Zeitschrift EE

nt 01 | 2021 Neue Impulse für die Energieraumplanung

Wiener Energieraumplanung als wesentlicher Beitrag zur Energiewende

Herbert Hemis, Susanna Erker

Die Energieraumplanung ist eine neue Disziplin des Klimaschutzes mit einem stadtplanerischen Schwerpunkt. Sie stellt einen wichtigen Baustein für die Dekarbonisierung von Städten wie Wien dar, insbesondere für den Gebäudebereich. Das Ziel des aktuellen Regierungsübereinkommens, die Stadt bis 2040 klimaneutral zu machen, lässt die Bedeutung einer räumlich koordinierten Umgestaltung der Energieversorgung massiv steigen

Foto: Stadt Wien C. Fürthner

Die Richtung für die Energieraumplanung legt das 2019 erschienene Fachkonzept Energieraumplanung, als Teil des Stadtentwicklungsplans (STEP 2025), fest. Die Umsetzungen passieren auf verschiedenen Ebenen durch die gezielte Integration des Themas in Prozesse der Stadtplanung. Zusätzlich wurde ein neues Instrument geschaffen, das Ziele der Energieplanung räumlich differenziert vorschreibt: die Energieraumpläne. Diese sind ein bisher einzigartiges Instrument in Europa, welches für Bauwerber die Wahl der Energieversorgung parzellenscharf festsetzt.

Energieraumplanung in Aktion

Das Fachkonzept Energieraumplanung dient als Richtschnur für die Energieraumplanungsaktivitäten der Stadt Wien. Der Schwerpunkt liegt in der vorausschauenden und räumlich koordinierten Entwicklung der Energieversorgung. Dadurch soll einerseits die leitungsgebundene Infrastruktur (wie Nah- und Fernwärmenetze) nachhaltig und effizient gesteuert werden. Andererseits soll der Einsatz erneuerbarer Energien und die Einbindung von Abwärme maximiert werden, damit zukunftsfähige Lösungen realisiert werden können. Die Betrachtungsebene geht dabei vom Gebäude über das Quartier bis zu ganzen Stadtteilen und betrifft sowohl den Neubau als auch den Bestand. Daraus ergibt sich eine notwendige und breite Abstimmung mit den diversen Prozessen innerhalb der Stadt, wie etwa der Stadtplanung oder der Sanierung. Um die Zielrichtung der Wiener Energieplanung offenzulegen und das gemeinsame Verständnis dafür zu schärfen, wurden die sogenannten Leitlinien der städtischen Energieplanung entwickelt. Darüber hinaus bietet die Energieraumplanung durch ihren Bezug zur Raumplanung die Chance, homogene und rechtsverbindliche Vorgaben im Sinne des Klimaschutzes und der Energiewende mithilfe der Wiener Bauordnung festzusetzen und damit Planungssicherheit für alle relevanten AkteurInnen zu schaffen. Die Energieraumpläne stellen solch ein Instrument dar.

Energieraumpläne setzen neuen Standard

Mit den Energieraumplänen nach § 2b der Bauordnung für Wien wurde ein neues Instrument geschaffen, welches den Einsatz von Energieträgern für die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser bei Neubauten räumlich koordiniert. Die Energieraumpläne sind Verordnungen des Gemeinderats. Einerseits ähneln sie damit den sektoralen Raumordnungsprogrammen anderer Bundesländer, wie etwa der Windkraftnutzung in Niederösterreich, werden aber bezirksweise beschlossen. Andererseits erfolgt die Abgrenzung grundstücksscharf und ist unmittelbar verbindlich für etwaige Bauvorhaben.

Mithilfe der als Verordnung erlassenen Energieraumpläne können sogenannte Klimaschutz-Gebiete (siehe orange schraffierte Flächen in der nachfolgenden Abbildung) festgesetzt werden, in denen fossile Energieträger zur Raumwärme- und Warmwasserbereitstellung im Neubaubereich verboten sind. Stattdessen wird eine nachhaltige Wärmeversorgung auf Basis von hocheffizienten, alternativen Systemen vorgeschrieben (siehe auch § 118 Abs. 3 der Bauordnung für Wien). Eine Ausnahme aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen ist hier nicht mehr möglich. Grundsätzlich kann in diesen Gebieten ein Anschluss an die Fernwärme erfolgen, doch besteht dafür kein Anschlusszwang.

