Zeitschrift EE

nt 01 | 2021 Neue Impulse für die Energieraumplanung

Digitale Grundlagen für die Energieraumplanung

Ingrid Schardinger, Markus Biberacher, Franz Mauthner

Die räumliche Dimension von Energieversorgung und Energieverbrauch hat entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung eines klimafreundlichen und resilienten Energiesystems der Zukunft. Moderne Raumund Städteplanung berücksichtigt Energieraumplanung daher zunehmend als integralen Bestandteil. Die Verfügbarkeit digitaler Planungsgrundlagen mit Raumbezug ist für die Planung essentiell. Beispielsweise ist die flächenbezogene Wärmebedarfsdichte eines Siedlungsgebietes oder Stadtteils entscheidend für den Ausbau und wirtschaftlichen Betrieb von Nah- und Fernwärmenetzen. Ebenso wird die Nutzungsmöglichkeit lokaler erneuerbarer Energieressourcen zur Wärmebedarfsdeckung maßgeblich von der räumlichen Nähe zwischen Quelle, z. B. einem industriellen Abwärmeemittenten und Senke, z. B. dem Wärmenetz, bestimmt. Ein weiterer wichtiger Planungsaspekt ist die Berücksichtigung potentieller Nutzungskonflikte von knappen Flächenressourcen.

Der vorliegende Artikel beschreibt die Systematik zur Generierung räumlicher Planungsgrundlagen im Rahmen des Projektes “Räumliche Energieplanung für die Wärmewende” (GEL - S/E/P) (Green Energy Lab, Spatial Energy Planning) von der Anforderungsspezifikation über die Modellierung am Beispiel eines realisierten Gebäudemodells bis hin zur technischen Umsetzung der Anwendung in den Landes-GIS Systemen der Steiermark, Wiens und Salzburgs.

Anforderungsspezifikation und Datenkonzept

Für die Energieraumplanung sind räumliche Daten (Geodaten) Grundlage für Analysen und Planungen, zur Beschreibung der Eignung bestimmter Flächen für Umwandlung, Transport oder Speicherung von Energie, sowie zur Verortung und Charakterisierung des Gebäudebestandes und der vorhandenen kommunalen Energieinfrastruktur wie beispielsweise Erdgas- und Wärmenetze.

Da es keine Datenquelle gibt, die alle erforderlichen Informationen für Energieraumplanung bereithält, ist die Zusammenführung vielfältiger Datengrundlagen erforderlich. Im Zuge einer breit angelegten Anforderungsspezifikation gemeinsam mit VertreterInnen der öffentlichen Verwaltung, der Forschung sowie von Planungsbüros wurde im Rahmen des GEL S/E/P Projektes die Frage erörtert, welche digitalen Planungsgrundlagen für Energieraumplanung grundsätzlich relevant sind und wie diese räumlichen Informationen aus verfügbaren Datengrundlagen mittels GIS-Methoden generiert werden können. Im Projekt wurde ein umfassendes Datenkonzept entwickelt, das der Identifizierung und Strukturierung verfügbarer (Geo-)Daten inklusive Beschreibung der für die Energieraumplanung relevanten Informationen (Attribute) je Datensatz dient. Insgesamt wurden 80 relevante Datengrundlagen identifiziert und in das Datenkonzept integriert. Priorisiert wurden hierbei Datenbestände, die österreichweit oder auf Landesebene öffentlich zugänglich oder für Verwaltungszwecke verfügbar sind und die einer möglichst regelmäßigen Aktualisierung unterliegen. Wichtige Datengrundlagen sind unter anderen digitale Katastralmappen der Bundesländer, das adressbezogene Gebäude und Wohnungsregister (AGWR), die ZEUS Energieausweisdatenbank, digitale Leitungskataster, Flächenwidmungspläne oder digitale Geländemodelle in hoher räumlicher Auflösung.

