Zeitschrift EE

2019-04: Wärmespeicher

Thermochemisches Solarspeichersystem auf Basis von Salzhydrat

Samuel Knabl, Henk Huinink

Solarthermie besitzt hohes Potenzial, den Gesamtwärmebedarf von Gebäuden zu decken. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Solarwärme nicht nur in den Sommermonaten genutzt, sondern saisonal und verlustfrei für die Verwendung im Winter gespeichert werden kann. Neben der verlustarmen Speicherung ist außerdem eine hohe Energiedichte des Speichers von großer Bedeutung. Thermochemische Speichersysteme zeichnen sich durch hohe Speicherdichten bei gleichzeitig verlustfreier Langzeitspeicherung aus und besitzen dementsprechend großes Potenzial für eine effiziente saisonale Speicherung von solarer Wärme. Im Rahmen des EU-finanzierten Projektes CREATE wurde vor diesem Hintergrund, mit AEE INTEC als Projektkoordinator, ein saisonales thermochemisches Solarspeichersystem auf Salzhydratbasis entwickelt und gebaut.

Abbildung 1: Verladen des Speichersystems für den Transport nach Warschau. Foto: AEE INTEC

Entwicklung des Sorptionsspeichersystems

Im Rahmen des Projekts wurde ein saisonales thermochemisches Speichersystem auf Salzhydratbasis entwickelt, wobei im Zuge der Umsetzung mehrere technische Entwicklungen auf unterschiedlichen Ebenen durchgeführt wurden. Ziel des Projekts war es, am Ende der Laufzeit ein voll funktionsfähiges Speichersystem, aufbauend auf detaillierten Labortests, in das Wärmeversorgungssystem eines Waisenhauses in Warschau zu integrieren und zu testen. Die technischen Entwicklungen umfassten die Identifizierung des am besten geeigneten Speichermaterials für den Anwendungsfall sowie die Entwicklung und den Bau der kritischen Komponenten des thermochemischen Speichersystems.

Speichermaterial

Ob ein Speichermaterial in einem saisonalen Speichersystem Verwendung finden kann, wird durch die Energiedichte, die Stabilität hinsichtlich einer Vielzahl von Be- und Entladeladezyklen sowie geringer Herstellungskosten im industriellen Maßstab bestimmt. Im Rahmen der im Projekt durchgeführten Speichermaterialentwicklung wurden zunächst 262 Salzhydrate mit 563 Hydratationsreaktionen von der Technischen Universität Eindhoven (TUE) bewertet.

Dabei konnte in einem ersten Schritt die Gesamtliste auf 25 mögliche Materialpaarungen hinsichtlich der technischen Anforderungen Energiedichte, Wärmeleistung im Anwendungstemperaturbereich sowie ausreichend hoher Schmelztemperatur eingegrenzt werden. Unter Anbetracht der zu erwartenden Kosten, der Verfügbarkeit und der Toxizität wurde schlussendlich Kaliumcarbonat (K2CO3) als Basismaterial ausgewählt. Im Zuge weiterer Forschungsaktivitäten der Projektpartner Caldic, Dow, Technische Universität Eindhoven und TNO wurde aus dem Basismaterial in einem weiteren Schritt ein stabiles Verbundmaterial aus Kaliumcarbonat und einem Bindemittel entwickelt, welches im industriellen Maßstab hergestellt werden kann. Durch die Produktion einer Charge von ca. 1 Tonne des Materials am Standort Caldic in Düsseldorf konnte dies auch erfolgreich nachgewiesen werden. Eine vom Projektpartner RINA durchgeführte ökonomische Studie zeigte außerdem, dass die Kosten des Verbundwerkstoffs zu 83 % von den Rohstoffkosten dominiert werden.

Abbildung 2: Fotos des entwickelten Speichermaterials aus Kaliumcarbonat (K2CO3) und einem Bindemittel nach der Pelletierung sowie in der eingesetzten Endform als Granulat. Fotos: Technische Universität Eindhoven

Komponenten- und Systementwicklung

Die für eine erfolgreiche Realisierung eines saisonalen Speichersystems als kritisch angesehenen Speichersystemkomponenten waren der Speicherbehälter, der das Speichermaterial enthält, der Verdampfer bzw. Kondensator und der Prozesswasserbehälter. Diese standen bei der Entwicklung im Fokus und Ziel war es, ein wirtschaftlich darstellbares, kompaktes und verlustfreies Speichersystem aufzubauen.

