Zeitschrift EE

nt 02 | 2021 Großwärmespeicher

Innovative Abdeckungskonzepte für Erdbeckenwärmespeicher im Giga-Maßstab

Die Abdeckung eines Erdbeckenwärmespeichers (EWS) ist eine Schlüsselkomponente mit einer Reihe von Funktionen: wasser- und dampfdichter Abschluss zu Umwelt und Speichermedium, Ableitung von Luftansammlungen aus dem Speicher, thermische Isolierung, Ableitung von Niederschlagswasser und die Tragfähigkeit für Eigengewicht und Nutzlasten. Großvolumige EWS im Größenbereich von 100.000 m³ und einer Oberfläche von mehreren tausend Quadratmetern wurden mit schwimmenden Abdeckungen realisiert, um teure Tragwerke zu vermeiden. In der einfachsten Form besteht der Aufbau einer schwimmenden Abdeckung aus drei Schichten. Einer zum heißen Speicherwasser zugewandten Abdichtungsebene (Liner), einer thermischen Dämmebene und einem oberen Liner zum Schutz vor Umwelteinflüssen. Zusätzlich erfordert eine voll funktionsfähige Abdeckung Maßnahmen, um Füllstandschwankungen des Speichers zu kompensieren. Basierend auf negativen Betriebserfahrungen aus EWS-Anlagen designte das dänische Unternehmen Aalborg CSP eine schwimmende Abdeckung mit einigen Neuerungen. Das Design wurde bereits in Marstal (Dänemark) realisiert und ersetzt die frühere Abdeckung eines 75.000 m³ EWS. Eine schematische Darstellung der Abdeckung zeigt die Grafik. Die dänische Bauweise setzt auf spezielle Liner aus heißwasserresistenten Kunststoffen. Diese stellen zwar eine kostengünstige Alternative zu metallischen Linern dar, jedoch mit einigen Mankos, wie beispielsweise der vergleichsweisen geringeren Lebensdauer sowie die Begrenzung des Einsatzbereiches bezüglich Speichertemperaturen. Dadurch ist eine unmittelbare Übertragbarkeit der dänischen Bauweise nach Österreich nur bedingt gegeben. Auch ist die Konstruktion nicht für Nutzlasten ausgelegt, wodurch eine Mehrfachnutzung der Abdeckung nicht möglich ist. Dies unterstreicht die Erfordernis nach neuen Material- und Ingenieurlösungen.

Foto: Aalborg CSP

Aufbau einer schwimmenden Abdeckung. Quelle: https://www.aalborgcsp.com/business-areas/thermal-energy-storage-tes/ pit-thermal-energy-storage-ptes

Neue Abdeckungskonzepte

Im Zuge des österreichischen Forschungs-Leitprojektes gigaTES im Rahmen des Energieforschungsprogramms des Klima- und Energiefonds wurden neuartige Abdeckungskonzepte entwickelt, die den hohen Anforderungen gerecht werden. Dies erfolgte auf Basis von Erfahrungen bereits realisierter EWS und Synergienutzungen aus verwandten Gebieten der Bauindustrie. Die Konzepte wurden für EWS im giga-Maßstab entwickelt, deren Flächeninanspruchnahme mehrere Hektar aufweisen, vergleichbar mit der Grundfläche des Ernst-Happel-Stadions in Wien. Im Vordergrund stand primär die Entwicklung von Abdeckungen mit nutzbarer Oberfläche, um EWS auch in urbanen Gebieten integrieren zu können.

Dies verlangt Ausgleichskomponenten, um Füllstandschwankungen eines EWS im Größenbereich von ein bis zwei Meter zu kompensieren und somit die Oberfläche auf permanent konstantem Niveau zu halten. Auf Grund der geschilderten Nachteile von derzeitig verfügbaren kunststoffbasierten Linern wurde der Fokus auf metallische Konstruktionen oder VerbundKonstruktionen gelegt. Insbesondere die zwei gänzlich neuen Ansätze - "eingetauchte Abdeckung" und "schwimmende Abdeckung 2.0" - standen im Vordergrund der Forschungsarbeiten und führten auch zu jeweils einer Patentanmeldung.

Die eingetauchte Abdeckung

Das Konzept der eingetauchten Abdeckung (englisch Submerged Cover, SMC) ist simpel, die daraus resultierenden Vorteile jedoch einzigartig. Grundsätzlich trennt das SMC zwei Wasserreservoirs dicht voneinander, wodurch kein Wasseraustausch zwischen den beiden Reservoirs stattfinden kann und somit das Auftreiben des SMC verhindert wird. Das untere, heiße Reservoir stellt das Speichermedium dar, das obere Reservoir bleibt auf Grund der Dämmung kalt und wird als Gewässer bezeichnet. Ermöglicht wird dies durch eine flexible Ausführung von Verbindungskonstruktionen der einzelnen Abdeckungsmodule und Anbindung an die Speicherwand. Das SMC ist somit kein statisches Konstrukt, sondern ermöglicht eine Höhenverschiebung je nach betriebsbedingten Erfordernissen.