Energieraumplan für den 9. Wiener Gemeindebezirk. Quelle: Stadt Wien Energieplanung MA 20

Die Abgrenzung der Klimaschutz-Gebiete

Eine wesentliche Grundlage für die Abgrenzung der Gebiete war die Verfügbarkeit von Fernwärme im Neubaufall. Die Fernwärme der Wien Energie GmbH entspricht derzeit als einziges Netz den Kriterien eines hocheffizienten Systems, dessen Energie zumindest zu 80 Prozent aus Kraft-Wärme-KopplungsAnlagen, aus Abwärme und/oder aus erneuerbaren Energien (Umgebungswärme, Biomasse etc.) stammt. Die Gebiete stellen somit Bereiche dar, die ein Erweiterungs- und Verdichtungspotenzial für die Netzinfrastruktur der Fernwärme aufweisen. Dabei zeigt sich, dass sowohl die Verlegeart, das Alter und die Dimension der Leitungen als auch die Kapazität der einzelnen Teilnetze entscheidend sind. Das Vorhandensein einer Leitung als auch die bestehende Versorgung einzelner Gebäude führt nicht automatisch zur Ausweisung eines Klimaschutz-Gebiets. Darüber hinaus wurde seitens der Stadt auch die städtebauliche Entwicklung bis 2025 herangezogen. Mithilfe eines technisch-ökonomischen Gutachtens wurde die Gebietsabgrenzung für eine mögliche Fernwärmeversorgung im Neubau überprüft und bestätigt.

Ebenso wurde sichergestellt, dass im Neubaufall in all diesen Gebieten zumindest ein weiteres hocheffizientes, alternatives System zu vergleichbaren Kosten eingesetzt werden kann. Hierbei wurden auch die laufenden Kosten der möglichen Energieversorgungssysteme für mindestens 20 Jahre berücksichtigt. Unter Beachtung all dieser Aspekte wurde anhand der digitalen Katastralmappe und weiterer städtebaulicher Gegebenheiten eine sogenannte parzellenscharfe Abgrenzung vorgenommen.

Der Prozess

Das Verfahren zur Erstellung der Energieraumpläne wurde nach dem Vorbild des Ablaufs zur Erarbeitung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne entwickelt. Ausgehend von den aufbereiteten Grundlagen wird ein Vorentwurf für jeweils einen Bezirk erarbeitet und stadtintern reflektiert. Auf Basis der internen Rückmeldungen und weiterer Schritte zur Qualitätssicherung wird ein Entwurf der Verordnung erstellt, der aus einem Textteil und einer Planbeilage besteht. Der Verordnungsentwurf wird zusammen mit einem Erläuterungsbericht für jeden Bezirk öffentlich aufgelegt. Die Stellungnahmen in diesem Verfahrensschritt werden analysiert und gegebenenfalls integriert. Danach müssen diese Verordnungen mittels Notifizierung von der Europäischen Kommission bestätigt werden. Der Gemeinderat beschließt diese Verordnungen, die drei Monate nach ihrer Kundmachung rechtswirksam werden. 2020 wurden bereits acht Energieraumpläne beschlossen. Im Laufe des Jahres 2021 folgen die Energieraumpläne für die restlichen Bezirke.

Bestätigung auf europäischer Ebene – ein Meilenstein für den Klimaschutz

Die Energieraumpläne und Klimaschutzgebiete wurden mittels Notifizierung durch die Europä- ische Kommission bestätigt. Es kamen weder von den Mitgliedsstaaten noch von Unternehmen oder Interessensvertretungen Einwände. Damit gewinnt der Klimaschutz an Bedeutung und wird dem Schutz des Binnenmarktes für fossile Heizungsanlagen vorgezogen.

Die Weiterentwicklung

Da die von der Stadtregierung beschlossene Dekarbonisierung sich auf die Bestandsgebäude erstrecken soll, liegt eine Weiterentwicklung der Energieraumpläne für den Bestand auf der Hand. Dazu müssen verschiedene Faktoren der bestehenden baulichen Struktur erfasst und analysiert werden, wie etwa der Sanierungszustand oder die aktuellen Energieversorgungssysteme. Darüber hinaus spielen sowohl die vor Ort verfügbaren Potenziale erneuerbarer Energieträger als auch die unterschiedlichen Möglichkeiten zum Energieträgerwechsel eine wesentliche Rolle. Das nationale Forschungsprojekt GEL SEP (Green Energy Lab – Spatial Energy Planning) und dessen Fortsetzung liefern in diesem Zusammenhang wesentliche Datengrundlagen. Das parallel dazu laufende europäische Forschungsprojekt DECARB CITY PIPES 2050 baut auf diesem Vorwissen auf und schafft mit der Erarbeitung von Plänen und Abläufen zur Dekarbonsierung neue Entscheidungsgrundlagen für die Energiewende.

Statement

"Die Energieraumplanung ist ein wichtiger Baustein zur Dekarbonisierung der Stadt, da sie durch vorausschauende planerische Arbeit in Bezug auf Angebot, Nachfrage und mögliche Technologien einen räumlich koordinierten Umstieg auf ein erneuerbares Energiesystem maßgeblich unterstützt."

-- Bernd Vogl, Abteilungsleiter der Energieplanung der Stadt Wien. Foto: Stadt Wien/C.Fürthner

Weiterführende Informationen

AutorInnen

Dipl.-Ing. Herbert Hemis ist Experte für Energieraumplanung und Energiedaten, Stadt Wien MA 20 Energieplanung. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ingin Dipl.-Ing.in Drin Susanna Erker ist Referentin für Energieraumplanung, Stadt Wien MA 20 Energieplanung. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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