Das Entlarven von Leckagen in Bauteilen und der Gebäudehülle
Karin Hauer, Peter Schober, Georg Steiner, Jakob Haberl, Bernhard Nopp, René Eckmann, Roland Kerschenbauer, Karl Höfler, Armin Knotzer
Eine möglichst luftdichte Gebäudehülle ist – nicht zuletzt auf Grund gesetzlicher Vorgaben – längst Stand der Technik. Neben dem Erreichen höherer Behaglichkeit für die NutzerInnen durch Vermeidung von Zuglufterscheinungen kann dadurch Bauschäden vorgebeugt werden, sowie insgesamt die energetische bzw. Umweltperformance des Gebäudes durch die Reduktion unkontrollierter Lüftungswärmeverluste verbessert werden.
Die Luftdichtheit wird in Gebäuden meist als Summenparameter mittels Blower-Door-Messung, auch Differenzdruck-Messverfahren genannt und gemäß ÖNORM EN ISO 9972 durchgeführt, bestimmt. Darüber hinaus gibt es in den projektbeteiligten Forschungseinrichtungen Prüfstände, um die Luftdurchlässigkeit einzelner Bauteile (z. B. Fenster, Kaminbauteile oder Lüftungsgeräte) zu untersuchen. Zum Beispiel muss an Fenstern und Außentüren die Luftdurchlässigkeit im Zuge der CE-Kennzeichnung am Prüfstand gemäß ÖNORM EN 1026 ermittelt werden. Der Anschluss des Fensters an die Wand gemäß ÖNORM B 5321. Solche Messungen werden somit im Zuge der Produktentwicklung und -verbesserung durchgeführt und auch in der Schadensaufklärung eingesetzt.
Abbildung 2: Leckageortung mittels Thermo-Anemometer in einem steirischen Wohnhaus. Foto: AEE INTEC
Bei Blower-Door-Messungen vor Ort werden sehr oft örtliche Leckagen, d. h. punktuelle Lecks in der Gebäudehülle bzw. dem Bauteil mit dem Handrücken, Rauchgas oder technischen Verfahren wie ThermoAnemometern und Elektroakustik, aufgespürt (z. B. mangelhaft ausgeführte Leitungsführungen, Bauteilanschlüsse – siehe Abbildung oben, technische Einbauten, fehlende/defekte Verschlussklappen). Dabei ist festzustellen, dass auch einzelne Leckagen zu erheblichen Bauschäden, von Schimmelbildung über Durchfeuchtungen bis hin zu strukturellen Schäden führen können. Die Folge solcher Mängel sind mitunter hohe Streit- bzw. Sanierungskosten.
Die exakte Bestimmung der Größe einer georteten Leckage in der Gebäudehülle bzw. dem Bauteil, um welche Luftvolumina es sich handelt und mit welcher Methode auch auf einer Baustelle möglichst praktikabel und exakt mittels einer zu entwickelnden Messsonde gemessen werden kann, waren Fragen, die in einem Forschungsprojekt der drei ACR-Institute Holzforschung Austria (HFA), Bautechnisches Institut (BTI) und AEE INTEC beantwortet werden sollten.
Strömungsmessungen am Prüfstand der HFA
Die besondere Herausforderung lag einerseits in einer reproduzierbaren Methodik für unterschiedlichste Druckdifferenzen und geringste Volumenströme (0,5 bis 5 m³/h), und andererseits in der Entwicklung einer Prüfeinrichtung bzw. Messmethodik, die sowohl für das Labor als auch für die Baustelle zur messtechnischen Ermittlung von örtlichen Leckagen geeignet ist. Zuerst wurde ein Prüfstand zur Bestimmung örtlicher Leckagen angeschafft, mit dem hochpräzise Messungen auch an großformatigen Bauteilen bei ±10 bis ±5000 Pa Druckdifferenz und Leckagevolumina von 0,2 bis 3000 m³/h durchgeführt werden können. In einem zweiten Schritt wurden Messmethoden zur Strömungsmessung verschiedener Anbieter am Prüfstand getestet und verglichen, mit dem Ziel der Entwicklung einer mobilen Messsonde zur Nutzung sowohl am Prüfstand für die Produktentwicklung von Fenstern, Flachdächern oder Wand-Decken-Anschlüssen, als auch für die Qualitätssicherung auf der Baustelle. Folgende Messmethoden wurden untersucht: Differenzdruckmessung an laminarer Messstrecke, Flügelradanemometer, Hitzdraht-, Hitzfilm- und Hitzkugelanemometer, Ultraschallmessung.
Die Messungen wurden unter definierten Bedingungen wie Unter-/Überdruck von 10, 30, 50, 70 und 100 Pa Druckdifferenz an rohrförmigen Messstrecken mit unterschiedlichem Durchmesser durchgeführt und dokumentiert. Dabei wurden folgende Festlegungen getroffen:
- Messungen müssen kalibrierbar sein
- Die durch Leckagen verursachten Volumenströme durch einen Bauteil bzw. Bauteilbereich/- übergänge sind interessant, nicht die eigentliche Fläche der Leckage
- Kombination mit Blower-Door-Test muss durchgeführt werden
- Sowohl punktuelle als auch lineare Leckagen sollen erfasst werden
- Druckabfall in der Messstrecke ist zu berücksichtigen
- Die Querschnittsfläche des verwendeten Messrohres muss größer sein als die Fläche der gemessenen Leckage
Letztlich schafften es die analysierten Hitzdraht(film)anemometer bei den Messungen am Prüfstand am besten zu überzeugen, d. h. mit der Nullmessung an der Kalibrierplatte des Prüfstandes übereinzustimmen. Andere Methoden, wie Sensoren, die auf Luftfeuchte, mikrobielle Stoffe/Keime oder Indikatorgase ansprechen, wurden für die Messsondenentwicklung aufgrund der Kosten, der Handhabbarkeit, fehlender Robustheit und Reproduzierbarkeit der Messwerte bei konditionierten Bedingungen verworfen.
