Interview mit Franz Kok, neuer Obmann der Öko Strombörse
Franz Kok, seit Februar Obmann der Öko Strombörse Salzburg, nimmt Stellung zu aktuellen Fragen der Energiepolitik und wagt einen Blick in die Zukunft.
Interview: Mario Sedlak
Foto: CoachingandConsulting.at
Was sind Ihre Aufgaben als Obmann der Ökostrombörse?
Kok: Als Obmann der Öko Strombörse trage ich laut dem Vereinsgesetz gemeinsam mit dem gesamten Vorstand Verantwortung. Da es die Aufgabe der Öko Strombörse ist, Strom aus erneuerbaren Energien in Kooperation mit dem Naturschutzbund, der Plattform gegen Atomgefahren, der AEE Salzburg und der Salzburg AG als Träger der Ökostrombörse weiterzuentwickeln, ist das eine große Baustelle: Neben dem KLIMACENT wollen wir aktuell gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen (GEA) auf bestehenden Dachflächen schwerpunktmäßig entwickeln und bereiten uns auf die Energiegemeinschaften gemäß der EU-Richtlinie vor, welche in Österreich das Erneuerbare-Energie-Ausbaugesetz (EAG) vorsehen wird.
Wichtig für die Aufgabe ist es auch, der oft kritischen Öffentlichkeit machbare Alternativen zu vermitteln und der Bevölkerung an die Hand zu geben. So gesehen geht es darum, den Leuten ihre Möglichkeiten als neue „Prosumer“ nahezubringen und ein Stück Eigenverantwortung in der Energiewirtschaft zu stärken.
Was wird mit den Energiegemeinschaften auf uns zukommen und inwieweit wird die Öko Strombörse dabei mittun? Wird sie vielleicht gar zu einer „echten“ Strombörse, wo Energieüberschüsse regional verwertet werden können?
Für Energiegemeinschaften gibt es jetzt bereits zahlreiche Anbieter zur Verknüpfung von Angebot und Nachfrage, und es wird absehbar jeder Stromhändler am Markt ein solches Produkt als Plattform anbieten. Wir sehen unsere Rolle hier eher als „Ideenbörse“ für den Ökostrommarkt. Es könnte sich aber auch herausstellen, dass der Markt dafür mittelfristig einen gemeinsamen Standard und Innovationen braucht. Aktuell fehlt mir etwa in den Plänen der E-Control ein klarer Blick auf die Winterspitzenlast und auch auf die Rolle von dezentralen Batterie-Clouds als Dienstleister für das Netzmanagement. Das heißt, die Öko Strombörse könnte durchaus auch als integrierende Plattform für Marktfunktionen fungieren. Ideen in diese Richtung gab es ja schon früher. Aktuell wollen wir uns aber nicht am Gedränge, das sich hier gerade aufbaut, beteiligen.
Können Sie die Rolle der Öko Strombörse etwas genauer erklären? Kann da jeder eine Idee einschicken, zum Beispiel ein Solar-Fahrrad?
Die Öko Strombörse entwickelt unter anderem Projekte für gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen. Die Umsetzung macht dann die Genossenschaft „Agentur für Erneuerbare Energie“ als Crowdfunding-Plattform. Die von Ökostromkunden der Salzburg AG einbehaltenen KLIMACENT-Aufschläge gehen in die Förderung solcher Ökostromanlagen, aber auch anderer klimarelevanter Projekte, wenn diese anders nicht zustande kämen – siehe www.klimacent.at
Was führte Sie als Politikwissenschafter in die Energiebranche?
Begonnen hat es mit der Kontroverse um Großkraftwerksprojekte in den 80er-Jahren, wo ich auch bei der Besetzung des Lagers 4 in Hainburg beteiligt war. Damals war für mich die Auseinandersetzung mit den Bewilligungsprivilegien für Großprojekte ein Motiv, mich weiter damit zu befassen. In meiner 1991 veröffentlichten Dissertation ist es dann aber um grundlegende Fragen der Regulierung der Energiewirtschaft gegangen. Vom energiepolitischen Konsens der Nachkriegsjahre über die Kontroversen der 70er- und 80er-Jahre bis zur Liberalisierung des Energiebinnenmarkts mit Österreich als EU-Mitglied war es dann ja doch ein weiter Weg.
Warum gibt es so viele Konflikte um Energieprojekte?
Das war ja nicht immer so. Der allgemeine Wertewandel in den 70er- und 80er-Jahren und die wachsende Freiheit der Menschen, sich kritisch zu äußern und zu organisieren, sind demokratiepolitisch positive Entwicklungen. In der Energieversorgung wurde die scheinbar grenzenlose Überflussgesellschaft schon ab den 70er-Jahren auch kritisch hinterfragt, was den dauerhaft wachsenden Energiekonsum angeht. Grenzen des Wachstums und der Umweltverträglichkeit waren da schon vor der Diskussion des Klimawandels ein Thema.