Digitales Gebäudemodell

Ein weiteres wesentliches Fundament für Energieraumplanung stellt das im Rahmen des Projektes entwickelte Gebäudemodell dar. Das Modell umfasst mehrere thematische Module: Gebäudeidentifikation, Nutzung, Hüllqualität, Gebäudeabmessungen (Der Modellansatz für das Modul Gebäudeabmessungen wurde im parallel laufend Projekt „Zentrum Alpines Bauen“ (W. Spitzer, RSA FG iSPACE, 2020) erarbeitet und zur Anwendung im GEL S/E/P -Projekt adaptiert) und Gebäudekonditionierung. Jedem Modul liegt eine Spezifikation zugrunde, die festlegt, welche Informationen dem digitalen Gebäudeabbild je Modul zugeordnet werden und welche Datengrundlagen hierfür zur Verfügung stehen (Die Zuweisung der entsprechenden Informationen erfolgt dann programmiertechnisch mittels der Scriptsprache SQL, wobei jedes nachgelagerte Modul das jeweils vorgelagerte Modul als Eingangsdatensatz benötigt). Als Ergebnis dieser umfassenden GIS-Modellierung liegt ein digitales Gebäudemodell vor, das einerseits die lagerichtige Visualisierung von Gebäuden durch Punkte und Polygone auf digitalen Karten ermöglicht und weiters wesentliche Gebäudeeigenschaften wie Geometrieinformationen, Nutzung und Baualter, Sanierungsstatus, Heizungssystem und Brennstofftyp sowie Energiebedarf und die korrespondierenden THG-Emissionen bereitstellt. In der Verwaltung bereits etablierte Geodatensätze wie das AGWR oder die ZEUS-Energieausweisdatenbank werden regional sehr heterogen befüllt und Qualität und Robustheit von darauf aufbauenden Planungsgrundlagen für Energieraumplanung werden von der zugrunde liegenden Qualität der Daten beeinflusst. Die regelmäßige Aktualisierung und Qualitätssicherung von energierelevanten Datengrundlagen im Verantwortungsbereich der Gemeinden und der öffentlichen Verwaltung ist somit für eine erfolgreiche Implementierung von Energieraumplanung unbedingt notwendig.

Mithilfe der Informationen des digitalen Gebäudemodells können Energie- und Ökobilanzen für den Gebäudesektor erstellt, Sanierungs- oder Modernisierungsfahrpläne basierend auf den Informationen zum Gebäudealter und dem Heizungssystem entwickelt oder entsprechende Schwerpunktgebiete als Zonen ausgewiesen werden. Die gebäudegenauen Abschätzungen zum Heizwärmebedarf ermöglichen die Erstellung von Wärmedichtekarten, die in weiterer Folge als Basis für die Ausweisung von Wärmenetzgebieten dienen. Für Gemeinden, Städte und auch überregionalen Planung sind diese Informationen von großem Nutzen zur Erstellung von Bestandsanalysen und kommunalen Wärmeplänen, bei der Zonierung von Schwerpunktgebieten für Sanierungen, bei der Festlegung von Wärmenetzgebieten oder Ausschlussgebieten für fossile Heizungssysteme, bei der Fernwärmeplanung oder bei der Flächenvorhaltung für Energieumwandlungsanlagen und Leitungstrassen.

Ableitung von Fernwärme Potenzialgebieten aus dem digitalen Gebäudemodell. Quelle: RSA / Studio iSPACE 01-2021

Modellierungsschritte zur Generierung des digitalen Gebäudemodells

Technische Umsetzung und GIS-Integration

Das Handling von großen Datenmengen sowie die Umsetzung von zum Teil komplexen Prozessketten in der Datenaufbereitung erfordert eine fundierte IT-seitige Unterstützung. Landes-IT und Landes-GIS Abteilungen unterstützen die notwendigen Prozesse in nachhaltiger Weise. Im Rahmen des GEL S/E/P Projektes findet die technische Umsetzung der Prozessketten prototypisch in einer Entwicklungsumgebung basierend auf Open-Source Datenbank und Scripting Lösungen statt. Eine anschließende Überführung von Modellen und Anwendungen in den laufenden Prozessbetrieb in Landes-IT Umgebungen ist jeweils nach erfolgreicher Testphase in der prototypischen Entwicklungsumgebung als nachgelagerter Schritt vorgesehen.

