Thermische Energiespeicher – vom Material zur Komponente
Im Rahmen des Technologienetzwerks der Internationalen Energieagentur IEA wird das Thema „Material- und Komponentenentwicklung für thermische Energiespeicher“ in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe behandelt [1, 2]. Dabei werden sowohl latente als auch thermochemische Speichermaterialien entwickelt und untersucht. Neben der Materialforschung steht die Entwicklung geeigneter Speicherkomponenten im Fokus der Aktivitäten. In diesem Artikel soll vor allem dieser Aspekt beleuchtet und der Zusammenhang zwischen Material und Komponente herausgehoben werden.
Einfluss der Anwendung auf die Speicherkomponente
Bei Energiespeichern besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Speicherkomponente und der aktuellen Anwendung. Der Speicher nimmt während des Ladevorgangs Energie unter bestimmten Bedingungen auf, und muss sie zu einem späteren Zeitpunkt unter vielleicht anderen Bedingungen wieder abgeben. Diese Bedingungen sind durch die Anwendung gegeben.
Eigenschaften der Speicherkomponente, wie die Speicherkapazität, die Lade-/Entladeleistung, der Speicherwirkungsgrad, die Speicherdauer und schließlich die Speicherkosten, stehen alle in engem Zusammenhang mit der tatsächlichen Anwendung und werden durch diese weitgehend festgelegt1. Daher sollte auch schon bei der Materialentwicklung und bei der Auslegung von Speicherkomponenten die Anwendung mit ihren Betriebsbedingungen berücksichtigt werden.
Vom Labor zum realen Speicher
Die Arbeiten der Forschungsgruppe „Material and Component Development for Thermal Energy Storage“ der IEA [1, 2] folgen daher dem Ansatz, schon bei der Materialentwicklung die möglichen Einsatzbedingungen zu berücksichtigen. Dabei wird in einem ersten Schritt das Material auf seine physikalischchemischen Eigenschaften hin charakterisiert. In einem zweiten Schritt werden die Materialeigenschaften unter anwendungsnahen Bedingungen bestimmt. Dies findet noch unter Laborbedingungen statt. Zuletzt wird das Speichermaterial dann in einem konkreten Komponentendesign getestet, auch hier unter Anwendungsbedingungen. Damit können die tatsächlichen Vorteile eines neuentwickelten Materials quantifiziert werden.
Als konkretes Beispiel kann eine neue Mischung von Salzhydraten dienen. Das neue Phasenwechselmaterial 2 wird hinsichtlich seiner Schmelzenthalpie vermessen. Der Schmelzbereich der Mischung liegt zwischen 14 °C und 16 °C. Der Speicher soll in einem System eingesetzt werden, das Klimakälte und Warmwasser in Kombination mit einer Wärmepumpe bereitstellt. Damit ergibt sich eine theoretische und im Labor zwischen 5 °C und 25 °C gemessene spezifische Energiespeicherdichte von 170 kJ/kg. Wird das Material in einen isolierten Behälter mit integrierten Kapillarrohrmatten für den Wärmetransport gefüllt, ergibt sich unter den gleichen Bedingungen eine gemessene spezifische Energiespeicherdichte von nur mehr 135 kJ/kg bezogen auf das Speichermaterial, d. h. die Energiespeicherdichte sinkt auf etwa 80 % des ursprünglich erzielten Wertes.
In der Praxis müssen weiters thermische Verluste durch Isolierung minimiert werden und die Auskopplung der gespeicherten Wärme unter bestimmter thermischer Leistung gewährleistet sein. Damit wird die Speicherkomponente größer und schwerer als das Speichermaterial allein und die erreichbare Speicherkapazität wird sich reduzieren. Das gilt auch für die Kosten: Die komplette Speicherkomponente wird deutlich teurer sein als das Speichermaterial alleine. Untersuchungen im Rahmen der IEA-Arbeitsgruppe haben ergeben, dass die Kosten für das Speichermaterial in vielen Fällen lediglich zwischen 10 % und 20 % der Komponentenkosten ausmachen.
Speicherkapazität in Abhängigkeit der Betriebsbedingungen
Bei der Beurteilung innovativer Speichermaterialien steht meist die erreichbare Speicherkapazität im Vordergrund. Die Speicherkapazität ist allerdings keine Materialeigenschaft, sondern hängt entscheidend von den Prozessparametern ab. Die Lade- und Entladeprozesse werden durch Temperaturen beschrieben. Bei Latentwärmespeichern 3 sind das jeweils die Ein- und Austrittstemperatur des Wärmestroms [3]. Bei Latentwärmespeichern 3 sind das jeweils die Ein- und Austrittstemperatur des Wärmestroms [3]. Bei thermochemischen Prozessen 4, die thermodynamisch wie Wärmepumpen betrachtet werden, muss zusätzlich noch die Verbindung zur Umwelt und deren Temperatur berücksichtigt werden [3].
Beim Einsatz eines thermochemischen Speichers – in den konkreten Forschungsarbeiten ein offenes Speichersystem mit Zeolith vom Typ 13X – hängt die Kapazität also sehr stark von den Bedingungen beim Laden und Entladen ab. Geht man von der Speicherung solarthermischer Wärme bei 95 °C, einer Umgebungstemperatur beim Laden im Sommer von 30 °C und einer minimalen Entladetemperatur von 38 °C bei einer Umgebungstemperatur im Winter von 1 °C aus, ergibt sich lediglich eine Kapazität von 9 kWh/m³ [3]. Erhöht man die Ladetemperatur auf 200 °C, die z. B. elektrisch aus einer PV-Anlage bereitgestellt werden kann, so kann eine Kapazität von 135 kWh/m³ erreicht werden [3].