Die PV-Anlagen auf dem Schulzentrum in Saalfelden … Foto: Öko Strombörse
Sie waren als Projektentwickler für Windenergie selber in Konflikte verwickelt. Wie erklären Sie sich das?
Solange unsere Wohlstandsgesellschaft mit ihren wachsenden Ansprüchen gut funktioniert, ist kaum jemand gewillt, die kritischen Folgen unserer Lebenskultur mitzutragen. Unsere Erfahrung mit der Windenergie in Salzburg zeigte, dass auch Gemeinschaftsprojekte von lokalen Bürgerbeteiligungsgesellschaften in scharfe Kritik geraten sind. Dabei hat sich die Qualität der Argumentation wesentlich gewandelt: Ging es früher um die systematische Kritik an Atom- und Großtechnologie, so zeigen die letzten Kontroversen doch viel mehr in Richtung einer befindlichkeitsgesteuerten Ablehnung von Veränderung – und einer Politik, welche die selbst erklärten Ziele schnell vergisst, wenn es gilt, populistisch Stimmungen zu folgen. Auch die sozialen Medien und der Journalismus haben hier nicht immer dem Licht der Vernunft und sachbasierten Diskussionen gedient. Das „postfaktische“ Zeitalter hat für mich nicht erst mit einem US-Präsidenten begonnen …
Wie können wir die Konflikte möglichst vermeiden und die Energiewende voranbringen?
Die Kostenentwicklung für Strom aus Photovoltaik ist sensationell und macht diese Technik zu einem wirklichen „Game Changer“. Ganz konkret müssen wir daran arbeiten, die bisher zu den Endverbrauchern führenden Lastflüsse, wo immer es möglich ist, umzudrehen: Photovoltaik-Module müssen auf jeder Dachfläche zu finden sein, und wir müssen es schaffen, verbaute Flächen von Unternehmen und auch Wohnhausanlagen dafür zu nutzen. Moderne Stromspeicher – viele davon auch in E-Autos meistens parkend – werden uns helfen, Stromnetze zu entlasten, wenn wir sie richtig und intelligent einsetzen. Da erneuerbare Energien nur fluktuierend zur Verfügung stehen, müssen wir Speicher- und Übertragungskapazitäten erweitern und versuchen, einen intelligenten Strommix zu finden. Kurzfristige Schwankungen auszugleichen, wird dabei leichter gelingen als der Ausgleich jahreszeitlicher Schwankungen: Wasserkraft und Sonnenenergie sind in unseren Breiten überwiegend im Sommerhalbjahr verfügbar. Wenn wir unseren Energiebedarf im Winter mit erneuerbaren Energien decken wollen, gelingt das nur mit Windkraft. Diese ist zu zwei Dritteln im Winterhalbjahr verfügbar. Jedenfalls werden wir Jahresspeicher und noch größere Übertragungskapazitäten für viel Geld bauen, auch für „Power to Gas“ und Wasserstoff. Die Salzburger Energiepolitik ruht sich bisher noch auf ihrem Erbe aus. Der gerade veröffentlichte Klima-Energie-Masterplan für 2030 nimmt teilweise Bezug auf Maßnahmen des Bundes und ist im eigenen Wirkungsbereich weniger ein Gestaltungs- als ein Bezahlprogramm für Maßnahmen. Bisher hat das nicht gereicht.
Facts Öko Strombörse
Die Öko Strombörse Salzburg ist eine gemeinnützige Organisation und Plattform von Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie Salzburg, Naturschutzbund, Plattform gegen Atomgefahren (PLAGE) und Salzburg AG. Aufgabe der Öko Strombörse ist es, Ökostromprojekte im Bundesland Salzburg zu unterstützen und die Salzburg AG bei der Entwicklung von Ökostromprodukten zu beraten. Zahlreiche Gemeinschafts und Bürger-Photovoltaik-Anlagen wurden bereits umgesetzt.
- Durch den KLIMACENT, eine freiwillige CO2-Abgabe, wurden KlimaschutzProjekte mit einem Volumen von ca. 300.000 Euro unterstützt.
- Knapp 20 institutionelle Partner und KLIMACENT-Kunden (Gemeinden, Schulen, Betriebe)
- Über 500 KLIMACENT-Haushaltskunden
- 5 PhotovoltaikBürgerbeteiligungsprojekte (365 kWp), die durch die Öko Strombörse begleitet und über www.aee-salzburg.at mitfinanziert wurden
DR. FRANZ KOK (59) ist Politikwissenschaftler an der Universität Salzburg. Seit 1988 ist er Politikberater, seit 2004 auch konzessionierter Unternehmensberater für Energiepolitik, Umweltpolitik, Projektmanagement und Marketing. Von 2001 bis 2016 war er CEO der Salzachwind GmbH. An der Gründung der Salzburger Öko Strombörse im Jahr 2005 war er maßgeblich beteiligt.