Die Kompaktheit eines Wärmespeichersystems wird dabei im Allgemeinen durch die Speicherdichte des Gesamtsystems definiert. Diese wird sowohl durch das Speichermaterial als auch durch das Design der Systemkomponenten bestimmt. So kann beispielsweise das Volumen des Systems reduziert werden, indem ungenutzte Volumina minimiert werden. Dadurch werden die Speicherdichte und der Platzbedarf optimiert. Verfügbare Flächen, die in Häusern für Heizungsanlagen zur Verfügung stehen, haben in der Regel eine kubische oder prismatische Form, während geschlossene thermochemische Speichersysteme aufgrund der auftretenden Vakuumkräfte meist zylindrisch sind. Eine Methode zur Verbesserung der effektiven Speicherdichte bestand daher darin, das verfügbare Volumen effizienter zu nutzen, indem prismatisch geformte Behälter entwickelt wurden.

Die im Rahmen des Projekts entwickelten Speichermodule zeichnen sich durch einen modularen prismatischen Aufbau aus. Durch die Optimierung der Kompaktheit kann das verfügbare Volumen in einem Gebäude im Vergleich zu bisher gebräuchlichen zylindrischen Speichersystemen um mehr als 20 % besser ausgenutzt werden. Das Speichermodul selbst beinhaltet einen Lamellenwärmetauscher als Festbettreaktor für den Transport der Wärme vom Speichermaterial zum Wärmeversorgungssystem bzw. umgekehrt. Darüber hinaus wird der Lamellenwärmetauscher als konstruktives Element eingesetzt, um die auf das prismatische Modul einwirkenden Vakuumkräfte aufzunehmen. Gleichzeitig wurden bei der Entwicklung des Moduls Materialmengen und -kosten minimiert. Neben dem Speichermodul wurde zudem ein simpler, kostengünstiger Verdampfer/Kondensator als Teil des Speichersystems konzipiert und gebaut.

Experimentelle Untersuchung des Saisonspeichers

Aufbauend auf den Entwicklungsergebnissen in Bezug auf Speichermaterial und Kompaktheit des Speichers wurde 2018 ein erster Prototyp mit rund 200 Litern Speichermaterial aufgebaut.

Abbildung 3: Aufbau des saisonalen thermochemischen Solarspeichersystems im Labor. Foto: AEE INTEC

Das Modul bzw. der Prototyp des gesamten Speichersystems wurden im weiteren Verlauf des Projektes im Labor von AEE INTEC in einem Teststand integriert und mit über 230 Messpunkten ausgestattet. Bis Ende 2018 wurden insgesamt 40 Zyklen unter verschiedenen Betriebsbedingungen, die dem zukünftigen Anwendungsfall entsprechen, durchgeführt. Aus den erfolgreich abgeschlossenen Experimenten konnten Rückschlüsse auf Energieinhalt, Speicherdichte, maximaler und durchschnittlicher Leistung, Zyklenfestigkeit und Betriebsverhalten gezogen werden. Die auf Modulebene erreichte Speicherdichte des Prototypen beträgt 128 kWh/m³.

Demonstration in realer Umgebung

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Prototypen-Experimente wurde ein Speichersystem mit drei Speichermodulen und einer Speicherkapazität von insgesamt 1200 Litern Kaliumcarbonat als Speichermaterial umgesetzt. Das Gesamtsystem inkl. Pufferspeicher, Wärmepumpe und Regelung wurde in einem Container aufgebaut und nach weiteren detaillierten experimentellen Untersuchungen im Juli 2019 zum finalen Einsatzort, einem Waisenhaus in Warschau, transportiert (siehe Titelbild). Nach abgeschlossener Implementierung in das Wärmeversorgungsystem des Hauses stellt das Speichersystem seit August 2019 Wärme für Raumheizung und Warmwasserbereitung bereit. Eine durchgehend stattfindende messtechnische Begleitung erlaubt dabei eine Bewertung des Speichersystems in der realen Umgebung.

Statement

"Die Europäische Kommission unterstützt Forschung in Bezug auf thermische Speicherlösungen in Gebäuden, besonders auch im Zusammenhang mit der Initiative „Mission Innovation“ (Mission Innovation Challenge 7 „Leistbares Heizen und Kühlen von Gebäuden“) . Innovative thermische Speicherlösungen bilden ein wichtiges Element in einem zukünftigen Energiesystem und tragen zur Dekarbonisierung des Energiesystems bei."

Piero de Bonis, Renewable Energy Sources, Directorate-General for Research & Innovation, Europäische Kommission

Weiterführende Informationen

http://www.createproject.eu

Autoren

Samuel Knabl, MSc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs “Thermische Energietechnologien und hybride Systeme” bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Prof. Henk Huinink arbeitet als Assistenzprofessor im Bereich Materialentwicklung an der Technischen Universität Eindhoven, Niederlande. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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