Grund für diese extreme Abhängigkeit von den Betriebsbedingungen ist vor allem die sehr niedrige Wasserdampfkonzentration bei 1 °C während des Entladens und die Tatsache, dass Zeolith erst bei höheren Temperaturen (über 150 °C) wirkungsvoll geladen werden kann.
Zum Vergleich liegt die Speicherkapazität eines einfachen Warmwasserspeichers für den ersten Fall (Temperaturen zwischen 95 °C und 38 °C) bei 66,5 kWh/m³. Wobei sich alle Kapazitätsangaben ausschließlich auf das Volumen des Speichermaterials beziehen.
Komponentendesign
Für die Realisierung latenter und thermochemischer Energiespeicherkomponenten kommt eine Vielzahl von Bauformen in Frage [4]. Entscheidend für die optimale Auswahl sind die Anforderungen an das eingesetzte Speichermaterial, die thermische Leistung und die nutzbare Energie.
Die einfachste Bauform ist ein Speicher mit DirektBeladung. Hierbei ist das Wärmeträgerfluid auch gleichzeitig das Speichermedium, z. B. ein Warmwasserspeicher. Für Latentwärmespeicher müssen Wärmeträgerfluid und Phasenwechselmaterial getrennt werden. Man spricht daher von Speichern mit „indirekter“ Be- und Entladung.
Die Speicherkomponente kann mit Phasenwechselmaterial gefüllt sein und in ihrem Inneren einen mit Wärmeträgerfluid durchströmten Wärmeübertrager aufweisen. Das Phasenwechselmaterial kann aber auch in verkapselter Form vorliegen und vom Wärmeträgerfluid umströmt werden. Sonderformen sind Direkt-Kontakt-Speicher, bei dem das Speichermaterial direkt vom Wärmeträgerfluid durchströmt wird, oder sogenannte „PCM-Slurries“, Mischungen aus Wärmeträgermaterial und Phasenwechselmaterial, die auch bei festem Phasenwechselmaterial-Anteil pumpfähig bleiben.
Für die Realisierung thermochemischer Speicher wird das Design der Speicherkomponenten deutlich komplexer, weil neben dem Wärme- auch der Stoffübergang ermöglicht werden muss. Allgemein müssen bei den Speicherreaktionen zwei Stoffe getrennt und wieder zusammengeführt werden, wobei gleichzeitig Wärme zu- und abgeführt werden muss. Beides soll effizient und auf kleinstem Raum umgesetzt werden, damit hohe Leistungen und Speicherkapazitäten erreicht werden.
Man unterscheidet zwischen „geschlossenen“ Systemen, bei denen beide Stoffe getrennt aufbewahrt und zur Reaktion zusammengebracht werden können und „offenen“ Systemen, bei denen ein Reaktand in die Umgebung entlassen und aus dieser wieder entnommen werden kann. Letzteres kann z. B. bei der Reaktion Zeolith/Wasser realisiert werden. Der Wasserdampf kann in die Umgebung entlassen und muss nicht im System gespeichert werden. Dadurch lassen sich prinzipiell höhere Speicherkapazitäten erreichen.
Abbildung 2: Reaktor für einen Absorptionsspeicher (Lithiumchlorid/ Wasser). Foto: ZAE Bayern
Ausblick
Während die maximale Speicherkapazität eine Materialeigenschaft ist, hängt die real erreichbare Kapazität von den Betriebsbedingungen ab. Diese reduziert sich sowohl durch die anwendungsbedingten Lade- und Entladetemperaturen und die Tatsache, dass die Speicherkomponente in der Regel isoliert sein muss und über Geometrien zum Wärme- und (im Fall thermochemischer Speicher) Stoffübergang verfügen muss. Ziel der aktuellen Aktivitäten ist es, so früh wie möglich potenzielle Speichermaterialien realistisch beurteilen zu können. Zukünftig soll der Fokus dabei vermehrt auf der Interaktion zwischen Material und Speicherkomponente liegen.
Fußnoten
- Speicherkapazität: gespeicherte Energie pro Volumen oder Masse in kWh/kg oder kWh/m³; Lade-/Entladeleistung in W/kg oder W/m³; Speicherwirkungsgrad: Verhältnis von entladener zu geladener Energie
- Engl. Phase-Change-Material (PCM)
- Ein Latentwärmespeicher (auch Phasenwechselspeicher) ist ein spezieller Typ von Wärmespeicher, der einen Großteil der ihm zuge- führten thermischen Energie in Form von latenter Wärme (z. B. für einen Phasenwechsel von fest zu flüssig) speichert.
- Thermochemische Wärmespeicher speichern Wärme durch chemische Reaktionen, in denen Wärme zugeführt werden muss, und geben sie mittels Reaktionen, durch die Wärme frei wird, wieder ab.
Weiterführende Informationen
- http://task58.iea-shc.org/
- https://iea-eces.org/annexes/#running-materials-and-components
- Benjamin Fumey et al., Building application specific temperatures for the testing of phase change and thermo-chemical materials, components and systems, Renewable & Sustainable Energy Reviews, Elsevier, 2019, to be published
- Hauer, A., Hiebler, S., Reuß, M. (2013), Wärmespeicher, BINE Fachbuch, 5. Vollständig überarbeitete Auflage, Fraunhofer IRB Verlag, Bonn, ISBN 978-8167-8366-4
Autor
Dr. Andreas Hauer ist Leiter des Bereichs „Energy Storage“ am Zentrum für Angewandte Energieforschung ZAE, Bayern.