Zeitschrift EE

nt 02 | 2021 Großwärmespeicher

Gezielter Know-how-Transfer zu Großwärmespeichern durch internationale Kooperation

Der Markt für Großwärmespeicher wächst, wobei zunehmend neue Anlagen geplant und umgesetzt werden. Das dafür notwendige Wissen ist jedoch nach wie vor auf eine kleine Anzahl von Ländern und Projekten beschränkt und eine breite Einführung dieser Technologie ist dementsprechend nur möglich, wenn die vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen auf eine große Anzahl von Ländern und Experten ausgeweitet und vertieft werden. Vor diesem Hintergrund wurde 2020 im Technology Collaboration Program „Energy Storage“ der internationalen Energieagentur eine Arbeitsgruppe mit dem Titel "Großwärmespeicher für Fernwärmesysteme (Task 39)" initiiert. Übergeordnetes Ziel des unter österreichischer Leitung stehenden Tasks ist es, die Herausforderungen bei der Planung, Realisierung und dem Betrieb von Groß- wärmespeichern zu überwinden und die Anwendung in möglichst vielen Ländern zu ermöglichen.

Foto: Arcon-Sunmark

Angestrebte Ziele des kollaborativen internationalen Vorhabens

Die teilnehmenden Experten aus mehr als 10 Ländern (Europa, Asien und Nordamerika) werden in den kommenden drei Jahren ihre Erfahrungen in der Planung, der Umsetzung und des Betriebs von Großwärmespeichern in das kollaborative Vorhaben einbringen. Die teilnehmenden Experten können dabei auf Wissen von umgesetzten Leuchtturmprojekten aus Dänemark, Deutschland, Schweden und Kanada sowie auf Planungs- und Machbarkeitsstudien aus weiteren teilnehmenden Ländern zurückgreifen. Das international vorhandene Know-how soll unmittelbar genutzt werden, um die essentiellen Aspekte bei der Planung, Auslegung und Umsetzung von Großwärmespeicherprojekten zur Einbindung in Fernwärmesystemen auszuarbeiten. Dies inkludiert die Definition repräsentativer Anwendungsszenarien, die zugehörigen Randbedingungen als auch techno-ökonomische Analysen ausgewählter Systemkonzepte. Hierbei sollen unmittelbar die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der einzelnen Länder berücksichtigt werden. Dies umfasst die geologischen sowie hydrogeologischen Rahmenbedingungen der unterschiedlichen Standorte als auch systemische Merkmale wie Topologie oder Temperaturniveaus der unterschiedlichen Fernwärmenetze.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Bearbeitung von Materialfragestellungen für Großwärmespeicher, wie beispielsweise Beton- und Kunststoff-Materialien. Diese sind im Betrieb erschwerten Bedingungen (zum Beispiel erhöhter Temperaturen) ausgesetzt, welche über den sonst üblichen Einsatzbereich hinausgehen. Für die Verwendung unter diesen nicht genormten (“Off-Standard”) Bedingungen fehlen bisher gesammelte Informationen über Materialien, die diese Bedingungen erfüllen. Infolgedessen werden im Task einheitliche Testverfahren für hygrothermische und mechanische Prüfungen für Auskleidungsmaterialien entwickelt, Richtlinien für die Wasserqualität und die Erreichung dieser definiert und eine öffentlich zugängliche Datenbank für geeignete Materialien für den Einsatz bei Großwärmespeichertechnologien erstellt.

Übersicht der im Task betrachteten Großwärmespeichertechnologien. Quelle: Solites

Numerische Simulationen als Eckpfeiler für erfolgreiche Großwärmespeicherprojekte