Bei der technischen Umsetzung wurden Lösungen für das Hosting, die Prozessierung sowie die aussagekräftige Visualisierung von Informationen erarbeitet. Für das Hosting wurde im Rahmen der prototypischen Entwicklung eine Postgres/PostGIS-Server Lösung gewählt, die Prozessierung der Daten entlang der Prozesskette von den Eingangsdatensätzen bis hin zum finalen GIS-Datenlayer zur Bereitstellung in einem Wärmeatlas erfolgte mit Hilfe von SQL-Scripten. Darüber hinaus werden im Projekt noch weiterführende, teils komplexe Analyse- und Reportingfunktionalitäten für konkrete Anwendungsfälle in den teilnehmenden Bundesländern spezifiziert und in der Programmiersprache Python umgesetzt. So werden in Salzburg beispielsweise “Bestandsenergieanalysen für das Räumliche Entwicklungskonzept (eREK)“ auf Gemeindeebene erstellt (siehe auch den Artikel „Energie MEETS Raumplanung – Praxisbericht aus Salzburg“). Diese müssen in regelmäßigen Abständen, basierend auf neuen Datengrundlagen, aktualisiert werden. Mit Python-Scripts wurden diese Prozesse soweit automatisiert, dass ein Bericht für eine Gemeinde auf Knopfdruck generiert werden kann. Ähnliche Prozesse mit Relevanz für die örtliche Planung bis hin zur integrierten Arealentwicklung werden im Projekt auch in der Steiermark (siehe Artikel "Energieraumplanung in der Steiermark") und in Wien (siehe Artikel "Wiener Energieraumplanung als Beitrag zur Wärmewende") etabliert.

Ausblick

Der entwickelte Ansatz erlaubt eine standardisierte und harmonisierte Bereitstellung von digitalen Grundlagen für die Energieraumplanung, einerseits in Form von GIS-Datenlayern im sogenannten Wärmeatlas und weiters in Form von automatisierten Analyse- und Reportingfunktionalitäten für planungsrelevante Anwendungsfälle in der Steiermark, Wien und Salzburg. Die jeweils auf Landesebene gehosteten Informationen bieten insbesondere auch für kleinere Gemeinden mit begrenzten Ressourcen für aufwendige Datenerhebungen und Analysen umfangreiche Möglichkeiten für fundierte räumliche Planungen. Die gesamte Prozesskette von der automatisierten Datenaufbereitung über die räumlichen Modellierungen bis hin zu den Aktualisierungsroutinen und den automatisierten Berichten ist transparent und reproduzierbar. Dies ermöglicht eine verhältnismäßig einfache Ausrollung des Methodenansatzes auf weitere Bundesländer in Österreich. Im Folgeprojekt (GEL S/E/P II) werden die räumlichen Planungsgrundlagen für den Wärmesektor um die Sektoren Strom und Mobilität erweitert und damit ein weiterer Schritt in Richtung integrierter und sektor- übergreifender Energieraumplanung gesetzt.

Weiterführende Informationen

Projekt “Räumliche Energieplanung für die Wärmewende”: https://waermeplanung.at/

AutorInnen

Dr. Ingrid Schardinger ist Senior Researcher der Forschungsgruppe Smart Energy Balances bei Research Studios Austria FG / Studio iSPACE. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Markus Biberacher ist Key Researcher und Leiter der Forschungsgruppe Smart Energy Balances bei Research Studios Austria FG / Studio iSPACE. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Franz Mauthner, MSc ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Städte und Netze“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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