussagekräftigen Indikator dar. Darin finden die durch Entwicklungen in gigaTES erzielte Erhöhung der Speicherkapazität (Erhöhung der Maximaltemperatur auf 95 °C), die Erhöhung der Lebensdauer (25 Jahre) sowie die Reduktion der Wärmeverluste im Vergleich zur dänischen Bauart keine Berücksichtigung. Aus diesem Grund sind vielmehr Kennzahlen, wie Kosten pro gespeicherter Megawattstunde, wichtig für die Beurteilung.
Zwei Basisgeometrien für einen gigaTES Speicher: Zylindrischer Behälter (a) und Erdbecken mit geböschtem Boden (b) Quelle: ste.p-ZT GmbH
Abdeckung
Neben der erdbautechnischen Ausgestaltung des Speichers ist die Speicherabdeckung wichtig für die Wirtschaftlichkeit. Der Entwicklung von zwei unterschiedlichen Abdeckungskonzepten widmet sich Thomas Riegler und weitere AutorInnen in seinem Artikel. Ziel der Arbeiten war es, Lösungen zu entwickeln, bei denen die Speicherabdeckung aktiv beispielsweise als Erholungsgebiet, für Gewächshäuser oder für die Anbringung von Solarthermie- und PV-Anlagen genutzt werden kann.
Numerische Simulationen
Ein wichtiges Hilfsmittel bei der Planung, dem Entwurf und der Optimierung eines Großwasserwärmespeichers ist die numerische Simulation, siehe Grafik unten. Sie erlaubt die Berurteilung des thermischen Verhaltens des Speichers in Bezug auf seine Umgebung sowie die Wechselwirkungen in Verbindung mit der Einbindung des Speichers in bestehende Nah- und Fernwärmenetze:
- Wärmeverluste im Erdreich, welche zur Erhöhung der Grundwassertemperatur führen
- Thermisches Langzeitverhalten des Speichers zur Ermittlung der Speichereffizienz
- Auswirkung unterschiedlicher Speicherwandaufbauten und Abdeckungslösungen
- Interaktion des Speichers mit dem in Verbindung stehenden Nah- oder Fernwärmenetz und dessen Wärmebereitungsanlagen
Mit dem österreichischen Forschungs-Leitprojekt gigaTES konnten bei der Entwicklung von Großwasserwärmespeicher aufgrund des systematischen und breiten Ansatzes in der Erforschung von kritischen Materialien, der Optimierung von Baumethoden und -verfahren und der Entwicklung von numerischen Simulationstools zur Optimierung von Großwärmespeicher und deren bestmögliche Integration in Nahund Fernwärmenetze wichtige Fortschritte erzielt werden. Diese Ergebnisse manifestieren sich zum einen in drei vom Konsortium angemeldeten Patenten sowie in der internationalen und kommerziellen Nachfrage nach Produkten österreichischer Komponenten- und Dienstleistungsanbieter. Darüber hinaus erfolgte in gigaTES die Initialzündung zu einer neuen internationalen Arbeitsgruppe im IEA Energy Storage Technology Collaboration Programme. Siehe hierzu den Artikel von Samuel Knabl und weiteren Autoren.
Eines der zentralen Ergebnisse aus gigaTES ist aber auch die Identifikation von weiterführenden Fragestellungen, die insbesondere die Themen Kostenreduktion, Integration in urbane Umgebungen sowie die Minimierung von Investmentrisiken bei derartigen Bauwerken umfasst. Darüber hinaus braucht es auch Überlegungen, welche die volkswirtschaftliche Relevanz von Energiespeichertechnologien quantifizieren und dementsprechend angepasste Finanzierungs- bzw. Fördermodelle adressieren. Dies ist zentral wichtig, um rasch in die Umsetzung erster Pilot- und Demonstrationsvorhaben zu kommen.
Facts
Projektzeitraum: 01.01.2018 bis 31.08.2021
18 internationale Projektpartner:
Forschungspartner:
- AEE – Institut für nachhaltige Technologien (Projektkoordinator)
- Johannes Kepler Universität - Institute of Polymeric Materials and Testing
- Universität Innsbruck – Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften
Unternehmenspartner:
- SOLID Solar Energy Systems GmbH
- Ingenieurbüro ste.p ZT-GmbH
- AGRU Kunststofftechnik GmbH
- Metawell GmbH
- Bilfinger VAM Anlagentechnik GmbH
- Geologie und Grundwasser GmbH
- PORR Bau GmbH
- Lenzing Plastics GmbH
- Gabriel-Chemie Gesellschaft m.b.H.
- Smart Minerals GmbH
- Wien Energie GmbH
- Salzburg AG für Energie, Verkehr und Telekommunikation
- GVT Verfahrenstechnik GmbH
Internationale Partner:
- PlanEnergi
- Solites – Steinbeis Innovation GmbH
Auftraggeber: Klima- und Energiefonds
Programm: Energieforschung 3. Ausschreibung 2016
Weiterführende Informationen
https://www.gigates.at/index.php/de/
AutorInnen
Dr. Wim van Helden leitet den Bereich „Technologieentwicklung“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Samuel Knabl, M.Sc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gruppe „Thermische Energiespeicher“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Ing. Christian Fink ist Geschäftsführer von AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Statement
"Energieversorgung mit 100 % Erneuerbarer Energie: Großwärmespeicher werden eine größere Rolle spielen, sie ermöglichen mehr Flexibilität für kommunale Wärmenetze. Damit kommen wir in eine neue Größenordnung – Faktor 10! Gleichzeitig müssen diese Gigaspeicher im dicht verbauten urbanen Bereich meist unterirdisch verbaut werden. Das bedeutet neue Ansprüche an Material und Konstruktion. Energieforschung liefert die entscheidenden Antworten. Das Projekt gigaTES (Lead AEE INTEC) wird daher vom Klima- und Energiefonds unterstützt, denn auch bei Erneuerbarer Energie ist noch viel Effizienz zu holen."
Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds (Foto: Johannes Hloch )