Ein weiterer Schwerpunkt des Tasks 39 ist die numerische Simulation von Großwärmespeichern, welcher Eckpfeiler für eine erfolgreiche Umsetzung darstellt. Die enormen Größen und die damit verbundenen hohen Investitionskosten, Umwelteinflüsse, wie beispielsweise hydrogeologische Einflussfaktoren (wie Grundwasserströmungen) sowie der Umstand immer komplexer werdender Energiesysteme basierend auf volatilen erneuerbaren Energiequellen erfordern vorab eine ausführliche Planung zur Risikominimierung und zur erfolgreichen Durchführung von Großwärmespeicherprojekten. Rein experimentelle Untersuchungen stoßen dabei sehr schnell an ihre Grenzen. Prototypen und Funktionsmuster sind im Hinblick auf Großwärmespeicher entsprechend kostenintensiv und die nötige, teils mehrjährige Betrachtung von Komponenten und Gesamtsystemen ist nicht möglich. Aus diesen Gründen werden numerische Simulationsmodelle in entsprechenden Software-Tools auf System- als auch Komponenten-Ebene eingesetzt, um beispielsweise Vorkonzeptionierungen sowie Detailauslegungen vorzunehmen und die mehrjährige ganzheitliche Betrachtung von Großwärmespeichertechnologien in den angestrebten Energiesystemen zu ermöglichen. Aus den vorliegenden Gründen ist die Sicherstellung und Verbesserung der Qualität numerischer Modelle ein zentrales Ziel des Tasks, welches durch die Zusammenführung internationaler Simulationsexperten in der Arbeitsgruppe erreicht wird. Neben einer ausführlichen Inventarisierung und Kategorisierung von vorhanden numerischen Modellen wird eine breit angelegte Validierung gegen reale Messdaten und der Vergleich der Modelle untereinander durch mehrere Round-Robin Simulationen durchgeführt. Ergebnisse daraus werden, neben Aussagen zu Genauigkeit und numerischer Performance vorhandener Modelle, auch allgemeine Empfehlungen zur Simulation von Großwärmespeicher sein. Zudem sollen darauf aufbauend standardisierte Validierungstests für zukünftige Modellentwicklungen abgeleitet werden.

Im Rahmen des Tasks werden aufgrund vorhandener Synergien bei den Anwendungsszenarien, bei der Integration in Fernwärmesystemen sowie bei der numerischen Simulation jedoch nicht nur Großwasserwärmespeicher, wie Behälter- und Erdbecken-Wärmespeicher betrachtet. Selektiv werden Erfahrungen von Experten zu Großwärmespeichertechnologien mit anderen Speichermedien, wie Aquifer- und ErdsondenWärmespeicher, miteinbezogen. Als Speichermedien kommen daher neben Wasser mit atmosphärischem Druck (oder leichtem Überdruck), auch grundwasserführende Erdreichschichten und Erdreich zum Einsatz. Österreich spielt in diesem kollaborativen Vorhaben eine zentrale Rolle. Neben der Leitung der Arbeitsgruppe durch AEE INTEC bringen die fünf österreichischen Institute und Unternehmen wertvolle Kenntnisse und Erfahrungen aus abgeschlossenen und aktuell gerade in Bearbeitung befindlichen nationalen und internationalen Projekten ein. Nicht zuletzt liefert das aktuell in Österreich im Rahmen des Energieforschungsprogramms des Klima- und Energiefonds laufende Forschungs-Leitprojekt „gigaTES“ inhaltliche Beiträge für die österreichische Beteiligung, das zentrale Wissen sowie die Bedürfnisse der österreichischen Nah- und Fernwärmeversorger sowie die Expertise der heimischen Industrien bei der Planung und Umsetzung von Großwärmespeichern. Im speziellen werden österreichische Institute und Unternehmen aktiv bei Materialfragestellungen zu Polymer-Linern, der Entwicklung von Speicherkonzepten und deren Bewertung als auch zu Fragestellungen bei der numerischen Simulation von Großwärmespeichern mitarbeiten.

Die Projektergebnisse des Task 39 werden gezielt an österreichische Industrien und relevante nationale Stakeholder-Gruppen kommuniziert, um einerseits eine starke internationale Marktposition zu erreichen und andererseits die Umsetzung dieser Technologie in Österreich zu ermöglichen.

Weiterführende Informationen

https://iea-es.org/annex-39/

https://nachhaltigwirtschaften.at/de/iea/technologieprogramme/eces/iea-eces-annex-39.php

AutorInnen

Dipl.-Ing. Michael Reisenbichler und Samuel Knabl, M.Sc. sind wissenschaftliche Mitarbeiter der Gruppe „Thermische Energiespeicher“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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