Der Weg zur baustellentauglichen Messsonde
In einem dritten Schritt folgten Überlegungen für ein praktikables „Baustellen-Design“ der Messsonde. Angefertigt wurden verschiedene Messrohre mit integrierten fixen Halterungen für gängige Hitzedraht(film)anemometer-Sensoren zur Strömungsberuhigung. Durch die unterschiedliche Ausführung der Messrohre können mehrere Messbereiche abgedeckt werden. Weiters entstanden mehrere Messadapter unterschiedlicher Form und Abmessung, die am Messrohr angeschlossen werden können. Diese Messsondenteile wurden im 3D-Druck-Verfahren hergestellt und zunächst auf der neu angeschafften Versuchseinrichtung zur Bestimmung örtlicher Leckagen an der Holzforschung Austria bei einer Druckdifferenz von 50 Pa, angelehnt an die BlowerDoor-Messbedingungen in einem Gebäude, eingehend untersucht (siehe folgende Abbildung).
Nach diversen Detailanpassungen, wie der Implementierung eines Druckaufnehmers zur Überwachung der Strömungsverhältnisse im Messadapter, wurden die fortgeschrittenen Prototypen von den Messteams der drei ACR-Institute im Zuge von Prüfboxen- und Baustellenmessungen erprobt und die Prototypentwicklung abgeschlossen. Folgende Punkte sind bei den Baustellenmessungen zu beachten:
- Messgeräte, bei denen mehrere Steckplätze sowie ein Messspeicher auf dem Gerät zur Verfügung stehen (z. B. Anemometer und Differenzdruck auf einem Gerät) sollten bevorzugt werden, damit eine Person allein messen kann.
- Die Markierung der Messstellen und eine Fotodokumentation erleichtern die Auswertung der Messungen im Nachhinein.
- Die Verwendung von zusätzlichen Dichtbändern für Bauteilecken bzw. schlecht messbare Bereiche erleichtert das Anlegen des Messadapters, kann aber die Messung verfälschen.
- Den Durchführenden der Messungen sollte bewusst sein, dass es auf einer Baustelle immer wieder größere Leckagen gibt, die nicht gemessen werden können, weil sie unter Rohren, Kabeln, in Schächten, Auskragungen usw. „versteckt“ sind.
- Bei sehr geringen Leckagen von unter 1 m³/h wurde noch keine zufriedenstellende Messgenauigkeit erreicht – hier sind weitere Versuche und Entwicklungsarbeiten notwendig.
- Bei n50-Werten von etwa 0,6/h (PassivhausGrenzwert) oder darunter können tatsächlich kaum mehr relevant messbare Leckagen gefunden werden.
Durch umfassende Messreihen an der neuen Versuchseinrichtung der HFA am Standort Stetten, am existierenden Prüfstand des BTI, in den ACR-Prüfboxen bei AEE INTEC und den Probemessungen in Gebäuden und auf Baustellen wurde sehr viel Know-how zur Messung und Einschätzung kleinster Leckagen gesammelt. Folglich wurde ein Dienstleistungsangebot seitens der drei ACR-Institute geschaffen, mit dem sowohl punktförmige als auch lineare Leckagen bei geringsten Volumenströmen erfasst werden können.
Weiterführende Informationen
https://www.acr.ac.at/newsletter/newsletterartikel-detail/acr-serie-infrastruktur-alles-dicht
https://www.bti.at/bauphysik-sanierung/gebaeude-luftdichtheit-blowerdoor-messungen
Danksagung
Das F&E-Kooperationsprojekt „Örtliche Leckagen Methoden- und Sondenentwicklung“, gefördert durch das österreichische Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW), wurde im Rahmen des Programms „Strategische Projekte“ der Austrian Cooperative Research (ACR) genehmigt. Es wurde unter der Leitung der Holzforschung Austria (HFA) mit AEE INTEC und dem Bautechnischen Institut (BTI) durchgeführt.
Autoren
Dr. Karl Höfler ist Bereichsleiter und Dipl.-Ing. Armin Knotzer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Bauen und Sanieren“ bei AEE INTEC. k.hoefl Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Ing.
Roland Kerschenbauer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Messtechnik“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Dipl.-Ing. (FH) Karin Hauer, Dipl.-Ing. Georg Steiner und Ing. Jakob Haberl arbeiten im Fachbereich Fenster / Abteilung Bautechnik an der Holzforschung Austria, welcher von Dipl.-HTL-Ing. Peter Schober geleitet wird. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Dipl.-Ing. (FH)
Dr. René Eckmann ist Leiter, Dipl.-Ing. Bernhard Nopp Mitarbeiter des Bautechnischen Instituts. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!