Schwimmende Abdeckungen erfordern zur Füllstandregulierung einen Pufferspeicher mit denselben thermischen Anforderungen wie der Hauptspeicher, zwischen denen, je nach Bedarf, Wasser gepumpt wird. Auf Grund des verformungsfähigen SMC ist ein Pufferspeicher in dieser Form überflüssig. Stattdessen genügt ein einfacher, „kalter“ Wasserzulauf zum Gewässer, um dessen Niveau konstant zu halten. Die Niederschlagsentwässerung des SMC erfordert keine zusätzlichen Maßnahmen wie Pumpvorrichtungen, weil eine einfache Freispiegelentwässerung an der Speicherwand genügt. Ein weiterer Vorteil des Gewässers ist die Entkopplung der Lasteinleitung infolge Nutzlasten, beispielsweise durch schwimmende Strukturen wie Gebäude, weil das verdrängte Wasser ungehindert ablaufen kann. Letztendlich dient das Gewässer als Wetterschutzschicht für das SMC wodurch herkömmliche Bauwerksschäden, wie durch Hagel, UV, Frost ausgeschlossen werden können. Ein weiterer positiver Effekt ist der Beitrag zur Reduzierung urbaner Hitzeinseln.

Konzept der eingetauchten Abdeckung. Quelle: AEE INTEC

Die schwimmende Abdeckung 2.0

Für die hier vorgestellte schwimmende Abdeckung wurde ein neuer Ansatz gewählt, um eine Oberflä- chennutzung gewährleisten zu können. Die Füllstandschwankungen werden über einen separaten und integrierten Raum innerhalb des Speichers ausgeglichen. Durch ein definiertes Überlaufniveau füllt sich der Innenbehälter während des Beladezustandes infolge der Volumenzunahme des Wassers. Bei voller Beladung bestimmt somit das gesamte Speichervolumen inklusive des innenliegenden und integrierten Behälterraums, der dann ebenso vollständig gefüllt und beladen ist, die maximal erreichbare Speicherkapazität. Dieses Volumen wird vom Innenbehälter dann wieder in den Speicherraum gepumpt. Damit kann die Niveaukonstanz ohne externen Pufferspeicher gewährleistet werden.

Bei der Entwicklung der Schwimmkörper aus Metall wurde darauf geachtet, dass diese entsprechend der erforderlichen Auftriebskräfte skaliert werden können. Die Wärmedämmung zur Minimierung der Wärmeverluste liegt oberhalb der Schwimmkörper und ist mit einer der Nutzung entsprechenden Deckschicht gegenüber Umwelteinflüssen geschützt. Die Gestaltung dieser schwimmenden Abdeckungen von Großwärmespeichern kann befahrbar oder auch nur begehbar ausgeführt werden.

Konzept der schwimmenden Abdeckung 2.0. Quelle: AEE INTEC

Herausforderungen der Zukunft

Der nächste anzustrebende Meilenstein ist, die höchstbeanspruchten Komponenten der Konstruktionen möglichst realitätsnahen Untersuchungen zu unterziehen. Dazu zählen insbesondere die thermomechanischen Lasteinwirkungen auf Verbindungskonstruktionen wie jene zwischen der Abdeckung und der Wand. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse zum Last-Verformungsverhalten der Bauteile ermöglicht eine Optimierung der Konstruktion. Dies stellt den Grundstein für eine erfolgreiche künftige Umsetzung der Konzepte dar. Erleichtert werden kann dies durch die stetige Weiterentwicklung von kunststoff-basierten Linermaterialien, wie Laminatwerkstoffen mit integrierter Dampfsperre, deren Barriereeigenschaften auch bei Temperaturen von bis zu 100 °C dauerhaft erhalten bleiben. Diesen und weiteren Herausforderungen stellen sich österreichische Forschungseinrichtungen und Industriepartner in künftigen Projekten, um die Erdbeckenwärmespeicher-Technologie erfolgreich in Zentraleuropa zu integrieren.

AutorInnen

Thomas Riegler, M.Sc., Dipl.-Ing. Michael Reisenbichler, Samuel Knabl, M.Sc. sind wissenschaftliche Mitarbeiter der Gruppe „Thermische Energiespeicher“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Christoph Muser ist Geschäftsführer des Bauingenieurbüros ste.p ZT-GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Prof. Dr. Wolfgang Samhaber ist Geschäftsführer des Ingenieurbüros für Verfahrenstechnik GVT Verfahrenstechnik GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen

https://www.gigates.at/index.php/de/

Statement

"In dekarbonisierten Fernwärmenetzen der Zukunft werden Wärmespeicher eine große Rolle spielen. Gerade in Großstädten wie Wien werden sehr große Speicher notwendig sein, um erneuerbare Überschüsse vom Sommer in die Heizsaison verlagern zu können. Wien Energie beteiligt sich an Forschungsprojekten wie gigaTES, um gemeinsam mit den Forschungspartnern die notwendigen technologischen Entwicklungen voranzutreiben.“

Karl Gruber, Geschäftsführer von Wien Energie ( Foto: WienEnergie / StefanJoham )

Top of page